kpm Pegida Demonstration April 2015Der Kampf der Neuen Rechten gegen die Demokratie. Teil 1/3

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Bereits ihre Sprache ist entlarvend und erinnert wegen ihres fremdenfeindlichen und rassistischen Untertons mitunter an Julius Streichers Hetzblatt „Der Stürmer“.

Es scheint so, als täte die AfD-Bundestagsfraktion alles, um den Ressentiments ihrer Wähler ein medienwirksames Forum zu bieten. Zu den dringenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie der Sicherung des Sozialstaats, bezahlbaren Wohnungen für Normalverdiener, einem durchlässigen modernen Bildungswesen, zu Renten, die nicht zur Altersarmut führen oder einem Gesundheitssystem, das nicht in zwei und mehr Klassen zerfällt, fällt ihr hingegen außer Griffen in die Mottenkiste des Feudalstaats nichts ein.

Ihr Ko-Vorsitzender Alexander Gauland verharmloste sogar die Angriffskriege und Massenmorde des NS-Staats als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte. Und bei jeder parlamentarischen Gelegenheit wird das Thema „Ausländer“, sprich Flüchtlingskrise, Flüchtlingswelle, Bedrohung durch kriminelle Asylbewerber, in volksverhetzender Weise zu Gehör gebracht. Selbstverständlich fällt kein Wort über die Ursachen.
Denn Alice Weidel, der weibliche Teil des Fraktionsvorstands, müsste sonst über ihre Tätigkeit bei Goldman Sachs Auskunft geben. Also jenem Geldhaus, das an sämtlichen weltweiten Finanzkrisen beteiligt war und ist und als die Hausbank aller neoliberalen Ausbeuter gilt. Schließlich gehen die weltweiten Flüchtlingsströme nicht zuletzt auf globale Finanzspekulationen bei Energie- und Lebensmittelressourcen sowie Grundstücken und Wohnraum zurück.

Die AfD war 2013 von einer Gruppe sich überschätzender Wirtschaftsfachleute gegründet worden, die das Hauptziel der Europäischen Union, nämlich die schrittweise politische Einigung, ablehnen und die einzelnen Stationen auf diesem Weg, insbesondere die Einführung einer gemeinsamen Währung, als Abkehr von der Marktwirtschaft missverstehen. Während ihr Gründungsvorsitzender Bernd Lucke als intellektueller Konservativer galt, haftet dem Rest des Führungspersonals bis heute eine erschreckende Eindimensionalität an. Ein typisches Beispiel dafür ist Jörg Meuthen, einer der zwei Bundessprecher. Dessen sozialpolitische Vorstellungen, beispielsweise die Abkehr von der gesetzlichen Rente, würde selbst Bismarck für rückwärtsgewandt halten. Folglich vermittelte die AfD zunächst das Bild von einer Partei für abgehängte Professoren mit extrem konservativen Weltanschauungen. Ihre EU-Gegnerschaft und ihr Neo-Nationalismus ermöglichten jedoch bereits während der Gründungsphase den Zustrom von Aktivisten aus dem rechten und rechtsradikalen Milieu. Zumal deren bisheriges Sammelbecken, die NPD, unter wahlstrategischen Gesichtspunkten zunehmend als nicht gesellschaftsfähig galt.

Als Türöffner nach rechts erwiesen sich die PEGIDA-Aufmärsche, die seit Dezember 2014 montäglich in Dresden stattfinden. Nachdem die AfD in die Landtage von Sachsen, Brandenburg und Thüringen einziehen konnte, intensivierten sich die gegenseitigen Kontakte. Alexander Gauland äußerte bei seinem Besuch der PEGIDA-Kundgebung am 15. Dezember 2014, dass er alle Forderungen des Positionspapiers unterschreiben könnte. Die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“, die sich als Wegbereiter einer neuen „Konservativen Revolution“ versteht, wirkt mittlerweile als Transmissionsriemen einer arbeitsteiligen rechtsextremen Front und verbindet Organisationen wie PEGIDA, das aus der „Jungen Freiheit“ hervorgegangenen „Institut für Staatspolitik“, die „Identitäre Bewegung“, den „Dritten Weg“, die „Querfront“ samt deren Publizistik mit der tonangebenden AfD-Gruppe um Alexander Gauland, Alice Weidel, Beatrice von Storch, Björn Höcke und André Poggenburg.

Es lohnt sich, einen Blick auf diese Teile zu werfen, die faktisch einen Krieg gegen die Demokratie führen.
Die Auflistung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge. Kursiv gesetzte Namen von Personen und Organisationen verweisen auf gesonderte Beiträge.

Compact – Magazin für Souveränität

Die Anfänge dieser Monatszeitschrift liegen in den Jahre 2010 und 2011, gegründet wurde sie von ihrem jetzigen Chefredakteur Jürgen Elsässer. Er galt vordem als unabhängiger linker Publizist. Ursprünglich orientierte sich das Magazin allgemein am aufkommenden Rechtspopulismus, stand aber schon sehr bald der „Querfront“ nahe. Doch ab 2016 präsentiert es sich als inoffizielles Sprachrohr von AfD und PEGIDA. Der Werbe-Slogan des Blattes lautet „Mut zur Wahrheit“, eine Phrase, die auch von der AfD verwendet wird. Compact positioniert sich als Alternative zu den von ihm so benannten „Mainstream-Medien“, die als „Lügenpresse“ diffamiert werden.

Der III. Weg

Diese rechtsextreme Partei, die sich auch als „Der dritte Weg“ bezeichnet, verhehlt ihre neonazistische Gesinnung nicht. An ihrer Gründung im September 2013 waren ehemalige NPD-Funktionäre und Aktivisten des ein Jahr danach verbotenen „Freien Netzes Süd (FNS)“ beteiligt. Die Partei fordert einen sogenannten „deutschen Sozialismus“ als „dritten Weg“ abseits von Kommunismus und Kapitalismus. Programmatisch knüpft sie an dem angeblich „linken Flügel“ der NSDAP an, für den die Brüder Gregor und Otto Strasser standen.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt geht davon aus, dass die Partei an Brandanschlägen auf Asylbewerberheime in den Jahren 2014 und 2015 beteiligt war, zumindest aber dazu aufgerufen hatte. Überhaupt mache sie gezielt Stimmung gegen Fremde und Asylsuchende und setze darauf, dass Einzelne anschließend Hand anlegten. Im Nachhinein würde solche Verbrechen von ihr wohlwollend kommentiert.
So hatte die Vorgängerorganisation, das „Freie Netz Süd“, gegen die Errichtung eines Flüchtlingsheims im fränkischen Vorra gehetzt. Daraufhin kam es im Dezember 2014 zu einem Brandanschlag auf das noch nicht bezogene Heim. Auf ihrer Website bezeichnete der „Dritte Weg“ die Tat als „vorzeitiges Weihnachtsgeschenk“. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz bescheinigt der Partei eine „stringente Ideenverbindung zur Weltanschauung der Nationalsozialisten“. Sie orientiere sich erkennbar am Rassegedanken und an einer „Volksgemeinschaft“ entsprechend der NS-Ideologie.

Jürgen Elsässer

Der Journalist war von April 1999 bis Dezember 2002 Redakteur des Politikteils der linken Zeitschrift „konkret“ und galt als sachkundiger Kritiker der deutschen Innen- und Außenpolitik. Doch bereits in seinem „Braunbuch Deutsche Volksunion“ gestand er dieser rechtsextremen Partei das Etikett „nationalrevolutionär“ zu. Den Linken warf er in diesem Zusammenhang vor, sie hätten Probleme, „das Sozialistische im Faschismus“ zu erkennen. Das gelte auch rückwirkend für die NSDAP. Seither wandte er sich immer mehr dem Rechtspopulismus und dem Rechtsextremismus zu.

Im Oktober 2007 plädierte er vor der nationalkonservativen „Preußischen Gesellschaft in Berlin-Brandenburg“ für ein Querfrontbündnis „von links bis zur demokratischen Rechten“ oder „von Lafontaine bis Gauweiler“. Oskar Lafontaine erhielt von ihm das fragwürdige Lob, dass dieser erstmals seit Adolf Hitler zwischen „dem schaffenden und dem raffenden Kapital unterschieden“ hätte. Ähnlich hatte vorher der Rechtsextremist Horst Mahler argumentiert.

Im Jahr 2009 gründete Elsässer die „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“, die auch für Neue Rechte offenstand. 2014 und 2015 trat er bei so genannten „Mahnwachen für den Frieden“ und bei PEGIDA auf. Zur „4. Souveränitätskonferenz“ von Compact im Oktober 2015 lud Elsässer die AfD-Vertreter Alexander Gauland und Björn Höcke ein, die aus Termingründen absagen mussten. Hauptthema der Konferenz war ein u.a. von dem rechten Publizisten Götz Kubitschek entwickelter „Plan für den Widerstand gegen die Abschaffung Deutschlands“. Seit 2016 positioniert er Compact als Wahlkampforgan für die AfD und vertritt eindeutig rassistische, antisemitische und homophobe Positionen. Es hat den Anschein, dass er nationalbolschewistischen und nationalsozialistischen Ideologien ein zeitgemäßes Auftreten innerhalb der AfD, die er als rechte Sammlungsbewegung versteht, ermöglichen möchte.

Gauland, Alexander

Dreißig Jahre, bis 2013, war der Jurist Mitglied der CDU und machte eine eindrucksvolle Parteikarriere. Er gehörte dem Frankfurter Magistrat an und war im Bundesumweltministerium tätig. Von 1987 bis 1991 war er als Leiter der Hessischen Staatskanzlei Mitglied des Kabinetts von Walter Wallmann. In dieser Funktion versetzte er den Leitenden Ministerialrat Rudolf Wirtz (SPD), der für die Verbindung zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig war, um ihn durch seinen Parteifreund Wolfgang Egerter, einen Vertreter des extrem rechten Flügels der CDU, zu ersetzen. Als Grund für die Versetzung nannte Gauland eine angebliche Kritik aus den Kirchen sowohl an Wirtz‘ Amtsführung als auch an dessen Person. Wirtz klagte dagegen vor den Verwaltungsgerichten, konnte sich jedoch nicht durchsetzen, weil Gauland eidesstattliche Versicherungen abgab, die sich später als falsch herausstellten. Die Vorgänge wurden als „Affäre Gauland“ bekannt.

Der Schriftsteller Martin Walser verarbeitete das Material, das ihm Rudolf Wirtz zur Verfügung stellte, zu einem Roman, der 1996 unter dem Titel „Finks Krieg“ erschien. Er liest sich wie das Psychogramm eines Machtbesessenen, der vor keinem Mittel zurückscheut, um seine persönlichen Interessen durchzusetzen.

Nach der von der SPD gewonnenen Landtagswahl von 1991 wechselte Gauland in die Publizistik und war bis 2005 Herausgeber der in Potsdam erscheinenden Tageszeitung „Märkische Allgemeine“. 2013 trat er aus der CDU aus und trat der neu gegründeten AfD bei. Mittlerweile ist er einer von zwei Bundessprechern (= Parteivorsitzenden) und einer der zwei Vorsitzenden der AfD- Bundestagsfraktion.

Im Bundestagswahlkampfes 2017 fiel er mehrfach durch rassistische und geschichtsrevisionistische Äußerungen auf. Im Frühsommer 2018 verglich auf dem Kongress der AfD-Nachwuchsorganisation die NS-Gewaltherrschaft mit einem „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“. Die Ausschreitungen Rechtsradikaler Ende August in Chemnitz, eine gelenkte Reaktion auf den bis heute juristisch nicht geklärten Tod eines Volksfestbesuchers durch Migranten, kommentierte Gauland so: „Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten.“

Anfang September 2018 plädierte Gauland dafür, „das politische System im Sinne des Parteiensystems“ zu beseitigen. Konkret bezog er sich dabei auf „die Parteien, die uns regieren, auf das System Merkel.“ Er verband diesen Aufruf mit einer Medienschelte. Denn die derzeitige Politik würde nicht nur von der Großen Koalition und Vertretern anderer Parteien mitgetragen, sondern „leider auch von Leuten aus den Medien. Die möchte ich aus der Verantwortung vertreiben.“ Es ginge ihm darum, „das Ungleichgewicht in den Medien endlich zu unseren Gunsten“ umzukehren. Diese notwendige Wende verstehe er als eine „friedliche Revolution“. Andere sahen in dieser Anspielung auf die Wende in der DDR einen „schweren Fall von politischem Missbrauch“ (FAZ). Früher habe man derartige partei- und medienpolitische Aktionen, wie sie Gauland vorschwebten, „Säuberung“ genannt.

Gemeinsame Erklärung 2018

Dieser Aufruf wurde am 15. März 2018 veröffentlichtet. Unterzeichnet ist er von deutschen Autoren, Publizisten, Künstlern und Wissenschaftlern, die sich gegen eine „Beschädigung Deutschlands“ durch „illegale Masseneinwanderung“ im Zusammenhang mit der „Flüchtlingskrise“ in Deutschland ab 2015 richtet. Initiatorin ist die dem äußerst rechten Flügel der CDU zuzurechnende Politikern Vera Lengsfeld.

Nach ihren Worten sei es das Ziel der Erklärung, die bestehende „Migrationspolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Zu den Unterzeichnern gehören der umstrittene Publizist Henryk M. Broder, der Historiker Jörg Friedrich, die ehemalige Fernsehjournalistin Eva Herman, die Journalisten Thorsten Hinz und Dieter Stein von der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, der Schriftsteller und Journalist Michael Klonovsky, persönlicher Referent von Alexander Gauland, der der AfD nahestehende Journalist und Verleger Andreas Lombard, der ins rechte Milieu abgedriftete ehemalige SPIEGEL- und WELT-Redakteur Matthias Matussek, der EU-kritische Ökonom Max Otte, der SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der rechts-konservative Schriftsteller Uwe Tellkamp sowie der Publizist Karlheinz Weißmann, der sich in der „Jungen Freiheit“, im „Institut für Staatspolitik“ und im „Verlag Antaios“ als Hauptvertreter der „Neuen Rechten“ geriert.

Foto:
PEGIDA-Demonstration im April 2015 in Dresden
© MDR

Info:
Die beiden folgenden Teile dieses Beitrags beschäftigen sich mit Björn Höcke, der „Identitären Bewegung“, dem „Institut für Staatspolitik“, der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, der „Konservative Revolution“, Götz Kubitschek, Vera Lengsfeld, Armin Mohler, PEGIDA, André Poggenburg, „Querfront“, Carl Schmitt, Martin Sellner, der Zeitschrift „Sezession“, Dieter Stein, Beatrice von Storch, dem „Studienzentrum Weikersheim“, Uwe Tellkamp, dem „Verlag Antaios“, Alice Weidel, Karlheinz Weißmann und „Zuerst“.