kpm Karl Marx Hof in WienFrankfurter SPD sagt Nein zum Mietentscheid-Begehren

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wohnraum ist im Zuge der Deregulierung endgültig zur Ware geworden.

In den Großstädten gar zu einer unerschwinglichen. Wer die in den meisten Fällen durch Spekulation in die Höhe getriebenen Preise nicht zahlen kann, hat das Nachsehen – und das gilt mittlerweile für breite Bevölkerungsschichten. Und folglich müssen immer mehr an die Peripherie ausweichen – bis eines Tages auch dort kein Platz mehr für Menschen mit Durchschnittseinkommen vorhanden sein könnte. Der Bau von zusätzlichen Wohnungen für die Opfer der innerstädtischen Apartheid auf der sprichwörtlichen grünen Wiese überzeugt ebenfalls nicht. Zum einen sprechen ökologische Gründe dagegen (Grünflächen müssen weichen, zusätzliche Verkehrsanbindungen mit sind unvermeidlich, deren Emissionen heute noch gar nicht einschätzbar), zum anderen sind die Vertriebenen dort nicht willkommen, wie der Protestzug der CDU unlängst belegte.

Um dem Warencharakter des Wohnraums ein Korrektiv entgegenzusetzen und die Kommerzialisierung der Daseinsvorsorge zu verhindern, wurden bereits vor Jahrzehnten gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften gegründet, die sich im öffentlichen Eigentum befinden. Als besonders vorbildlich galt in den 1920er Jahren Wien; der Karl-Marx-Hof zeugt noch heute vom damals weit verbreiteten Solidaritätsgedanken.

Die Spekulationswirtschaft stellt indes die Gesellschaften vor Refinanzierungsprobleme. Denn preiswerte Mieten einerseits und erhebliche gestiegene Instandhaltungs- und Neubaukosten andererseits machen Kapitalnachschüsse der öffentlichen Hand notwendig. Doch die Interessensvertreter der Spekulantenszene, insbesondere CDU, FDP und Grüne, verhindern, dass solche Steuermittel ausreichend fließen. Also bauen die Gemeinnützigen nur noch zu 30 Prozent geförderten Wohnraum und finanzieren mit dem Erlös aus den anderen 70 Prozent ihre Defizite. Diese Krämerseelenrechnung widerspricht jedoch der ursprünglichen Aufgabe.

In dieser Situation, die klare politische Entscheidungen dringend notwendig macht, haben Frankfurter ein Bürgerbegehren initiiert. Dessen Ziel ist es, dass Stadtverordnetenversammlung und Magistrat die gemeinnützigen Gesellschaften künftig ausschließlich auf den Bau und Unterhalt von gefördertem Mietwohnraum verpflichten sollen.

Die Ablehnung von CDU und Grünen sowie der nicht mitregierenden FDP war zu erwarten, denn niemand kann auf Dauer zwei Herren dienen: dem Mammon und dem sozialen Ausgleich.

Aber nun schert auch die SPD aus, desavouiert Oberbürgermeister Peter Feldmann und hält ihre bisherigen Wähler für blöd. Feldmann verdankt seine Wiederwahl im letzten Jahr sowohl einer unglaubwürdigen Mitbewerberin als auch der Zusicherung, die Nöte der Mieter rasch und nachhaltig beseitigen zu wollen. Aber anscheinend waren diese Schwüre nur Schall und Rauch. Der SPD-Spitzenkandidat bei der anstehenden hessischen Landtagswahl, Thorsten Schäfer-Gümbel, setzt übrigens auf dieselbe Karte und wird sie, falls es zum Schwur kommen sollte, vermutlich ebenfalls schleunigst verschwinden lassen.

Sollte der Mietentscheid das notwendige Quorum erreichen, wäre das ein Dolchstoß für die SPD, ausgeführt aus den Reihen jener, die traditionell für diese Partei votierten. Danach würde ihr das Etikett „unwählbar“ auf Jahrzehnte anhängen.

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Der Karl-Marx-Hof in Wien ist ein Beispiel für sozialen Wohnungsbau in den 1920er Jahren. Bis jetzt haben Bürger und SPÖ verhindert, diese und ähnliche Errungenschaften dem „freien Markt“ zu überlassen.
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