Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - In der Regel ist der Jom Haazmaut, der israelische Unabhängigkeitstag, der nationale und gesellschaftliche Höhepunkt im Festtagskalender des jüdischen Staates. Ganz speziell hatten sich die Planer des diesjährigen Unabhängigkeitstages – er begann am Mittwochabend nach den Gedenkstunden für die gefallenen IDF-Soldaten und jüdischen Terroropfer und zog sich bis in den späten Donnerstagabend hinein – mit Kulturministerin Miri Regev an der Spitze eine aussergewöhnlich festliche Atmosphäre erwünscht. Verständlich, handelte es sich doch um den 70. Jom Haazmaut, um einen «runden» Geburtstag also.
Spannung an der Nordgrenze
Dafür, dass dieser Tag nicht nur im erhofften Licht von Feuerwerken und ebenso feurigen Reden vorbeigegangen ist, war in erster Linie die unaufhörlich wachsende Spannung an Israels Nordgrenze zuständig. Die Art der Konfrontationen zwischen Israel und der islamischen Republik Iran auf syrischem Territorium beziehungsweise über dem syrischen und libanesischen Luftraum nimmt in wachsendem Ausmasse den Charakter einer direkten Auseinandersetzung an. Das unterstrich der Zwischenfall von letzter Woche besonders drastisch. Nicht weniger als sieben iranische «Berater» kamen bei Angriffen auf die syrische Luftwaffenbasis T-4 ums Leben. Zuvor hatte der Abschuss einer unbemannten, nach israelischer Version aber bewaffneten iranischen Drohne im israelisch-libanesischen Grenzgebiet bereits einen Beweis für die schleichende bilaterale Eskalation geliefert. Dann berichtete das «Wall Street Journal» am Mittwoch von einem israelischen Angriff auf iranische Flugabwehrinstallationen in Syrien, der letzte Woche stattgefunden haben soll. Für Teheran sicher erschwerend kam hinzu, dass der angebliche israelische Angriff mit stillschweigender Duldung Washingtons über die Bühne gegangen sein soll. Neben rein militärischen Gründen hatte Premierminister Binyamin Netanyahu laut dem amerikanischen Pressebericht den Angriff vor allem durchführen wollen, um ein klares Signal für die weiterhin uneingeschränkte Handlungsfreiheit Israels im syrisch-libanesischen Luftraum zu setzen.
Drastischer Beweis
Auf diese Freiheit scheint Israel nach eigener Interpretation der Sachlage angewiesen zu sein, um das Einhalten einer seiner «roten Linien» zu gewährleisten – um zu verhindern, dass Iran weiter in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen syrischen Nachbarland Fuss fasst. Hier muss allerdings als Randbemerkung darauf hingewiesen werden, dass dank der offenen politischen wie militärischen Unterstützung Moskaus die Lage Präsident Bashar al-Assads längst nicht mehr so aussichtslos zu sein scheint wie noch vor wenigen Monaten. Einer der drastischsten Beweise dafür ist die Unverfrorenheit, mit der der syrische Präsident es sich leisten kann, die eigene Bevölkerung mit derart illegalen Mitteln wie chemischen Waffen in Schach zu halten. Wieso auch nicht? Ausser Raketenattacken der amerikanisch-britisch-französischen Koalition, die wohl eine Reihe von Bauten in Schutt und Asche legen, dabei aber wahrscheinlich bewusst dem syrischen Präsidenten selber kein Haar krümmen, war die internationale Völkergemeinschaft bis jetzt nicht in der Lage, Wirksames zu produzieren. Inzwischen leidet und stirbt die syrische Zivilbevölkerung weiter, ganz offensichtlich, unaufhaltsam. Präsident Donald Trump schielt mit einem Auge bereits auf Nordkorea, wo sich offenbar immer deutlichere nukleare Entspannungschancen offerieren. Da er sich aus Syrien sowieso lieber heute als morgen zurückziehen möchte, ist in Israels Nachbarschaft in absehbarer Zeit wohl kaum mit einer wesentlichen Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu rechnen. Sicher nicht in einer Art, die Israels Sorgen und Bedenken reduzieren würde.
Ausstrahlung bis Alaska
Diese Sorgen und Bedenken fanden dieser Tage ihren Ausdruck im fernen Alaska. Dort finden nämliche die regelmässigen Red-Flag-Manöver der amerikanischen Luftwaffe statt. Erstmals hätten dieses Mal auch israelische F-15-Düsenjäger an den Übungen teilnehmen sollen, die bei Schnee, Eis und harschen Witterungsverhältnissen stattfinden, klimatischen Bedingungen, die Israels Piloten in der eigenen Heimat nicht so leicht vorfinden können. Aus der israelischen Beteiligung an dem Manöver wurde aber nichts, hat Jerusalem doch mit Hinweis auf die wachsenden Spannungen im Norden seine Düsenjäger nach Hause zurückbeordert. Außer einigen Beobachtern findet also auch dieses Jahr das Red-Flag-Manöver ohne israelische Beteiligung statt.
Foto:
Israeli an der Gedenkstunde für die gefallenen IDF-Soldaten und jüdische Terroropfer in Tel Aviv
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 13. April 2018
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 13. April 2018