Bildschirmfoto 2018 05 12 um 07.43.02Situation in Israel nach Aufkündigung des Iran-Deals besonders angespannt

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Da israelische Politiker Bashar al-Assad drohen und gleichzeitig mit einem iranischen Racheakt von syrischem Boden aus gerechnet wird, ist die Situation im Norden Israels nach Aufkündigung des Iran-Deals zusätzlich angespannt.

Donald Trumps Aufkündigung des Iran-Deals von Dienstag Abend überlagert den schon seit Längerem schwelenden Konflikt zwischen Iran und Israel in Syrien. Neben den bereits zur Routine gewordenen iranischen Drohungen gegen Israel und den israelischen Gegendrohungen kommen nun anscheinend israelische Drohungen gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad auf.

Gegenüber der israelischen Nachrichten-Website Ynet erklärte der israelische Energieminister Yuval Steinitz diese Woche, Israel werde Assad «eliminieren», sollte dieser fortfahren, Iran von Syrien aus operieren zu lassen. Assad müsse wissen, meinte Steinitz, dass es sein Ende sein werde, sollte er den Iranern gestatten, Syrien zu einer Militärbasis für Attacken gegen Israel zu machen. «Es geht nicht an», unterstrich der israelische Minister, «dass Assad ruhig in seinem Palast sitzt und sein Regime neu aufbaut, während er gleichzeitig zulässt, dass Syrien zu einer Basis für Angriffe gegen Israel wird.»


Ein iranischer Racheakt?

Das Spannungspotenzial im Norden Israel ist damit aber noch längst nicht erschöpft. Israelische Armeestellen bereiten sich auf die Möglichkeit eines baldigen iranischen Racheaktes von syrischem Boden aus vor. Die genannten Stellen halten die Variante des Abschusses von Raketen auf militärische Ziele in Nordisrael für die wahrscheinlichste. Sie haben offenbar Anlass zu glauben, dass Teheran entschlossen sei, Rache für den Israel zugeschriebenen Luftangriff vom 9. April auf die syrische Basis T-4 zu üben. Damals starben mindestens sieben iranische Militärberater und Mitglieder der iranischen Revolutionswache. Während Jerusalem immer noch schweigt, machen Iran und auch Offizielle anderer Staaten Israel verantwortlich für diesen Angriff. Wie aus massgeblichen Kreisen in Jerusalem verlautet, hat Israel verschiedene Schutzmassnahmen gegen möglichen feindlichen Raketenbeschuss ergriffen. Verteidigungskreise bestätigten dies und sagten, die eigenen Raketenabwehrsysteme seien darauf vorbereitet, sich den Notwendigkeiten entsprechend mit einfliegenden Raketen zu befassen. Den Nachrichten und Spekulationen über einen iranischen Racheakt für den Anschlag vom 9. April auf die syrischen Basis T-4 widmen die israelischen Medien extrem starke Aufmerksamkeit. Damit soll möglicherweise Zweierlei erreicht werden: Erstens kann Teheran durch die ständigen Nachrichten von seinen auf Israel gerichteten Raketen so nervös gemacht werden, dass es die Umsetzung seiner Pläne in die Tat eventuell auf die lange Bank schiebt. Zweitens aber erhöht die Situation die Gefahr auch ganz wesentlich, dass die Kontrolle über eine an sich vorgesehene begrenzte militärische Aktion verloren geht und der militärische Flächenbrand im Norden Israels eine Eigendynamik entwickelt, die je schwerer einzudämmen wäre, je länger sie anhielte.


Ein Schlag ins Gesicht

Weiteres Spannungspotenzial bilden­ die Ergebnisse der libanesischen Parlaments-wahlen,­ endeten sie doch mit einem Machtzuwachs der schwerbewaffneten Hizbollah-Miliz, neben Moskau der wichtigste­ Alliierte Irans, vor allem aber Erzfeindin des jüdischen Staates im politischen Gestrüpp des Zedernlandes. Der Gewinn der Hizbollah von 67 Sitzen im 128-köpfigen Beiruter Parlament unterstreicht sicherlich die wachsende regionale Rolle Teherans und macht eine auch nur oberflächliche Annäherung zwischen Jerusalem und Beirut auf lange Zeit hinaus illusorisch. Nicht zuletzt auch für die US-Administration ist das politische Erstarken der Hizbollah in Libanon ein Schlag ins Gesicht, gilt die Miliz in den USA doch offiziell als Terrororganisation.

Vor diesem Hintergrund lässt sich noch nicht abschätzen, in welchem Ausmass die USA ihre Militärhilfe an Libanon weiterführen können. Letzten Endes kann es nicht sein, dass die Gruppe, die einerseits als Terrorgruppe gebrandmarkt ist, auf der anderen Seite als immer wichtigeres Mitglied des Beiruter Parlaments von genau diesen Waffen profitieren könnte. Erwar­tungsgemäss frohlockend reagierte Iran nach dem Bekannt­werden der Wahlergebnisse und der mit ihnen verbundenen politischen Schwächung des westlich orientierten Premiers Saad al-Hariri. Eine Teheraner Nachrichtenagentur übertitelte ihren Bericht: «Libanesische Wahlresultate bereiten Hariris­ Monopol unter den Sunniten ein Ende».

Washingtoner Kommentatoren machen keinen Hehl aus ihrer Besorgnis über die Tat­sache, dass Hariris Fähigkeiten sehr beschränkt sein werden, die Hizbollah wesentlich zu zähmen oder zurückzubinden. Israel wird weiter mit der Hizbollah als einem politischen «Partner» im Nachbarland leben und sich dabei vor allem auf das bisher praktizierte Gleichgewicht des Schreckens verlassen müssen. Dieses läuft im Hinblick auf Libanon darauf hinaus, dass Israel im Falle massiver Anschläge der Schiitenmiliz versuchen würde, sich durch Vergeltungsaktionen gegen die zivile Infrastruktur des Zedernlandes schadlos zu halten, in welche die Hizbollah jetzt mehr denn je integriert sein will.

Letztlich deutet das libanesische Wahlergebnis auf eine wachsende Wahl­müdigkeit der Bürgerinnen und Bürger hin, die wohl genug haben von den nicht nach­lassenden sektiererischen Spaltereien und der militärischen Unruhe, die die Hizbollah als «Fremde» unter den Libanesen schürt. Vordergründiger Beweis für diesen Trend dürfte die schwindende Wahlbeteiligung gewesen sein. Gingen bei den letzten Parlamentswahlen vor neun Jahren noch 54 Prozent der Wahlbe­rechtigten an die Urnen, waren es dieses Mal nur 49,2 Prozent.

Foto:
Der Erfolg der Hizbollah bei den Wahlen in Libanon stellt für Israel eine weitere Herausforderung dar
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. Mai 2018