Bildschirmfoto 2018 04 23 um 09.15.31NACH 70 JAHREN ISRAEL 

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Nach wie vor sind Länder wie der Jemen und die Ukraine praktische Beispiele dafür, dass es immer noch Gegenden der Welt gibt, aus denen Juden sich gezwungen sehen, nach Israel zu flüchten. Die Jewish Agency (JA) sieht sich aber auch mit neuen Herausforderungen konfrontiert.

Im 70. Jahr der Existenz des Jüdischen Staates setzt sich ein immer klareres neues Phänomen durch, mit der sich auch die Jewish Agency (JA) als die für die Einwanderung nach Israel hauptsächlich zuständige Agentur zusehends auseinandersetzen muss: Die Alija aus freier Wahl.

In einem Gespräch mit der «Jerusalem Post» meint der scheidende JA-Präsident Nathan Sharansky: «In der Gegenwart liegt die Alija aus Rettungsgründen hinter uns. Das grosse Bild wird geprägt von tausenden von Menschen, die sich jedes Jahr aus freien Stücken für die Alija entschliessen.» Diese Trendwende war eine der zahlreichen wichtigen Veränderungen, mit denen Sharansky sich in den neun Jahren an der Spitze der JA befasst hat.

Im Rahmen dieses Prozesses modernisierte er zahlreiche Programme, die integrale Bestandteile der Organisation bildeten. Dazu gehört etwa das Shlichim-Programm. Shlichim nennt man die Emissäre der JA, die regelmässig in aller Welt für die Förderung der Alija sorgen. Waren diese Shlichim früher mittelalterliche Kibbuz-Mitglieder, ist der typische Emissär heute Ende 20, nicht verheiratet, stammt aus den verschiedensten Gegenden Israels und hat den unterschiedlichsten beruflichen Hintergrund. Heute sorgen über 2000, in rund um den Globus zerstreute Shlichim für ein besseres Verständnis zwischen Diaspora-Juden und dem Staat Israel.

Die Emissäre verpflichten sich für eine Periode von zwischen einigen Monaten bis einigen Jahren. Gemeinden und Gemeindebünde sind heute viel interessierter an der Anwesenheit von JA-Emmisären als noch vor einigen Jahren. Darin widerspiegelt sich möglicherweise die Erkenntnis des Diaspora-Judentums, dass die Zukunft ihrer Jugend bewusst in Israel zu sehen ist. Ein anderes Thema, das laut Sharansky die JA vermehrt beschäftigt, ist der immer notwendigere Kampf der Diaspora-Gemeinden gegen die grassierende Assimilation.

«Die Herausforderung ist einzigartig», meinte Sharansky zur «Jerusalem Post»: «Wir müssen ins Zentrum unserer Arbeit das Ziel der Stärkung der Verbindung zum Judentum setzen.» Als Folge dieser Erkenntnis befinden sich derzeit rund 90 JA-Emissäre an Universitäts-Campi in den USA, wo sich der Dialog rund um Israel als aussergewöhnlich problematisch erweist. Sharansky, der sich auf seinen Abschied von der Jewish Agency vorbereitet, geht mit einem bittersüssen Gefühl. Es gebe, wie er unterstreicht, immer noch keinen Deal für ein egalitäres Gebet an der Jerusalemer Westmauer, nachdem Premier Netanyahu die entsprechenden Gespräche auf Eis gelegt hat. Mit der Suche nach einer Lösung für die zahlreichen Konversionsthemen wird sich wohl Sharansky nicht mehr befassen müssen.

Foto: 
Der scheidende JA-Präsident Nathan Sharansky
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 23. April 2018