Kalender-Konfrontation bringt Palästinenser und Juden in Rage
Jacques Ungar
Jerusalem (Weltexpresso) - Vier verletzte israelische Polizisten und 14 verletzte palästinensische Gottesdienstbesucher – das ist die vorläufige Bilanz der Zusammenstösse vom Sonntag zwischen Israeli und Palästinensern auf dem Jerusalemer Tempelberg, Weil das Kalender-Schicksal es wieder einmal schlecht meinte mit ihnen, gerieten die den beiden Bevölkerungsgruppen am Sonntag ein Mal mehr aneinander: Der Fasttag des 9. Aw, an dem die Juden in aller Welt des Falls des Tempels in die Hand der Römer gedenken, und das muslimische Opferfest Id el-Adha fielen am Sonntag wie schon so oft auf denselben Tag. Sofort zeigte sich, dass beide Seiten von Koexistenz und Kompromissen noch immer wenig wissen wollen. Dass letzten Endes die Zahl der Verletzten und das Ausmass des Sachschadens sich in Grenzen hielten, war zu einem wesentlichen Teil auf die relative Zurückhaltung der israelischen Sicherheitsorgane zurückzuführen, und zu einem anderen Teil darauf, dass die Muslime sich sichtlich ungern die Festtagsstimmung durch politische Antreiber verderben lassen wollten.
Am Sonntag Mittag begaben sich in kleinen Gruppen rund 1700 Juden auf den Tempelberg, ohne dass es zu Zwischenfällen gekommen wäre.
Dass die Jordanier mit ihrer scharfen Verlautbarung gegen die israelische «Alleinverantwortung» für die Zusammenstösse auf dem Tempelberg riskierten, Öl ins Feuer zu giessen, gehört schon seit langem zu den Automatismen eines Konfliktes, den derzeit niemand so recht beenden will. Dass die IDF am Wochenende wieder stärker als sonst in Erscheinung traten – vier tote Terroristen am Grenzzaun zum Gazastreifen bei einem missglückten Infiltrationsversuch, ein weiterer bewaffneter Palästinenser, der ebenfalls am Zaun erschossen wurde, sowie die Verhaftung zweier Brüder aus der Westbank, die im dringenden Verdacht stehen, am Freitag einen 18jährigen Israeli im Etzion-Block erstochen zu haben – hat entweder mit der steigenden Nervosität zu tun oder dann mit einer von den israelischen Politikern im Vorfeld der Knessetwahlen vorsätzlich gesteuerten Absicht, Aktivität zu markieren.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. August 2019