iu4NTEQ9JFDie Wiederkehr des Faschismus ist hausgemacht, denn die Demokratien werden nach Michael Hartmann (Eliteforscher) von ihren Eliten gefährdet

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eine mögliche Erklärung, wenn auch keine Rechtfertigung für faschistischen Ausbruch in Ostdeutschland und seine dortigen Sympathisanten vermittelt die ZDF-Dokumentation ‚Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR‘, Teil 1 + 2 vom 14.09.2010.

Der berühmte Sozialphilosoph Erich Fromm hat 1941 die menschliche Misere darzulegen versucht, die im Faschismus münden kann. Am Beginn steht die schleichende Ohnmacht des modernen Menschen. Um die Sache kurz und bündig auf den Punkt zu bringen, soll es beim Zitieren einiger Passagen aus Erich Fromms epochalem Werk ‚Die Furcht vor der Freiheit‘ (S. 183 ff.) bleiben. Fromm meint, im Verlauf der modernen Geschichte sei anstelle der Autorität der Kirche und darauffolgend des Staates und des durch Protestantismus und Calvinismus internalisierten Gewissens die anonyme Autorität des gesunden Menschenverstandes und der öffentlichen Meinung getreten, „um hierdurch zur Konformität zu gelangen“.

„Weil wir uns von den älteren, unverhüllten Formen der Autorität freigemacht haben, merken wir nicht, dass wir einer neuen Art von Autorität zum Opfer gefallen sind: Wir sind zu Konformisten geworden, die in der Illusion leben, Individuen mit eigenem Willen zu sein“. Doch: „Im Grunde ist das Selbst so geschwächt, dass der Mensch sich machtlos und höchst unsicher fühlt. Er lebt in einer Welt, zu der er keine echte Beziehung mehr hat und in der jeder und alles Instrumentalisiert ist, wo er zu einem Teil der Maschine geworden ist...“.

Grundproblem: die Vereitelung des Lebens

„Der Verlust des Selbst hat die Notwendigkeit, mit den anderen konform zu gehen, noch vergrößert, führt er doch zu einem tiefen Zweifeln an der eigenen Identität“. – „Dieser Identitätsverlust macht es nur umso dringlicher, sich anzupassen...“. - „Aber der Preis dafür ist hoch. Wenn man seine Spontaneität und seine Individualität aufgibt, so führt das zu einer Vereitelung des Lebens“. - „Hinter der Fassade von Zufriedenheit und Optimismus ist der heutige Mensch tief unglücklich; tatsächlich steht er am Rande der Verzweiflung. Er klammert sich verzweifelt an seine vermeintliche Individualität“. So schafft etwa der Mensch sich alte Cadillacs und Porsches an. „All das ist ein Hinweis auf den Hunger nach «Anderssein», aber es sind fast die letzten Überreste von Individualität...“.

„Der heutige Mensch hungert nach Leben: Aber da er ein Konformist ist, kann er das Leben nicht mehr spontan erleben und greift zum Surrogat in Form von Anreizen und Nervenkitzel: dem des Alkohols, des Sports – oder indem er die aufregenden Erlebnisse fiktiver Personen auf der Leinwand miterlebt“. – „Wenn wir uns um die wirtschaftlichen Bedürfnisse nur insoweit kümmern, wie sie den Normalbürger betreffen, wenn wir das unbewusste Leiden des automatisierten Durchschnittsbürgers nicht sehen, dann erkennen wird die Gefahr nicht, die unserer Kultur von der menschlichen Basis her droht: die Bereitschaft, jede Ideologie und jeden Führer zu akzeptieren, wenn er nur etwas Aufregendes verspricht und eine politische Struktur und Symbole anbietet...“. - „Die Verzweiflung des automatenhaften Konformisten ist ein fruchtbarer Boden für die politischen Ziele des Faschismus“. Zitiert aus: ‚Die Furcht vor der Freiheit‘, engl. ‚Escape from Freedom‘, 1941.

Zum Vorgang des Abrutschens der Demokratien in den Faschismus der „Postdemokratie“  lautet das Fazit zum neuen Buch des Soziologen und Elitenforschers Michael Hartmann: „Die Kritik am undemokratischen Charakter der herrschenden Politik schlägt um in die noch undemokratischere Sehnsucht nach starken Männern, die auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen brauchen. Die Machtlosen jubeln ihnen zu, weil sie den alten Eliten den Garaus machen. Oder auch nur so tun also ob“. (in: Arno Widmann ‚Die Demokratien werden von ihren Eliten zerstört‘, FR 18.08.2018).

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Info:
Vergl. auch: Michael Hartmann, ‚Die Abgehobenen - Wie die Eliten die Demokratie gefährden‘, Frankfurt 2018, Campus, ISBN-13:9783593509280