Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Als erstes wollen wir verankern, dass Digitalisierung eine Basistechnologie wie Elektrizität ist und somit alles verändert: Wie wir arbeiten, wie wir kommunizieren, wie wir leben. [...] Das gilt auch für den öffentlichen Sektor, der den digitalen Staat gestalten soll und muss. [...] Der Regierungsapparat lebt und arbeitet immer noch mit Briefen und Faxen als zentrale Kommunikationsmittel.“
So steht es in einem Interview, das die „Frankfurter Rundschau“ mit Katrin Suder führte, die dem Digitalrat der Bundesregierung vorsteht und während ihrer Zeit als Staatssekretärin im Verteidigungsministerium allem Anschein nach mitverantwortlich war für die Berateraffäre. Es macht deutlich, dass Lobbyisten unzulässigerweise Aufgaben der Regierung übernommen haben.
So spricht Frau Suder vom „digitalen Staat“ und tut so, als sei dieser die vom Grundgesetz vorgesehene Erfüllung der Demokratie. In der Art einer altklugen Heranwachsenden, die bislang nur Unsinn gelernt hat (was angesichts ihres früheren Arbeitgebers McKinsey nicht verwundert), beschwert sie sich, dass die Regierung immer noch Briefe versendet. Anscheinend hat ihr niemand vermittelt, dass der Inhalt der jeweiligen Nachricht sowie deren Weiterverwendung sowohl die Form als auch den Übermittlungsweg wesentlich bestimmen. Auch in Zeiten von Internet und E-Mail geht es eben nicht nur um Schnelligkeit, sondern ebenso und vor allem um Datenschutz und Vertraulichkeit.
Auch Lagebeurteilungen oder Gesetzesentwürfe der Ministerialbürokratie werden üblicherweise am Computer erstellt und analog der Sicherheitsstufe lokal oder zentral und zumeist passwortgeschützt abgespeichert. Entscheidet man sich dennoch für den Papierausdruck und dessen Versand per Brief (Hauspost oder Deutsche Post), soll dadurch einerseits die Vertraulichkeit und andererseits die Beachtung der Priorität sichergestellt werden. Dokumente, die in der täglichen E-Mail-Flut untergehen, machen möglicherweise die Beauftragung weiterer Berater notwendig, die sich auf die Spur der verloren gegangenen Skripte begeben. Der Einzug von kommerziellen Unternehmen in die staatliche Verwaltung sollte jedoch verhindert statt unterstützt werden. Im Übrigen gibt es namhafte Betriebe, die sich als beratungsresistent gegenüber McKinsey & Co erweisen und die in ihrer Kommunikation einen guten Mittelweg aus inhaltlich und formal aussagefähiger Nachricht und dem angemessenen Weg ihrer Verbreitung erfolgreich beschreiten.
Die Digitalisierung von Arbeitsprozessen setzt deren Feinanalyse und Atomisierung voraus. Allein die Lektüre von Gebrauchsanleitungen von Apple, Microsoft, Adobe und anderen Unternehmen der Spitzentechnologie zeigt, dass man selbst dort noch nicht korrekt abstrahieren, folgerichtig denken und präzise formulieren kann. So ist auch die Begriffserkennung von Google stellenweise katastrophal, was vor allem an der Vermengung von (schlichtem bis populären) Sachwissen und Kommerzinteressen liegt. Deswegen ist ein gesunder Vorbehalt gegenüber den neuen Techniken in vielen Fällen berechtigt. Ganz offensichtlich haben sich bewährte Kulturtechniken wie exaktes Denken oder eindeutiges Schreiben allenfalls in Ansätzen auf digitale Ebenen übertragen lassen. Die Kommunikationsstörung und Sprachlosigkeit zwischen Fachleuten aus Angewandter Wissenschaft und Programmierung/Digitalisierung haben nach meinem Eindruck eher zugenommen.
Als Beispiele nenne ich nur die ständigen Falschprogrammierungen von Microsofts „Office 365“, welche regelmäßig diverse Hackerangriffe heraufbeschwören. Oder die völlig unzureichende Gefahrenanalyse bei der Vorbereitung des „autonomen“ Fahrens. „Künstliche Intelligenz“ ist abhängig von der Existenz und dem konsequenten Gebrauch von natürlicher Intelligenz. Die Smartphone-Sklaven, die mir täglich überall begegnen und die wie ein Symbol für die neue Zeit erscheinen, wecken jedoch meine Zweifel an deren Zukunftsfähigkeit.
Die digitale Revolution steckt erst in ihren Anfängen und sie wird mutmaßlich auch gravierende Fehlentwicklungen beinhalten. Gerade deswegen ist vor einer schlichten Verabsolutierung zu warnen. Nicht zuletzt werden die Erhebung von und der Umgang mit digitalisierten Daten noch zu erheblichen Konflikten führen, die im äußersten Fall einen Kulturbruch bedeuten könnten. Letzterer wäre die Infragestellung aller Errungenschaften, auf denen eine freiheitliche, solidarische und demokratische Gesellschaft basiert.
Frau Suders Kulturbegriff hingegen scheint sich an der Unkultur bekannter und vielfach berüchtigter Schreibtischerlasse zu orientieren. Sollten diese künftig bestimmen, was Digitalisierung ist, wäre die Gesellschaft dem intellektuellen Infarkt bereits sehr nahe und käme ihm mit jedem Tag näher.
Die digitalisierungsbesessene Beraterin liefert sogar ein Beispiel dafür, wie es nicht sein sollte. Nämlich den Hühnerstall, in dem digitale Programme, von Ahnungs- und Bewusstlosen gestrickt, über das Futter entscheiden. Sowohl für die Gesundheit als auch für die Volkswirtschaft ist es aber viel wichtiger, die Existenz von Hühnerställen an Voraussetzungen wie Freilandhaltung mit begrenzter Tieranzahl, das Verbot von Antibiotika und die ausschließliche Verwendung von natürlichem Futter zu binden als an betriebswirtschaftliche Normen, die überwiegend dem Profit der Unternehmer zu Gute kommen, deren Fehlentwicklungen aber zu Lasten der Allgemeinheit gehen.
Katrin Suders Welt ist geprägt von der Ideologie, die Privatwirtschaft und den öffentlichen Sektor zusammenzuführen und den Staat lediglich noch als Finanzier und Abnehmer zu definieren. Damit das gelingt, ist eine Kommunikationsebene notwendig, die lediglich Informationen in digitalisierter Form weitergibt, aber deren objektive Berechtigung geschweige denn deren demokratische Legitimität nicht mehr überprüft. Beschönigend wird so etwas „künstliche Intelligenz“ genannt, die es im Universum der Tatsachen aber nicht geben kann. Denn KI ist geborgte Intelligenz, ist auf Maschinen übertragene menschliche Sach- oder Unkenntnis. Und sie wird, wie oben erwähnt, leider allzu häufig von Systementwicklern mit bescheidenem IQ bezogen.
Foto:
Katrin Suder im Kreis der Wirtschaftsvertreter bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2018
© ARD
Auch Lagebeurteilungen oder Gesetzesentwürfe der Ministerialbürokratie werden üblicherweise am Computer erstellt und analog der Sicherheitsstufe lokal oder zentral und zumeist passwortgeschützt abgespeichert. Entscheidet man sich dennoch für den Papierausdruck und dessen Versand per Brief (Hauspost oder Deutsche Post), soll dadurch einerseits die Vertraulichkeit und andererseits die Beachtung der Priorität sichergestellt werden. Dokumente, die in der täglichen E-Mail-Flut untergehen, machen möglicherweise die Beauftragung weiterer Berater notwendig, die sich auf die Spur der verloren gegangenen Skripte begeben. Der Einzug von kommerziellen Unternehmen in die staatliche Verwaltung sollte jedoch verhindert statt unterstützt werden. Im Übrigen gibt es namhafte Betriebe, die sich als beratungsresistent gegenüber McKinsey & Co erweisen und die in ihrer Kommunikation einen guten Mittelweg aus inhaltlich und formal aussagefähiger Nachricht und dem angemessenen Weg ihrer Verbreitung erfolgreich beschreiten.
Die Digitalisierung von Arbeitsprozessen setzt deren Feinanalyse und Atomisierung voraus. Allein die Lektüre von Gebrauchsanleitungen von Apple, Microsoft, Adobe und anderen Unternehmen der Spitzentechnologie zeigt, dass man selbst dort noch nicht korrekt abstrahieren, folgerichtig denken und präzise formulieren kann. So ist auch die Begriffserkennung von Google stellenweise katastrophal, was vor allem an der Vermengung von (schlichtem bis populären) Sachwissen und Kommerzinteressen liegt. Deswegen ist ein gesunder Vorbehalt gegenüber den neuen Techniken in vielen Fällen berechtigt. Ganz offensichtlich haben sich bewährte Kulturtechniken wie exaktes Denken oder eindeutiges Schreiben allenfalls in Ansätzen auf digitale Ebenen übertragen lassen. Die Kommunikationsstörung und Sprachlosigkeit zwischen Fachleuten aus Angewandter Wissenschaft und Programmierung/Digitalisierung haben nach meinem Eindruck eher zugenommen.
Als Beispiele nenne ich nur die ständigen Falschprogrammierungen von Microsofts „Office 365“, welche regelmäßig diverse Hackerangriffe heraufbeschwören. Oder die völlig unzureichende Gefahrenanalyse bei der Vorbereitung des „autonomen“ Fahrens. „Künstliche Intelligenz“ ist abhängig von der Existenz und dem konsequenten Gebrauch von natürlicher Intelligenz. Die Smartphone-Sklaven, die mir täglich überall begegnen und die wie ein Symbol für die neue Zeit erscheinen, wecken jedoch meine Zweifel an deren Zukunftsfähigkeit.
Die digitale Revolution steckt erst in ihren Anfängen und sie wird mutmaßlich auch gravierende Fehlentwicklungen beinhalten. Gerade deswegen ist vor einer schlichten Verabsolutierung zu warnen. Nicht zuletzt werden die Erhebung von und der Umgang mit digitalisierten Daten noch zu erheblichen Konflikten führen, die im äußersten Fall einen Kulturbruch bedeuten könnten. Letzterer wäre die Infragestellung aller Errungenschaften, auf denen eine freiheitliche, solidarische und demokratische Gesellschaft basiert.
Frau Suders Kulturbegriff hingegen scheint sich an der Unkultur bekannter und vielfach berüchtigter Schreibtischerlasse zu orientieren. Sollten diese künftig bestimmen, was Digitalisierung ist, wäre die Gesellschaft dem intellektuellen Infarkt bereits sehr nahe und käme ihm mit jedem Tag näher.
Die digitalisierungsbesessene Beraterin liefert sogar ein Beispiel dafür, wie es nicht sein sollte. Nämlich den Hühnerstall, in dem digitale Programme, von Ahnungs- und Bewusstlosen gestrickt, über das Futter entscheiden. Sowohl für die Gesundheit als auch für die Volkswirtschaft ist es aber viel wichtiger, die Existenz von Hühnerställen an Voraussetzungen wie Freilandhaltung mit begrenzter Tieranzahl, das Verbot von Antibiotika und die ausschließliche Verwendung von natürlichem Futter zu binden als an betriebswirtschaftliche Normen, die überwiegend dem Profit der Unternehmer zu Gute kommen, deren Fehlentwicklungen aber zu Lasten der Allgemeinheit gehen.
Katrin Suders Welt ist geprägt von der Ideologie, die Privatwirtschaft und den öffentlichen Sektor zusammenzuführen und den Staat lediglich noch als Finanzier und Abnehmer zu definieren. Damit das gelingt, ist eine Kommunikationsebene notwendig, die lediglich Informationen in digitalisierter Form weitergibt, aber deren objektive Berechtigung geschweige denn deren demokratische Legitimität nicht mehr überprüft. Beschönigend wird so etwas „künstliche Intelligenz“ genannt, die es im Universum der Tatsachen aber nicht geben kann. Denn KI ist geborgte Intelligenz, ist auf Maschinen übertragene menschliche Sach- oder Unkenntnis. Und sie wird, wie oben erwähnt, leider allzu häufig von Systementwicklern mit bescheidenem IQ bezogen.
Foto:
Katrin Suder im Kreis der Wirtschaftsvertreter bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2018
© ARD