Diffamierung, Erpressung und Täuschung als politische Instrumente
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Importzölle auf Waren, Dienstleistungen und Kapital können auch in Zeiten enger internationaler Wirtschaftsbeziehungen sinnvoll sein.
Vor allem, wenn dadurch Niedriglöhnen, ungerechtfertigten Subventionen und Ressourcenverschwendungen entgegengewirkt werden kann. Die von US-Präsident Trump verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium und möglicherweise bald auch auf Automobile haben jedoch andere Gründe.
Zum einen soll damit plakativ der Eindruck vermittelt werden, der Präsident erfülle seine Versprechen gegenüber den Wählern in strukturschwachen Regionen und sorge mit der autarkischen Devise „America first“ für Wirtschaftswachstum.
Zum andern aber bedürfen die USA dringend eines Konjunkturschubs, der die öffentlichen Kassen füllen könnte. Denn dem durch die drastische Senkung der Unternehmenssteuern verursachten Einnahmenausfall stehen unaufschiebbare Ausgaben für die Infrastruktur gegenüber. Letztere sogar im gigantischen Ausmaß; die Kosten für eine auch in diesem Land unvermeidbare Energiewende sind dabei gar nicht berücksichtigt. Der öffentliche Sektor der USA erweckt bei genauer Betrachtung den Eindruck, dass er latent insolvent ist. Und das ist mutmaßlich vom neoliberalen Establishment so beabsichtigt. Denn dessen Ziel ist es, sich die letzten Filetstücke der Daseinsvorsorge unter die Nägel zu reißen. Die Freiheit des durchschnittlichen US-Amerikaners wird dann die Vogelfreiheit sein.
Vor diesem Hintergrund sind die Erhebung von Importzöllen trotz bestehenden WTO-Abkommens nicht nur ein Angriff auf die Wirtschaftskonkurrenten EU und speziell Deutschland. Diese Maßnahme stellt darüber hinaus die Infragestellung des westeuropäischen Wertecodex dar, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf amerikanische Initiative zustande kam. Folglich betreiben Donald Trump und seine Clans eine Umkehrung aller bisherigen Werte – im Sinn von Orwells "1984". Jeder soll sich selbst der Nächste sein und dieses Selbstverständnis notfalls mit dem Colt durchsetzen. Für die internationale Durchsetzung dieser Ansprüche wird die Armee aufgerüstet. An den Kosten sollen sich die NATO-Verbündeten beteiligen. Solidarität scheint in diesen Kreisen beschränkt zu sein auf die Solidarität von Revolvermännern und Spekulanten.
Die Antwort Europas kann nur in der Ankündigung drastischer Gegenmaßnahmen bestehen. Diese hätten sich jenseits von Jeans, Motorrädern und Whiskey zu bewegen. Importsteuern auf amerikanische Rüstungsgüter und Flugzeuge, Telekommunikationsgüter, auf Computer und Computer-Software, auf chemische Produkte sowie auf Werbeeinnahmen von Facebook und Google könnten ein Anfang sein. Zwar wird sich Trump auch dann vermutlich uneinsichtig zeigen. Aber es spricht vieles dafür, dass er einem inneramerikanischen politischen Druck nicht würde standhalten können.
Der vom US-Präsidenten nun vom Zaun gebrochene Handelskrieg erfüllt nahezu sämtliche Voraussetzungen, die der preußische Generalmajor Carl von Clausewitz als Maßstäbe für diese Art internationaler Auseinandersetzungen einst definierte: Er ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln und er ist ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung des eigenen Willens zu zwingen.
Wir wissen, dass Gewalt längst unterschiedliche Formen annimmt. Sie erschöpft sich nicht im Draufschlagen, Schießen, Bombenwerfen oder Vergiften. An der Harvard University und manchen Managementschulen sind Clausewitz‘ Theorien seit Jahren Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre. Der „ehrenwerte“ Kaufmann von einst hat sich zu einem auf Effizienz setzenden Unternehmer entwickelt. Er präferiert Diffamierung, Erpressung, Entrechtung, Täuschung und Unterdrückung, um seine Gegner (Konkurrenten) auszuschalten. Dem Sheriff im Weißen Haus wird nachgesagt, dass er von den Vorgängen in der Welt keine Ahnung hätte. In den erwähnten „Fertigkeiten“ jedoch soll er sich auskennen wie kaum ein zweiter.
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Trump unterzeichnet Proklamation zu Strafzöllen
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