Bildschirmfoto 2018 07 07 um 09.51.47Die aktuellen Zahlen des israelischen Friedens-Index dürften dem US-Präsidenten Donald Trump kaum Freude bereiten

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Obwohl das eigentliche Werk das Licht der Öffentlichkeit noch gar nicht erblickt hat, ist der Nahost-Friedensplan von US-Präsident Donald Trump erstaunlicherweise bereits in aller Munde. Ganz besonders gilt dies für Israel. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendeine wichtige oder sich wichtig nehmende Person oder Organisation sich in Spekulationen ergeht über die Chancen des Plans, das embryonale Stadium zu überleben, ohne Existenz bedrohenden Schaden zu nehmen.

Die Zahlen und Interpretationen der jüngsten Ausgabe des monatlichen, vom Israelischen Demokratie-Institut herausgegebenen Friedens-Index dürften Donald Trump kaum sonderlich erfreuen. Nicht weniger als 74 Prozent der israelischen Bürgerinnen und Bürger­ schätzen die Erfolgschancen für Trumps Friedensplan­ als niedrig oder sehr niedrig ein. Und gar nur weniger als fünf Prozent der israelischen Öffentlichkeit beurteilen die Chancen des Planes als sehr hoch. Selbst ein so selbstsicherer Mann wie Donald Trump kann die kritischen, vom Friedens-Index verbreiteten Äusserungen nicht einfach so als «kalkuliertes­ Risiko» wegstecken und zur Tagesordnung übergehen. Denn die Israeli gehören zu den Hauptakteuren des US-Friedensplans.

Das erklärt zu einem großen Teil das Zögern Washingtons (und bis zu einem gewissen Grad auch Jerusalems) bei der Veröffentlichung des Plans. Schliesslich will man ja nicht bereits wenige Augenblicke nach einer Publikation von der Vox populi vom Platz gefegt werden. Ein weiteres Ergebnis des Friedens-Index empfiehlt den Israeli, den kühlen Verstand walten zu lassen und von emotionalen Reaktionen eher abzusehen. So sind 77 Prozent der Israeli der Ansicht, dass israelische Interessen Trump sehr am Herzen liegen. Nur 30 Prozent der befragten jüdischen Israeli und gerade mal 3,5 Prozent der Israel-Araber erklärten, ihrer Meinung nach würde der amerikanische Präsident­ sich um palästinensische Interessen kümmern.


Ein Umdenken

Washington steht keineswegs mit der Erfordernis, in Sachen Nahost umzudenken oder einen Denkprozess überhaupt erst einmal in Bewegung zu setzen, alleine da. So hat die Knesset diese Woche nach einer stürmischen Debatte – der arabische Abgeordnete Jamal Zahalka beispielsweise schimpfte den Parlamentarier und ehemaligen Shabak-Chef Avi Dichter einen «Terroristen» – eine Vorlage zum Gesetz er­hoben, das Jerusalem gestattet, die Zahlungen, welche die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) Sicherheitsgefangenen und deren Familienangehörigen macht, von den Steuern abzuziehen, die Israel einsammelt und an die PA überweist. Das Gesetz verlangt, dass der Verteidigungsminister jedes Jahr dem Sicherheitskabinett einen Bericht vorlegt, der die Zahlungen der PA an Gefangene und deren Familien zusammenfasst. Diese Summe wird durch zwölf geteilt, und das Ergebnis wird von den folgenden monatlichen Steuertransfers Israels an die PA zurückgehalten. Laut Avi Dichter zahlt die PA jährlich 1,2 Milliarden Schekel (über 330 Millionen Dollar) an Sicherheitsgefangene und deren Familien. Das sind immerhin sieben Prozent des PA-Budgets.

Der Beschluss der Knesset steht im Einklang mit der Beendigung der australischen Direkthilfe an die PA. Aussenministerin Julie Bishop steht auf dem Standpunkt, diese Spenden­ könnten die Kapazität der PA erhöhen, Palästinensern, die für politisch motivierte Gewalt einsitzen, finanzielle Unterstützung zukommen­ zu lassen, um Aktivitäten zu finanzieren, welche Australien nie gutheissen würde. Das wiederum bedeutet laut Bishop eine «Beleidigung­ australischer Wertvorstellungen». Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die palästinensische Einnahme­seite empfindliche Einbussen er­leiden wird, sollte das Vorgehen Jerusalems und Canberras Schule machen.


Neue Töne aus Brüssel

Nicht nur in finanzieller Hinsicht scheinen die Dinge im israelisch-palästinensischen Konfliktfeld in Bewegung zu geraten. Auch auf politischer Ebene wächst die allgemeine Unzufriedenheit. So gab die Europäische Union (EU) diese Woche bekannt, sie werde mit der PA und Israel Konsultationen aufnehmen über die Position der Organisation hinsichtlich der Unterstützung der Zweistaatenlösung in der Region. Ein erster Bericht zum Thema soll der EU auf der Basis des Aussenminister-Forums Ende August unterbreitet werden. Wie einschneidend eine Änderung der Unterstützung der Zweistaatenformel durch die EU für die ganze Nahost-Szenerie wäre, geht aus den zurückhaltenden Kommentaren aus Brüssel zur Sache hervor. Es bestehe keine Absicht, das derzeitige Niveau der EU-Finanzierungen zu ändern, heisst es in einer Stellungnahme der Union. Auch soll die EU-Politik zum Nahost-Friedensprozess keiner­ neuen Betrachtung unterzogen werden.­ Vielmehr wolle man sich die Ansichten beider Seiten anhören und mit ihnen irgendwelche Hindernisse für den Frieden und die Lebensfähigkeit der Zweistaatenlösung thematisieren und diskutieren. Für die EU bleibe diese Lösung weiter der «einzige realistische und lebensfähige Weg, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israeli und Palästinensern zu erzielen».


Foto:
In Israel glauben nur wenige an den Erfolg des Friedensplans von Donald Trump, hier zu sehen auf einer Zeichnung an Bethlehems Grenzmauer
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 5. Juli 2018