h merkelbouffierBetrachtungen einer Hausfrau zur Lage nach der Hessenwahl

Adele Hübner-Neuwerk

Insel Neuwerk (Weltexpresso) – Eigentlich unterliegt es ja dem Telefongeheimnis, was eine Frankfurter Freundin, ehemals Küchenhilfe im städtischen Krankenhaus, mir am Telefon gesagt hat, als ich sie vor der Wahl in Hessen nach den Grünen fragte. „Die können mich mal“, antwortete sie kurz angebunden. Das überraschte mich, schwimmen die Grünen doch grade wie ein Fettauge auf der Suppe.

Nun mal langsam, sagte ich zu ihr, aber dann hat meine Freundin erst richtig losgelegt. Die Grünen sollten gefälligst nicht so dicke Backen machen von wegen Klimaschutz und so. Als der Frankfurter Flughafen erweitert wurde, seien sie damit einverstanden gewesen, dass 150 Hektar Wald gerodet wurden. Man müsste an die Interessen der Wirtschaft denken, erklärten sie. Und gegen den Fluglärm würden sie später schon was unternehmen.

p hessenwahlxDann ging es weiter: Als wegen des Braunkohletagebaus über den Hambacher Forst gestritten worden sei, hätten sich die Grünen im Düsseldorfer Landtag mit der CDU angelegt und von der Landesregierung verlangt, sich auf die Seite des Natur- und Artenschutzes zu stellen. Dann hätten sie dem Beschluss der Landesregierung zugestimmt, von den 200 Hektar Wald mehr als die Hälfte platt zu machen und hätten das Ganze als „gesellschaftlichen Konflikt“ bezeichnet, obwohl es doch hauptsächlich um die Interessen des Energiekonzerns RWE gegangen sei.

Mir kommen diese Leute vor wie eine grüne FDP. Jedenfalls hat sich die CDU in Hessen mit den Grünen und einem grünen Wirtschaftsminister so gut verstanden, dass sie jetzt zusammen weitermachen wollen. Komischer Weise hat das Bündnis mit der CDU den Grünen nicht geschadet, sie haben sogar Stimmen dazu gewonnen, während die SPD jetzt zum wiederholten Male böse eingebrochen ist. Ihr Spitzenmann im Bund, Olaf Scholz, saß am Abend der Hessenwahl in der Runde bei Anne Will, als ginge ihn das Lamento vom Ende der beiden Volksparteien SPD und CDU wenig an. Da fällt mir ein: Wozu brauchen wir eigentlich zwei Volksparteien, wo wir doch e i n Volk sind? Eine sozial-christliche Einheitspartei könnte als „integrative Kraft“ den Zusammenhalt der Gesellschaft doch leichter bewerkstelligen. Dann wüsste die SPD endlich, wo sie steht und wofür.

Was das Militärische angeht, gibt es doch auch keinen Unterschied. Oder hat sich jemand aus der SPD daran gestoßen, dass 10.000 deutsche Soldaten dieser Tage in Norwegen Krieg gespielt haben, um Putin zu erschrecken. Früher hat man den Generälen dafür einen großen Sandkasten hingestellt. Den deutschen Steuerzahler kostet die Beteiligung der Bundeswehr an dem Nato-Großmanöver 90 Millionen Euro. Dafür könnte in Deutschland ein Jahr lang die Ausbildung von 13.400 Schülern bezahlt werden. Das käme der Integration von Ausländerkindern bestimmt zu statten. Von der Umweltverschmutzung durch die vielen Panzer ganz abgesehen. Oder benutzen die kein Diesel?

Davon redet niemand. Selbst die Hessenwahl ist schon nach 24 Stunden kein Thema. Angela Merkel verzichtet auf den Parteivorsitz! Und plötzlich taucht Friedrich Merz aus der Versenkung auf und meldet seine Kandidatur für das höchste Amt in der CDU an. Mir kamen bei der Nachricht spontan zwei Dinge in den Kopf: Als Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag hat Merz verlangt, Steuererklärungen so zu vereinfachen, dass sie auf einem Bierdeckel Platz haben. Tolle Idee. Und er sagte, seine Generation lasse sich nicht länger für Auschwitz in Haftung nehmen. Mir verschlug es damals den Atem. Björn Höcke von der AfD lässt grüßen. Er bezeichnete die Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas in Berlin als „Denkmal der Schande“ und verlangte eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik. Da sind mir die Grünen doch allemal lieber, auch wenn meine Freundin meinte: Die können mich mal.

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Sag zum Abschied leise Servus
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