mk menawatchMit dem schrittweisen Ausstieg Teherans aus dem Atomabkommen ist die europäisch-deutsche Iranpolitik endgültig gescheitert. Noch aber will man in Berlin nichts davon wissen, Teil 1/3

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - Noch am 7. Mai 2019 sandte Frankreich eine Botschaft an die Machthaber Irans: „Wir wollen nicht, dass Teheran morgen Aktionen ankündigt, die das Atomabkommen verletzen würden. Denn dann wären wir nach den Vorgaben des Abkommens verpflichtet, erneut Sanktionen zu verhängen.“

Der Warnruf war vergeblich. Am Folgetag, genau ein Jahr nach dem Rückzug der USA aus diesem Abkommen, gab Irans Präsident Rohani zweierlei bekannt: Er erklärte, dass sich das Regime ab sofort an zentrale Bestimmungen des Abkommens nicht länger gebunden fühlt. Zum Beispiel an dessen § 7, der besagt, dass das Regime seine Vorräte an niedrig angereichertem Uran auf 300 kg zu begrenzen hat. Dessen Aufhebung hat zur Folge, dass sich das Regime das hochangereichertes Uran bei Bedarf in einem kürzeren Zeitraum beschaffen kann.

Betroffen ist auch § 10, demzufolge Iran 15 Jahre lang nicht mehr als 130 Tonnen Schwerwasser herstellen oder lagern darf. Auch daran werde sich der Iran künftig nicht halten, so Rohani. Schweres Wasser wird für Reaktoren gebraucht, die für die Produktion von waffenfähigem Plutonium besonders geeignet sind. Diese Mengenbegrenzungen von Stoffen, die für Atomwaffen gebraucht werden, gehören zum Kern der Vereinbarung, die Teheran nun erklärtermaßen verletzt.

Dennoch versucht das Regime einen anderen Eindruck zu erwecken. „Wir wollen das Abkommen nicht verlassen“, erklärt Rohani. „Alle Welt soll wissen, dass der Atomdeal heute nicht beendet wird, es handelt sich um einen neuen Schritt im Rahmen des JCPoA (Joint Comprehensive Plan of Action).“ Auch Außenminister Zarif beteuert: „Iran wird einige freiwillig eingegangene Verpflichtungen nicht ausführen (und) den Atomdeal nicht verlassen.“ Sie berufen sich auf Artikel 26 des JCPoA. Darin heißt es, dass sich das Regime bei Wiedereinführung amerikanischer Sanktionen „gänzlich oder teilweise von den Verpflichtungen des JCPoA entbunden sieht.“

Man kann aber nicht gleichzeitig ein Abkommen brechen und in ihm bleiben wollen. Die täuschende Sprachregelung hat einen einfachen Grund: Teheran hat Angst, dass sich die übrigen Staaten des JCPoA an dessen Vorgaben halten.

Diese sehen vor, dass bei einer offenkundigen Vertragsverletzung eine „Gemeinsame Kommission“ zusammenkommt, die aus acht Mitgliedern besteht: den fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitgliedern, der EU, Deutschland und dem Iran. Sollte hier die Mehrheit zu dem Schluss kommen, der Iran habe das Abkommen verletzt, müsste der Vorfall an den UN-Sicherheitsrat überwiesen werden. Dieser aber könnte „im Falle einer bedeutsamen Nichterfüllung von JCPoA-Bestimmungen durch den Iran“, wie es in Anhang IV, Punkt 18 des Abkommens heißt, mittels einer „snap back“-Verfahrens all die Sanktionen wieder in Kraft setzen, die es vor dem Atomdeal gab.

Es handelt sich hier um eine allein den Iran betreffende Regelung, die daran erinnert, dass es iranische Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag waren, die den Atomdeal nötig gemacht hatten. Sie ist der Grund für die Warnung Präsident Rohanis, dass die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats mit einer „sehr entscheidenden Reaktion“ seitens des Regimes zu rechnen hätten, sollten sie es tatsächlich wagen, den Fall vor den Sicherheitsrat zu bringen. Der iranische Staatssender „Press TV“ deutete an, dass es bei dieser Warnung um die Androhung eines Austritts aus dem Atomwaffensperrvertrag geht.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
Iranian Emad Missile · Source: Tasnim News · License: Creative Commons Attribution 4.0 International · Author: Mohammad Agah

Info:
Erstveröffentlicht am 9. März 2019in mena-watch.com

P.S.: Am 23. Mai wird der Verfasser in Hamburg in Verbindung mit der Ausstellung „1948“ zum Thema: „Warum gab es 1948 keinen arabisch-palästinensischen Staat?“ referieren. Ort: Kontorhaus, Messberg 1 in 20095 Hamburg, Beginn: 19:00 Uhr.

Am 6. Juni wird er in Wiesbaden einen Vortrag zum Thema „Islamischer Antisemitismus“ halten. Ort: Theater im Pariser Hof, Spiegelgasse 9, 65183 Wiesbaden. Beginn: 19:00 Uhr.