50 Fritz bauerEinem Nestbeschmutzer zum Gedenken. Texte zum 50. Todestag von Fritz Bauer 1/2

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - 50 Jahre nach dem Tod des hessischen Generalstaatsanwalts Dr. Fritz Bauer liegt immer noch ein Schleier des Geheimnisses über seinem Ableben. Die Umstände seines Todes wurden bis heute nicht geklärt und werden für immer ungeklärt bleiben. Die Nachricht von seinem plötzlichen Ende löste seinerzeit weit über den Kreis seiner Anhänger hinaus Bestürzung und Trauer aus. Andere dürften erleichtert gewesen sein, dass der Störenfried für immer verstummt war.

Vor allem drei Ereignisse sind untrennbar mit Fritz Bauers Namen verknüpft: Die Rehabilitierung der Widerstandskämpfer des 20. Juli vom Vorwurf des Landesverrats, die Auslieferung des Organisators der Massenmorde an den europäischen Juden, Adolf Eichmann, an Israel und der Prozess gegen Beteiligte an der Tötung von mehr als einer Million jüdischer Frauen, Kinder und Männer in Auschwitz, von dem sich Fritz Bauer eine innere Reinigung der Deutschen erhoffte.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, kannten den Aufenthaltsort des nach Argentinien geflüchteten NS-Verbrechers lange bevor er Fritz Bauer durch einen Zufall zu Ohren gekommen war. Durch ihr Schweigen haben sie Eichmann seit 1958 gedeckt. Der deutsche Auslandsgeheimdienst unterstand dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke, der rechten Hand von Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU). Reinhard Gehlen, ein ehemaliger Wehrmachtsgeneral, und Hans Globke, verstrickt in die Verfolgung der Juden durch die Nazis, verstanden sich auf Anhieb. In seinen Memoiren schreibt Gehlen: „Ich fand sofort einen guten Kontakt und gewann den Eindruck, dass er die Bedeutung meiner Organisation richtig einschätzte...Meine Zusammenarbeit mit ihm bis zum Jahr 1963 war so erfreulich und für mich anregend, dass ich sie nicht missen möchte.“ (Reinhard Gehlen, Der Dienst, Mainz-Wiesbaden 1971 , S. 178, S. 180 und S. 296).

Der hessische Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer wurde. am 30. Juni 1968 kurz vor Vollendung seines 65. Lebensjahres tot in der Badewanne seiner Frankfurter Wohnung aufgefunden. Obwohl der zuständige Polizeiarzt eine nicht aufgeklärte Todesart festgestellt hatte, erfolgte die Leichenschau ohne Hinzuziehung eines Rechtsmediziners. Dabei gehört die Untersuchung eines Toten aus der Badewanne nach übereinstimmender Ansicht von Experten zu den schwierigsten rechtsmedizinischen Aufgaben. Bei solchen Todesfällen, so der brandenburgische Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg, klingelten immer alle Alarmglocken. Neben Suizid oder Unfall komme stets auch ein potentielles Tötungsdelikt in Betracht. Es sei ihm unerklärlich, weshalb der stellvertretende hessische Generalstaatsanwalt Krüger die Staatsanwaltschaft nicht angewiesen habe, beim zuständigen Ermittlungsrichter die von ihm für notwendig erachtete gerichtliche Obduktion zu beantragen. Ungeachtet der eindeutigen Vorgabe Krügers sei die Leiche von der Staatsanwaltschaft zu der von Bauer testamentarisch festgelegten Feuerbestattung freigegeben worden. Der hierzu angelegte Aktenvorgang sei allerdings nicht mehr vorhanden. „Aus Gründen, die nicht mehr feststellbar sind, hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt keine gerichtliche Obduktion beantragt“, konstatierte auch der ehemalige Kriminaldirektor Dieter Schenk, 2012 im offiziellen Organ des Fritz-Bauer-Instituts zur Erforschung der Geschichte des Holocaust. („Einsicht 08).

Die bei Feuerbestattungen übliche Verwaltungssektion nahm der Rechtsmediziner Professor Joachim Gerchow vor. Er stellte in seinem Gutachten fest: „Die Beurteilung der Todesursache des Generalstaatsanwaltes Herrn. Dr. Fritz Bauer ist schwieriger als zunächst angenommen.“ Auf Grund der Schilderungen Gerchows kann nach Ansicht Rautenbergs weder ein Unglücksfall noch ein Suizid ausgeschlossen werden. Als weitere „theoretische Möglichkeit“ verbleibe ein „verdeckter Mordfall“, obwohl konkrete Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden fehlten. Schenks These, die immer wieder kolportierte Behauptung, Bauer sei ermordet worden, entbehre nach der Beweislage jeglicher Grundlage, lässt Rautenberg nicht gelten. Sie verkenne, dass sich ein Fremdverschulden deshalb nicht mit völliger Sicherheit ausschließen lasse, weil Polizei und Staatsanwaltschaft sich nicht um eine umfassende Aufklärung der Todesumstände bemüht hätten. Angesichts der vielen Merkwürdigkeiten könne auch keine Rede davon sein, dass es sich - wie der Historiker Norbert Frei meinte – um eine „haltlose Insinuation handle, wenn gemutmaßt werde, Bauer sei möglicherweise eines unnatürlichen Todes gestorben. Viele hätten ein Motiv gehabt, den Störenfried zu beseitigen. Die von Bauer eingeleitete strafrechtliche Verfolgung der nationalsozialistischen Euthanasie-Morde, von der viele hochrangige Juristen betroffen gewesen wären, wurde nach dessen Tod eingestellt. („Forschungsjournal Soziale Bewegungen“. ( Heft 4/ Dezember 2015, S. 180 f.)).

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Kurt Nelhiebel, Einem Nestbeschmutzer zum Gedenken. Texte zum 50. Todestag von Fritz Bauer, Ossietzky Verlag