Kulturdezernentin Ina Hartwig enthüllt am Freitag Gedenktafel in Litauen
Rebecca von der Wien
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig reist mit einer Delegation nach Litauen, um am Freitag, 13. April, eine Gedenktafel in dem Ort Kaunas zu enthüllen. Der Gedenkstein erinnert an die während der NS-Diktatur aus Frankfurt deportierten und ermordeten Juden. „Wir wissen, dass wir mehr tun müssen, als nur zu gedenken“, diesem Spruch auf der Tafel schließen sich neben Frankfurt, dem größten Förderer dieses Projektes, rund 40 weitere Städte und Kommunen aus vier Bundesländern an.
Am 22. November 1941 fuhren von der Frankfurter Großmarkthalle Güterwaggons der „Reichsbahn“ ab. Ihr Ziel war das litauische Kaunas, die Festungsanlage Fort IX. In den Waggons jüdische Männer, Frauen und Kinder. Ein Viertel der insgesamt 992 Menschen war in Frankfurt zu Hause, die Meisten kamen aus anderen hessischen Gemeinden, Orten in Bayern und dem heutigen Rheinland-Pfalz.
„Die Geschichte der 922 aus Frankfurt deportierten Opfer ist eine Geschichte von Entrechtung, Verfolgung und brutaler Vernichtung. Mit der Gedenktafel möchten wir an das Unrecht, das diesen Menschen widerfahren ist, erinnern. Ihr Schicksal soll auch späteren Generationen unvergessen bleiben. Ich bedanke mich sehr herzlich bei dem Maintaler Verein Brüder-Schönfeld-Forum für diese Initiative und das Engagement“, sagt Ina Hartwig.
Bereits seit Juni 1941 nutzte man die Festungsanlage in Kaunas für grausame Morde an Juden aus Litauen und Deutschland, Österreich und Polen, sowjetischen Kriegsgefangenen und Kommunisten. Etwa 50.000 Menschen fanden hier einen grausamen Tod. Darunter auch die 922 Juden aus Frankfurt. Gemeinsam mit Deportierten aus München und Berlin wurden sie in den Morgenstunden des 25. Novembers 1941 im Fort IX erschossen.
Über das Mordgeschehen gibt der Jäger-Bericht Aufschluss. Ein Dokument, wie es menschenverachtender nicht sein kann. Es trägt den Namen des SS-Standartenführers Karl Jäger, der die Maschinengewehrschützen befehligte und auch selber schoss. „1.159 Juden, 1.600 Jüdinnen, 175 Judenkinder“, lautete seine Bilanz am 25. November 1941.
Neben den beiden Tafeln für die Deportierten aus Berlin und München gedenkt nun auch eine Tafel aus Frankfurt an die in Kaunas erschossenen Opfer. Eine Besonderheit dieses Gedenksteins ist der Verweis auf die zahlreichen, regional sehr weit gestreuten Heimatorte der Ermordeten. Bevor sie in der Großstadt Frankfurt Zuflucht suchten, waren sie aus ihren bisherigen Wohnorten vertrieben worden, so dass man diese für „judenfrei“ erklären konnte.
Das Brüder-Schönfeld-Forum, der Initiator und Koordinator bei der Herstellung der Tafel, trägt den Namen der beiden Brüder Horst und Gerhard Schönfeld aus Dörnigheim. Sie kamen im Alter von zehn und elf Jahren zusammen mit ihren Eltern in Kaunas ums Leben.
Neben der Stadt Frankfurt wird das Projekt von weiteren Städten und Gemeinden in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, den einmaligen Heimatorten der Opfer, unterstützt. Es sind: die Städte Allendorf (Lumda), Bad Brückenau (Bayern), Bad Orb, Braunfels, Bretten (Baden-Württemberg), Büdingen, Darmstadt, Fritzlar, Fulda, Groß- Umstadt, Gießen, Gelnhausen, Griesheim, Hanau, Kassel, Königstein (Taunus), Lampertheim, Langen, Langenselbold, Maintal, Mörfelden-Walldorf, Neukirchen (Knüll), Offenbach, Ortenberg, Pohlheim, Rödermark, Steinau, Wetter und Wetzlar, die Gemeinden Ebersburg, Grebenhain, Meißner, Oberaula, Ronneburg (Hessen), Sinntal, Schöllkrippen (Bayern) und Schornsheim (Rheinland-Pfalz), sowie die Kreise Lippe (NRW) und Bergstraße (Hessen) als Partner der Stadt bzw. des Kreises Kaunas, aber ebenso die Heimatkreise der Opfer.
Die aus Deutschland angereiste Delegation wird angeführt von der Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig. Neben der Initiatorin Ingrid Wettberg und dem Vertreter des Brüder-Schönfeld-Forum e.V., Herbert Begemann, gehören der Reisegruppe auch neun Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien in Frankfurt, Darmstadt, Gießen und Hanau an.
Kommentar
Erschüttert nehme ich die Information über die Verbrechen der nach Kaunas Entführten und dort Ermordeten zur Kenntnis, denn ich war mehrfach in Kaunas, wußte aber davon nichts und bin dort auch nicht darüber aufgeklärt worden. Die Stadt Kaunas ist eine der schönen alten Städte, die seit Jahrhunderten bedeutend für das östliche Europa ist. Ich wollte sie wegen des in Deutschland viel zu wenig beachteten Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (1875-1911) besuchen, dessen Čiurlionis-Museum das bekannteste in Kaunas ist. Er gehört zu den ganz wenigen echten Doppelbegabungen. Er war Maler und er war Komponist. Seine Kompositionen kann man dort hören, seine Bilder sehen. Das Besondere an der Malerei ist der anthroposophische Hintergrund. Im Museum kann man nicht nur die Gemälde des Künstlers betrachten, sondern in einem extra dafür eingerichteten Raum auch seine Musik hören. Heute wird seine Bedeutung groß gefeiert. Er selbst sah sich als Synästhetiker, der die Künste zusammenführt. Vor Jahren gab es in Paris eine Ausstellung seiner Bilder, die als sensationell empfunden wurde, wobei das Anthroposophische seiner Malerei, das Übersinnliche und Sphärische nicht zu übersehen ist und insgesamt auch für die Zeit um 1900 typisch ist. Seine spätromantischen symphonischen Dichtungen IM WALDE, noch stärker DAS MEER sind sehr gefühlvoll, sehr schön. Claudia Schulmerich
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