Ökotest Logo auf Beteiligungsprospekt 2019Als vielfach anerkannte Zeitschrift für Testergebnisse gehört es zu Zweidritteln der Medienholding der SPD und kann für Kaufargumente gut sein

Heinz Markert
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Anfang Juli 2019 wurde Ökotest anlässlich einer Razzia zum Anlass von reißerischen Meldungen. Ein Großaufgebot von über 40 Fahndern durchsuchte Geschäftsräume an vier Orten, wobei auch die Privatwohnungen von Aufsichtsräten und Vorstand betroffen waren.


Der Vorwurf lautete: Als Folge fragwürdiger Geschäfte und Engagements in China sollen Millionenverluste entstanden sein. Plusminus hat kürzlich darüber berichtet.
 
Wer auf Wachstum Ausschau hält, kann zu dem Schluss kommen dass, was sich im Inland bewährt hat, auch in China funktionieren könne. Dieser Plan ging aber, wie das ARD-Magazin befand, „komplett in die Hose und bescherte dem Unternehmen Millionenverluste“.
 
Ein Wirtschaftskrimi tat sich auf
 
In diese Falle ist zu allem Schaden auch die SPD getappt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Untreue. Nach einer Krisensitzung der Ökotest AG wurde klar: im vergangenen Geschäftsjahr ist ein Verlust von 5,6 Mill. Euro aktenkundig geworden und „die Nerven der Aktionäre liegen blank“ (Ökotest). Die langjährigen Aktionäre haben die Hoffnung verloren, geben nicht mehr viel auf Ökotest. Einer schließt: „Die haben alles verbraucht“, Sozialdemokraten könnten halt nicht mit Geld umgehen und es bestehe die Gefahr, dass das, was noch übrig ist, „auch noch verbrannt wird“. Der Geschäftsführer des komplizierten Konzerngeflechts, das unter dd.vg firmiert, heißt Jens Berendsen. 2015 begibt sich die Marke Ökotest auf den chinesischen Markt. Hierzu wurden bewerbende Produktteste kostenlos auf einer Webseite in China veröffentlicht. Möglichst bald sollte auch der Verkauf von Testergebnissen Gewinn abwerfen.
 
Dieser Plan aber war nur mit viel Geld zu realisieren. Als für den chinesischen Ableger zugestandene Mittel verbraucht waren, ging es ans Anzapfen von Ökotest Deutschland. Eine Mail von Jens Berendsen wird öffentlich, in der dieser vom Chefredakteur von Ökotest ein „Loan“ über 600 000 Euro erbittet, mit dem Verweis, es ginge alles seinen guten Weg. So kommt es, dass 1,2 Mill. Euro nach Asien fließen. Der von plusminus hinzugezogene Aktionärsrechtler Markus Kienle aber hält das „für unverantwortlich“, denn das Gesamtinvest der Ökotest-Holding habe bei 20 Prozent der Bilanzsumme gelegen. Das sei „gigantisch“, sofern das „ohne ordnungsgemäße und fundierte Prüfung abgelaufen sein sollte“. Allein auf „Zurufe“ (es ginge alles in Ordnung) hätte man sich nicht verlassen dürfen.
 
Die SPD hat sich einem Berater verweigert
 
Ein ursprünglich in der Angelegenheit des China-Engagements hinzugezogener Berater hatte im Hinblick auf die Möglichkeiten des Marktes in Fernost starke Bedenken gegenüber der SPD-Bundesschatzmeisterin vorgebracht. Doch der Experte wurde umgangen, wie dieser berichtete. Er wurde von einem Gespräch mit der Schatzmeisterin ausgeschlossen, man ließ ihn in der Cafeteria warten und dort sitzen. Der Entscheidungsträgerin der SPD sollte nichts Negatives zu Ohren kommen. War also die SPD weitumfänglich informiert und hat sie das „millionenschwere Investment abgesegnet?" Auf einem Foto aus den Pekinger Büroräumen ist zu sehen wie eine „Parteigröße“ wie Heiko Maas das Engagement begleitete. Und der jetzige SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan hatte erklärt: mit dem chinesischen Ökotest werde „eine unabhängig informierte Zivilgesellschaft gefördert“.
 
Das solcherart akzentuierte Interesse der SPD habe dazu geführt, dass die chinesischen Medien nur zurückhaltend über die Testergebnisse berichtet hätten. Und übrigens: Ökotest hätte auch über die vielfachen chinesischen Plagiate deutscher Markenartikel berichten können oder müssen, was eine Verbreitung erschwert hätte. Bei alldem sei es, so plusminus, „nicht verwunderlich, dass das Projekt am Ende gescheitert ist“. Auch der Medienwissenschaftler Horst Röper vermag nur den Kopf zu schütteln. Er hat die SPD einmal beraten. Ein Unternehmen des nationalen Zeitungsverlagswesens könne nicht so ohne weiteres internationale Beteiligungen halten. China als international operierendes Land außerhalb Europas sei ein zunächst „völlig fremder Markt“, eine Art blinder Fleck.
 
Interessenkonflikte und Überschneidungen
 
Der Geschäftsführer der dd.vg Jens Berendsen, der den Deal eingefädelt hat, war zur maßgeblichen Zeit auch Aufsichtsratsvorsitzender der Ökotest in Deutschland und zugleich Direktor der chinesischen Firma. Dazu der Aktenrechtsexperte Markus Kienle: Das ist einfach ein Stück aus dem Tollhaus, das ist der pure Irrwitz, wie man so dämlich einen Aufsichtsrat zusammenstellen kann. Da fehlen mir schlicht die Worte“.
 
Daraus lässt sich folgern: das China-Abenteuer ist Aktionären wie Max Demel ein Desaster geworden. Und das, nachdem Ökotest über 30 Jahre lang (ähnlich wie die Stiftung Warentest) das probate Medium eines bundesweit bekannten Prüfsiegels geworden war. Gegen den sich selbst kontrollierenden Jens Berendsen ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Frankfurt – wegen Interessenkollision.
 
Die SPD hält sich bedeckt
 
Angeblich, so heißt es seitens der SPD offiziell, hätte die Partei keine politische Einflussnahme ausgeübt. Dem entgegen steht das Foto mit Heiko Maas. Und Recherchen hätten, so plusminus, ergeben: „man wusste im Willy-Brandt-Haus sehr wohl von dem Deal, hat vor Ort in Peking sogar PR-Termine wahrgenommen“. Die Büroräume in Peking sind inzwischen ausgeräumt. Und: „Der chinesische Ökotest-Ableger wurde für umgerechnet 11 Euro verscherbelt, an einen Parteigenossen von Jens Berendsen. Das dd.vg-Investment in China ist krachend gescheitert“. – Was aber am meisten zählt: „Die deutsche Ökotest ist damit finanziell massiv unter Druck geraten“.
Die Aktionäre würden gerne gegensteuern. Der Aktionär Max Demel hätte gerne mit einigen seiner Kollegen ein Investoren-Konsortium aufgebaut, „das die Mehrheit der dd.vg übernehmen könnte... [...], aber man wolle seitens der SPD die Mehrheit nicht aufgeben, „man denkt, man bringt das selbst wieder in Schuss“.- Diemel: „Ich zweifle daran“.
 
Die SPD bekennt sich nicht zu ihren Fehlern, auch wenn sie „eine der renommiertesten Verbraucherzeitschriften an den Rand des Ruins gebracht hat“.
 

Foto:
ÖKO-Test-Logo auf dem Beteiligungsprospekt

Info:
Ökotest – Verlust und viele Fragen, plusminus, ARD, 18.09.2019