F Gabriele Wenner Copyright Stefanie Koesling30 Jahre städtisches Frauenreferat Frankfurt und kein bisschen leise, Teil 2/2

Siegrid Püschel

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Auch die Stadtverwaltung müsse darauf achten, wie divers Menschen dargestellt und angesprochen werden. Das Frauenreferat kommuniziert Wissen und Expertise verwaltungsintern, um den Blick nach außen zu schärfen. So beispielsweise auch in der gendergerechten Sprache. „Das ist wichtig, denn wir wollen niemanden ausschließen. Inklusive Sprache zu verwenden bedeutet alle anzusprechen, die wir als Stadtverwaltung mit unseren Angeboten erreichen wollen.“

Die halbe Stadtbevölkerung sind Frauen

Frankfurt ist eine Stadt der Frauen, hat zwei Mal das bundesweite Genderranking gewonnen und hält sich konstant im oberen Drittel. 2018 hat die Stadt den zweiten Platz beim Gender-Award belegt.

Daran hat auch das Frauenreferat seinen Anteil und ist daher auch Vorbild für andere kommunale Frauenbüros. Deutschlandweit gibt es 1800 kommunale Frauenbüros, die in Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften zusammenarbeiten. Frankfurt beteiligt sich aktiv daran.

Die Mainmetropole bietet ideale Bedingungen für Selbständige, ein tragfähiges Netzwerk fördert Existenzgründerinnen und in Genderfragen hat Frankfurt eine bundesweite Vorreiterrolle. Entsprechend viel unternimmt die Verwaltung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Steigerung des Frauenanteils in leitender Position.

Um den Wandel der Führungskultur zu gestalten, den Anteil von Frauen in Führungspositionen sowie die Akzeptanz für Gleichstellungsfragen und gemischte Teams zu erhöhen, wurde von Frankfurter Expertinnen die Akademie Mixed Leadership entwickelt, die aktuell im Fachbereich 3: Wirtschaft und Recht der Frankfurt University of Applied Sciences an den Start gegangen ist. Die Idee zum Aufbau einer Akademie für mehr Frauen in Führung ist entstanden durch einen partizipativen Prozess des Frankfurter Frauenreferats im Rahmen des ersten Aktionsplans zur Europäischen Gleichstellungscharta.

Mit 40 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen ist Frankfurt gut aufgestellt – der bundesweite Durchschnitt liegt jedoch darunter. Der Anteil von Frauen im Magistrat ist leider zurückgegangen, weshalb Frankfurt auch das Ranking im vergangenen Jahr nicht gewonnen hat. „Da waren wir auch bei 40 Prozent, aber das ist rückläufig. Auch das hat natürlich Ursachen: In der Politik sind die Sitzungen am Nachmittag und gehen bis in den späten Abend – diese Zeiten muss man sich nehmen können. Da passen dann die Strukturen der politischen Arbeit oft nicht in das Leben der Frauen. Eine Möglichkeit wäre, die Sitzungszeiten zu ändern“, rät Wenner. Sodass alle mehr Zeit hätten. In Skandinavien funktioniere das.


Netzwerke sind für das Frauenreferat unverzichtbar

Das Frauenreferat steht allen offen, die eine fachliche Expertise brauchen oder hilfreiche Unterstützung in einer Problemlage suchen. „Wir sind eine Anlaufstelle für alle Fragen rund um geschlechtsspezifische Diskriminierung. Wer uns anruft, erfährt, welche Anlaufstellen es zu welchen Themen gibt. Wir finanzieren auch zum Teil diese Angebote. Wir sind keine Beratungsstelle und machen keine Rechtsberatung. Aber wir können sagen, welche Gesetze greifen und wo gezielt Unterstützung zu bekommen ist“, erklärt die Referatsleiterin.

Um Frauen aus allen sozialen Schichten zu erreichen seien Multiplikatoren sehr wichtig. Dennoch könne Frauen der erste Schritt aus einer problematischen Lage nicht abgenommen werden. „Den ersten Schritt müssen sie selbst machen. Es gibt beispielsweise Anlaufstellen für Migrantinnen, da erreichen wir die Frauen über Sprach- und Integrationskurse. Dort werden auch andere Themen angesprochen, Ratsuchende erhalten Informationen und Zugänge zu hilfreichen Programmen. Ein Beispiel: Viele neu zugezogene Migrantinnen können nicht schwimmen oder Radfahren. Sie möchten jedoch ihre Kinder beim Schwimmen oder Radfahren unterstützen. Der Lernwunsch der Eltern muss gefördert werden: „Dafür haben wir mit Trägern zusammen Schwimm- und Fahrradfahrkurse entwickelt. Die Durchführung läuft über die Vereine, die wir bezuschussen.“ Auch das Sportamt zieht mit. Aber der Bedarf ist bislang noch nicht gedeckt.

Die Arbeit des Frauenreferats ist und bleibt notwendig, denn eine gerechte Geschlechterpolitik bedarf einer Querschnittfunktion für die Stadt und die Gesellschaft. Vor allem ist es heute wichtiger denn je die Stadt mit den Augen aller Geschlechter und dann noch themenübergreifend zu betrachten. Eine am individuellen Bedarf von Frauen und Mädchen ausgerichtete und an unterschiedliche Zielgruppen adressierte Frauenpolitik braucht angemessene Formate: Der Business Women’s Day, die Kampagne „Frauen.Macht.Politik.“ oder die Salongespräche zur Mädchenarbeit sind Maßnahmen, mit denen das Frauenreferat kontinuierlich Gendergerechtigkeit vorangetrieben hat.

Wenner und ihr Team haben sich auch in Zukunft viel vorgenommen. Und was wünscht sie dem Frauenreferat zum Geburtstag? „Dass das Frauenreferat so innovativ wie in den vergangenen drei Jahrzehnten bleibt und weiterhin mit viel Team-Power, finanzieller und politischer Unterstützung arbeiten kann.“

Trotz des Jubiläums bleibt wenig Zeit für eine Verschnaufpause: Ende November wird – wie alle zwei Jahre – der Tony-Sender-Preis verliehen. Und Anfang Dezember steht bereits der Business Women‘s Day an, organisiert, um mehr Frauen in Führung und Verantwortung zu bringen. Gabriele Wenner weiß, dass Ausruhen keine Option ist für die, die verändern und gestalten wollen. Auf der Hut sein und notfalls kämpferisch vorangehen ist hier die Losung: „Die Gesellschaftspolitik kennzeichnet ein stetes Auf und Ab – man muss immer wieder das Erreichte sowie die Schwachstellen deutlich machen und verteidigen.

Foto:
Leiterin des Frauenreferats Gabriele Wenner
© 

Info:
https://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2900&_ffmpar%5b_id_inhalt%5d=102285