Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Israel wird am 9. April vorgezogene Wahlen abhalten, um die 21. Knesset zu bestellen. Das teilten am Montag die Koalitions-Vorsitzenden in einer gemeinsamen Erklärung einstimmig mit. Sie fügten ihrer Erklärung hinzu, dass die Knesset im Vorfeld der Wahlen aufgelöst werden würde.
An sich wären die nächsten Wahlen erst im November fällig gewesen, doch seitdem die Koalition nach dem Rücktritt von Avigdor Lieberman (Israel Beiteinu) als Verteidigungsminister auf einer einzigen Stimme Mehrheit basierte, war klar, dass die Tage der 20. Knesset nach vierjähriger Kadenz gezählt sein würden. Der Seiltanz der 61 gegen 59 Mandate überlebte nur gerade einen Monat. Eskalierend wirkte sodann der erfolglose Versuch des rechts-nationalen Bildungsministers Naftali Bennett (Das Jüdische Haus), sich als Verteidigungsminister für Lieberman einzubringen, um Israel «das Siegen wieder zu lehren». Bennett machte aber seine Drohung nicht wahr, aus der Koalition auszutreten, sollte ihm das angestrebte Amt nicht übertragen werden. Der Auftritt des von Justizministerin Ayelet Shaked unterstützten Bildungsministers dürfte als ein tragisch-komisches parlamentarisches Hornberger Schiessen in Israels innenpolitische Annalen eingehen.
Die Ankündigung der vorgezogenen Wahlen kam wenige Stunden nachdem Yair Lapid, Chef der oppositionellen Zukunftspartei, verkündete, dass seine Partei gegen das neue Gesetz zur Rekrutierung vom Jeschiwa-Studenten stimmen würde, sobald dieses in etwa zwei Wochen zu den definitiven Abstimmungen vor das Knessetplenum kommen wird. Lapid warf Netanyahu vor, den ultra-Orthodoxen gegenüber kapituliert zu haben, da er «Angst vor ihnen hat». Sie seien lange genug «die Trottel» (der Ultras) gewesen, fügte Lapid hinzu. Das Rekrutierungsgesetz ist seit Monaten schon die Ursache von speziellen Spannungen für die Regierung gewesen, wobei die ultra-Orthodoxen ihre Karte als entscheidendes Zünglein an der parlamentarischen Waage stets geschickt auszuspielen wussten, bis jetzt die Oppositions- und Koalitionsparteien genug davon hatten. Auch Israel Beiteinu, ex-Verteidigungsminister Avigdor Liebermans Partei, hat ihre Unterstützung für das neuen Gesetz zurückgezogen, welches sich für die rechten Ultras zu einer «condition sine qua non» entwickelt hatte.
Am 9. April soll also gewählt werden. «Soll», denn in Israel kann bis zur effektiven Eröffnung der Wahllokale noch alles geschehen. Im vorliegenden Fall dürfte dies allerdings eine mehr als riesengrosse Überraschung sein. Netanyahu ist es also nicht gelungen, den vorgezogenen Urnengang so weit als möglich hinauszuzögern. Dennoch zweifelt kaum jemand daran, dass der heutige Premierminister auch nach den Wahlen wieder die neue Jerusalemer Regierung bilden dürfte.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 25. Dezember 2018