Bildschirmfoto 2018 09 01 um 09.50.58Die israelische Wasserbehörde warnt vor sinkenden Wasserressourcen in Israel, da das Land schon seit fünf Jahren von einer Dürreplage heimgesucht wird

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Das unweigerlich herannahende jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana erinnert daran, dass die zwei Tage seit jeher unter anderem dazu dienen, sich mit guten Vorsätzen für das kommende Jahr zu befassen, sowohl mit deren Konzipierung als auch – ein meistens schon schwierigeres Unterfangen – deren Durchführung. Je weiter und tiefer die guten Vorsätze ins tägliche Leben hineinreichen und je weniger sie mit hochtrabender Politik oder ebensolcher Weltanschauung zu tun haben, umso kontroverser im theoretischen Ansatz und in der praktischen Umsetzung sind sie in der Regel.

Historischer Negativrekord?

Das gilt nicht zuletzt für die israelische Wasserwirtschaft. Das Land wird nämlich seit fünf Jahren schon von einer eigentlichen Dürreplage heimgesucht. Nicht, dass der Israeli akuten Durst leiden müsste, aber die Bandbreite zwischen schier endloser Wasserreserve europäischen oder nordamerikanischen Ausmasses und echter Wasserknappheit wird stets enger. Das unterstreicht die Israelische Wasserbehörde in einem letzte Woche veröffentlichten warnenden und mahnenden Bericht. Die israelischen Wasserressourcen, heisst es dort, seien drauf und dran, einen neuen historischen Negativrekord aufzustellen. Am stärksten seien dabei demnach der See Genezareth und die Golanhöhen betroffen. Dabei sinke der Wasserspiegel des Sees täglich um einen Zentimeter. Uri Dorman, der Leiter der Organisation für die Entwicklung Galiläas, erklärte den israelischen Medien, er hoffe, die Regierung werde in die «Errichtung von Entsalzungsanlagen» investieren, um für den See und den Golan Trink- und Bewässerungswasser zur Verfügung zu stellen. Auf jeden Fall müsse die Regierung einen Notfallplan vorbereiten, um die Bauern und Züchter zu kompensieren, falls die Prognose einer fortdauernden Dürre sich – «Gott behüte» –materialisieren sollte, sagte Dorman. Trotz der optimistischen Regenprognose für den kommenden Winter warnt die Wasserbehörde, dass die hydrologische Dürre im Seebecken andauern dürfte.


Hoffen auf ein Ende der Dürre

Der Unterschied zwischen meteorologischer und hydrologischer Dürre liegt darin, dass die erste Variante charakterisiert wird durch ein Defizit in der Quantität, Intensität und den Zeitpunkt des Niederschlags. Nimmt die meteorologische Dürre kein Ende, entwickelt sie sich im Verlauf der Zeit zu einer hydrologischen Dürre, die sich vor allem durch einen sinkenden Zufluss des Wassers in die Wasserkörper ausdrückt. Im Hinblick auf die kommende Regensaison gibt es durchaus eine Chance dafür, dass die fünfjährige Dürre ihr Ende finden wird, obwohl für eine Wende mehr als nur eine regenstarke Saison nötig ist. Mit Spannung erwartet man daher in etwa einem Monat eine weitere Studie der Wasserbehörde. Vielleicht gerade wegen dieser sich über Jahre erstreckenden, im globalen Vergleich kritischen Situation hat Israel zur Bekämpfung der Wasserkrise modernste Technologien entwickelt und wendet sie auch bereits an. Fünf grosse Entsalzungsanlagen liefern schon 85 Prozent des urbanen Wasserbedarfs für Haushalte. Zudem ist der Staat beim Recycling von Abwasser weltweit führend. Fast 90 Prozent dieses Wassers wird wiederverwendet, mehr als in irgendeinem anderen Land.


Auf Wunder hoffen

Das Bevölkerungswachstum und der Klimawandel sorgen aber laut «Jerusalem Post» dafür, dass einige der Wasservorkommen auf einen historischen Tiefstand sinken dürften. Trotz dieser besorgniserregenden Prognose hinkt Israel mit dem Bau von zwei weiteren Entsalzungsanlagen – eine in der Region Westgaliläa, die andere am Fluss Sorek – den Plänen hinterher. Die Knappheit an Trinkwasser macht sich vor allem im Norden Israels bereits bemerkbar, und Experten warnen, dass ein sechstes Dürrejahr ohne gleichzeitige Inangriffnahme der zwei zusätzlichen Anlagen das Trinkwasserangebot empfindlich beeinträchtigen könnte.

Welche guten Vorsätze sollten also Israeli an Rosch Haschana ihre Wasserwirtschaft betreffend fassen und durchführen? Freiwillig und bevor sie dazu vom Staat gezwungen werden? Weniger duschen? Welch Zumutung bei der herrschenden Hitze. Die Bewässerung der privaten Gärten einschränken? Das würde doch die jahrzehntelange, sorgsame Pflege der eigenen Grünflächen obsolet machen. Oder den Wagen nicht jedes Wochenende waschen lassen? Und mit einem staubigen oder amateurhaft gewaschenen Fahrzeug vor der Villa von Freunden aufkreuzen?

Da gibt es doch eine viel simplere Methode: Verlassen wir uns weiterhin auf Wunder. Wenn das nicht klappt, sind wir wenigstens nicht ausschliesslich selbst schuld. Schana tova!

Foto:
In Israel herrscht Wasserknappheit, die Realtität sieht anders aus als der Blick auf den Wasserfall am Flughafen Ben Gurion
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 31. August 2018