kpm Gemeinsame Erklarung 2018Kleines ABC der Neuen Rechten, ihrer Wortführer und ihrer Publizistik, Teil 2/4

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die neurechte Ideologie wird von Gestalten dominiert, die dem politischen Brandstifter immer näher sind als dem vermeintlich unpolitischen Biedermann.

Gemeinsame Erklärung 2018

Dieser Aufruf wurde am 15. März 2018 veröffentlichtet. Unterzeichnet ist er von deutschen Autoren, Publizisten, Künstlern und Wissenschaftlern, die sich gegen eine „Beschädigung Deutschlands“ durch „illegale Masseneinwanderung“ im Zusammenhang mit der „Flüchtlingskrise“ in Deutschland ab 2015 richtet. Initiatorin ist die dem äußerst rechten Flügel der CDU zuzurechnende Politikerin Vera Lengsfeld.

Nach ihren Worten sei es das Ziel der Erklärung, die bestehende „Migrationspolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen“.
Zu den Unterzeichnern gehören der umstrittene Publizist Henryk M. Broder, der Historiker Jörg Friedrich, die ehemalige Fernsehjournalistin Eva Herman, die Journalisten Thorsten Hinz und Dieter Stein von der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, der Schriftsteller und Journalist Michael Klonovsky, persönlicher Referent von Alexander Gauland, der der AfD nahestehende Journalist und Verleger Andreas Lombard, der ins rechte Milieu abgedriftete ehemalige SPIEGEL- und WELT-Redakteur Matthias Matussek, der EU-kritische Ökonom Max Otte, der SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der rechts-konservative Schriftsteller Uwe Tellkamp sowie der Publizist Karlheinz Weißmann, der sich in der „Jungen Freiheit“, im „Institut für Staatspolitik“ und im „Verlag Antaios“ als ein Hauptvertreter der „Neuen Rechten“ geriert.


Björn Höcke

Der beamtete Gymnasiallehrer zählte im April 2013 zu den Gründern der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen. Er ist einer von zwei Sprechern der AfD Thüringen und seit der Landtagswahl in Thüringen 2014 Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag. Wegen seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter ist er als Beamter beurlaubt.

Höcke äußerte sich wiederholt völkisch-rassistisch. Er gehört zum neurechten Spektrum der AfD. Wissenschaftler attestieren ihm Rechtsextremismus, Geschichtsrevisionismus und teilweise Übernahme nationalsozialistischen Gedankengutes.

Am 13. Februar 2010 nahm Höcke nachweislich an einer Kundgebung von Rechtsextremisten zum Gedenken an die Luftangriffe auf Dresden teil. Eine Einstellung des Dokumentarfilms „Come Together“ von Barbara Lubich zeigt ihn inmitten der Demonstranten, er reckt dort die rechte Faust und skandiert im Chor „Wir wollen marschieren!“. Nach Bekanntwerden der Filmaufnahme im Jahr 2017 bestätigte die Thüringer AfD die damalige Teilnahme Höckes.

Höcke war im März 2015 gemeinsam mit André Poggenburg, Landessprecher der AfD Sachsen-Anhalt, Initiator der „Erfurter Resolution“ des so genannten „Flügels“, die als „direkte Kampfansage“ gegen den damaligen Parteisprecher Bernd Lucke verstanden werden konnte. Anfangs wurde Höcke dem „nationalkonservativen Flügel“ der AfD zugerechnet. Mittlerweile gilt er als Repräsentant einer rechtsextremen und offen faschistischen Ideologie innerhalb und außerhalb dieser Partei.
Während die AfD keine einheitliche Haltung zu der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung hat, sieht Björn Höcke in dem Protestbündnis einen Wegbereiter für die Wahlerfolge der Alternative für Deutschland. Auf dem Parteitag der Thüringer AfD im April 2016 sagte er, die AfD stehe Pegida inhaltlich nahe, ohne organisatorisch verbunden zu sein. Er bezeichnete Pegida sogar als „parlamentarische Vorfeldorganisation in Dresden“. Ohne Pegida wäre die Partei nicht, wo sie heute wäre, so Höcke. „Ich sage danke.“

Da verwundert es nicht, dass sich Höcke für eine sogenannte „blaue Allianz“ zwischen rechten Parteien in Europa ausspricht. Dazu zählt er die österreichische FPÖ und den französischen Front National (FN). Zu letzterem sagte er 2016, er wisse, dass dieser „sicher keine lupenreine Vergangenheit“ besitze, er wisse aber auch, dass der FN „gegen den EU-Totalitarismus“ stehe. Deshalb sei eine Zusammenarbeit notwendig.

Nach der Landtagswahl 2014 kritisierten Journalisten Interviews mit Höcke in neurechten Zeitschriften und Zeitungen wie „Sezession“ (Doppelinterview gemeinsam mit dem umstrittenen Historiker Stefan Scheil) und der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ sowie der als eindeutig rechtsextrem eingestuften Zeitschrift „Zuerst!“. Höcke wies diese Kritik mit dem Hinweis zurück, er rede mit jedem. 2015 folgte ein Interview mit dem rechten Querfront-Magazin Compact.

Das Fernsehmagazin „Frontal21“ recherchierte, dass Höcke und der rechte Publizist Götz Kubitschek langjährige Weggefährten seien. So soll auf Betreiben Höckes eine Sitzung der Thüringer AfD-Fraktion in Kubitscheks „Institut für Staatspolitik“ stattgefunden haben. Es seien auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit erörtert worden.
Der Rechtsextremismusforscher Helmut Kellershohn unterstellt Höcke eine „besondere geistige Nähe zu Kubitschek“. Man könne ihn auch „als eine Art ‚Schüler‘ Kubitscheks“ betrachten. Beide stimmten sich „rhetorisch wie ideologisch“ beim „Machtkampf in der AfD“ aufeinander ab. Höcke pflege einen „apokalyptischen Grundton“, liebe „völkische Phrasen“ und fühle sich der vermeintlich „dekadenten politischen Klasse“ gegenüber erhaben. Der Politologe und Experte für Rechtsextremismus Hajo Funke sieht Höckes Rhetorik als Beispiel für eine „Verrohung der Sprache“ und bezeichnet den Politiker wie auch einen Großteil der AfD-Parteispitze als „rechtsradikal“. Höcke beherrsche eine „faschistische Agitation“.


Identitäre

Als „Identitäre Bewegung“ (auch Identitäre Generation, kurz Identitäre) bezeichnen sich mehrere aktionistische, völkisch orientierte Gruppierungen, die ethnopluralistisch-kulturrassistische Konzepte vertreten. Sie gehen von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, deren „Identität“ vor allem von einer Islamisierung bedroht sei. Fachleute ordnen die Gruppe dem Rechtsextremismus zu. Die Identitäre Bewegung entstand in Frankreich und fand Anhänger in weiteren Staaten Europas. Sie wurde auch von der 2003 in Italien gegründeten neofaschistischen CasaPound-Bewegung beeinflusst. In Deutschland ging die Gruppierung aus der „Sarrazin-Bewegung“ hervor, einer kulturrassistischen Splittergruppe, die sich auf das Buch „Deutschland schafft sich ab“ des SPD-Politikers Thilo Sarrazin berief, und wurde im Oktober 2012 als Facebook-Gruppe gegründet.

Im Zentrum der identitären Propaganda steht das Schlagwort vom „Großen Austausch“: Derzeit werde mit dem Mittel der Migration die europäische Bevölkerung gegen eine nichteuropäische „ausgetauscht“, die in wesentlichen Teilen aus Kriminellen und Sozialleistungserschleichern bestehe. Es handle sich bei Migration um einen „reinen Bevölkerungstausch“. Betrieben werde dieses Unternehmen von einer „Sozial-Asyl-Migranten-Lobby“. Man rufe dazu auf, „Widerstand zu leisten“. „Das Volk“ sei „die letzte Verteidigungslinie.

Überschneidungen gibt es in Deutschland mit anderen Gruppierungen am rechten Rand, so mit dem deutsch-österreichischen Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ oder der Bewegung „Pro NRW“. Publizistisch unterstützt wird die „Identitäre Bewegung Deutschland“ durch die rechtsextreme Zeitschrift „Blaue Narzisse“. Vergleichsweise stark vertreten sind ihre Anhänger in der Jugendorganisation der AfD, aber auch im rechten Flügel dieser Partei. Die Identitären stehen dem „Institut für Staatspolitik“ und der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ nahe, die sie auch als öffentliche Stichwortgeber nutzen.

Darüber hinaus bestehen enge personelle und finanzielle Verflechtungen mit dem von Jürgen Elsässer verantworteten Magazin „Compact“. Der Identitären-Sprecher Martin Sellner beteiligt sich auch an der rechten Kampagne „Ein Prozent für unser Land“, einem Bündnis, das auch von Elsässer und dessen Magazin sowie von Götz Kubitschek, dessen „Institut für Staatspolitik“ sowie dessen Zeitschrift „Sezession“ sowie dessen Verlag „Antaios“. Ein maßgeblicher Unterstützer ist auch der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider.


Institut für Staatspolitik

Das im Jahr 2000 in Bad Vilbel (einer Kleinstadt in direkter Nähe von Frankfurt am Main) gegründete „Institut für Staatspolitik“ (IfS) gilt als der wichtigste „Think Tank“ der Neuen Rechten. Sein Ziel ist die Bildung „geistiger Eliten“. Dafür setzt das IfS gezielt auf „konservative Bildungsarbeit“ und knüpft Verbindungen zwischen verschiedenen rechten Strömungen. Das Institut ist Herausgeberin der seit 2003 erscheinenden Zeitschrift „Sezession. 2002 zog das IfS in das Rittergut Schnellroda bei Hohenroda (Sachsen-Anhalt) um, auf dem auch Götz Kubitschek lebt.

Der „wissenschaftliche Leiter“ des Instituts, Karlheinz Weißmann, formulierte die Ziele dieser Einrichtung 2001 in der Wochenzeitung „Jungen Freiheit“ so: „Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht um die intellektuelle Lufthoheit über Stammtische, [...] Hörsäle und Seminarräume, es geht um den Einfluss auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, umso besser.“ Kritische Historiker sehen in der Konstellation von „Junger Freiheit“ und dem Institut eine Parallele zum völkisch-nationalen Lager in der Weimarer Republik. Damals habe es zwischen „faschismusaffinen Jungkonservativen und der NSDAP eine Konkurrenz um den Führungsanspruch gegeben, aber insgesamt mehr Gemeinsamkeit als Differenzen. Das scheine sich nun zu wiederhole.

Foto:
Start des YouTube-Films der Initiatoren der „Gemeinsamen Erklärung 2018“
© YouTube

Es folgen:

Teil 3: Junge Freiheit bis Armin Mohler
Teil 4: Querfront bis Zuerst

Diese Serie ist ein Nachdruck des gleichnamigen Artikels aus
http://www.bruecke-unter-dem-main.de/themenwoche/