p thomas Moruskommissariat der Katholsichen BischofeSerie: Die Kluft zwischen Arm und Reich und ihre Folgen, Teil 4/4

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Anders als der FAZ-Mitherausgeber Joachim Fest scheute sein Nachfolger Frank Schirrmacher nicht vor scharfer Kritik an den herrschenden Verhältnissen zurück. „Ich beginne zu glauben“, schrieb er am 1. November 2011 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „dass die Linke recht hat.“ Als Konservativer müsse er anerkennen, dass die - von ihm in Anführungszeichen gesetzte -  „bürgerliche“ Politik unter anderem zu schlechteren individuellen Lebensmöglichkeiten und größerer Ungleichheit geführt habe.

Frontal griff Schirrmacher die CDU an. Sie habe „ihre an die Finanzmärkte ausgeliehenen immateriellen Werte, ihre Vorstellung vom Individuum und vom Glück des Einzelnen, niemals zurückgefordert. Sie...hat sich noch nicht einmal über die Verhunzung ihrer Ideale beklagt.“  Banken und führenden Politikern warf Schirrmacher mangelnde Achtung vor europäischen Werten und der Demokratie vor.

Auf dem jüngsten Wirtschaftsforum in Davos beschwor der kanadische Premierminister Justin Trudeau die versammelten Unternehmer und Topmanager aus aller Welt, endlich zu begreifen, dass die meisten Menschen den technologischen Wandel als Bedrohung empfänden. Er beklagte, dass den Eliten der persönliche Profit wichtiger sei, als das Wohlergehen ihrer Mitmenschen. Wenn sich das nicht ändere, so Trudeau, „wird unser System zusammenbrechen und wir alle werden scheitern.“

Wie kümmerlich wirkt angesichts dieser Probleme der Ruf der deutschen Sozialdemokraten nach einer gesicherten Grundrente. Da war schon Heinrich Heine weiter, als er schrieb:  „Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, / was fleißige Hände erwarben./ Es wächst hienieden Brot genug / für alle Menschenkinder, / auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, / und Zuckererbsen nicht minder. / Ja, Zuckererbsen für jedermann, / sobald die Schoten platzen! / Den Himmel überlassen wir / den Engeln und den Spatzen.“  Die SPD wird ihre Glaubwürdigkeit so lange nicht zurückgewinnen, so lange sie den Menschen nicht sagt, wie sie verhindern will, dass die einen immer reicher und die anderen immer ärmer werden.

Greta Thunberg hat in einem Jahr mehr bewegt, als alle Politiker zusammen. Millionen Menschen auf der ganzen Welt tragen seither ihre Sorge um die Zukunft unseres Planeten auf die Straße. Ein schlagender Beweis, dass sie an die Möglichkeit glauben, dem Wachstumswahnsinn und der damit einhergehenden Zerstörung unseres Planeten Einhalt zu gebieten. Das utopische Zeitalter ist nicht zu Ende. Wenige Jahre, nachdem Joachim Fest verkündet hatte, der Sozialismus sei dabei, Geschichte zu werden, erwuchs der kapitalistischen Welt in Gestalt der Volksrepublik China ein Konkurrent, ohne den Weltwirtschaft nicht mehr gedacht werden kann.

Möglich machte das ein von der kommunistischen Staatsführung so bezeichneter „Sozialismus chinesischer Prägung“, unter dem sich die Ökonomie der Volksrepublik  zu einem im Wesentlichen nach marktwirtschaftlichen Mechanismen funktionierenden Wirtschaftssystem entwickelte. 2018 gab es im kommunistischen China mehr Millionäre als in Deutschland, nämlich 1,9 Millionen an der Zahl. Die Volksrepublik ist nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Sie besitzt amerikanische Staatsanleihen im Wert von  mehr als einer Billion Dollar. Damit ist sie, abgesehen von der US-Notenbank, größter Gläubiger der Vereinigten Staaten von Amerika.

„Alles klare Denken erregt Anstoß“, wusste schon 1830 der französische Schriftsteller Stendhal, als er seinen Roman „Le Rouge et le Noir“ schrieb. (Auf Deutsch 1976 bei Rütten & Loening, S.323.) Daran hat sich bis heute nichts geändert. Angefangen von den Vertretern des utopischen Sozialismus bis hin zu Kevin Kühnert, von dem der Münchner Wirtschaftsprofessor Christoph Lütge sagte, er verzapfe Unsinn,  (Bild-Zeitung 2. Mai 2019), werden abweichende Meinungen in Grund und Boden gedonnert. CSU-Generalsekretär Markus Blume behauptete, die „systemverändernden Sozialismus-Fantasien“ des Juso-Vorsitzenden seien „ein schwerer Rückfall der Sozialdemokraten in klassenkämpferische Zeiten“. Und die sind bekanntlich, seit Ludwig Erhard die „klassenlose Gesellschaft“ ausgerufen hatte, vorbei.

Wenden wir uns deshalb zum Schluss einem Manne zu, der – unbeleckt  von jeglichem linken Irrglauben – vor 500 Jahren schrieb: „Wenn ich daher alle die Staaten, welche heutzutage in Blüte stehen, durchnehme und betrachte, so sehe ich, so wahr mir Gott helfe, in ihnen nichts Anderes als eine Art Verschwörung der Reichen, die unter dem Deckmantel und Vorwande des Staatsinteresses lediglich für ihren eigenen Vorteil sorgen, und sie denken alle möglichen Arten und Weisen und Kniffe aus, wie sie das, was sie mit üblen Künsten zusammengerafft haben, erstens ohne Furcht es zu verlieren, behalten, sodann wie sie die Arbeit aller Armen um so wenig Entgelt wie möglich sich verschaffen mögen, um sie auszunutzen.“ Die Sätze stammen von Thomas Morus. Er lebte von 1478 bis 1535.

Foto:
Thomas Morus als Lordkanzler auf einem Gemälde von Hans Holbein d.J. 1527
© Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen

Info:
Thomas Morus, ein sehr gläubiger Katholik, der mit seinem Roman De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia („Von der besten Verfassung des Staates und von der neuen Insel Utopia“), kurz UTOPIA genannt, 1516 mit Bezug auf Platon ein erfundenes Inselreich beschrieb, in dem Menschen in menschenwürdigen Verhältnissen leben und wohnen. Seither nennen wir diese Literaturgattung Utopien. Er diente seinem König Heinrich VIII. als Lordkanzler, bis dieser von ihm verlangte, beim Papst die Annulierung seiner Ehe mit  Katharina von Aragón zu erreichen. Das verstieß gegen das Gebot des katholischen Glaubens von der Unauflöslichkeit der Ehe, weshalb Morus 1532 von seinem Amt zurücktratt. Als er dann noch 1534 einen Eid auf ein Gesetz ablegen sollte, das die Kinder der neuen Ehefrau des Königs, Anna Boleyn, zu rechtmäßigen Erben und die katholischen Besitztümer in England dem König zuschanzen sollte, verweigerte er dies. Am 6. Juli 1535 wurde Thomas Morus im Alter von 57 Jahren auf dem Schafott auf Befehl von Heinrich VIII. hingerichtet.