F Rosemarie Heilig Frauendezernentin Copyright Sandra Mann30 Jahre städtisches Frauenreferat Frankfurt und kein bisschen leise, Teil 1/2

Siegrid Püschel

Frankfurt am Main (Weltexpresso) _ „Seit seiner Gründung vor 30 Jahren steht das Frauenreferat für eine innovative, hochprofessionelle und vor allem den Menschen zugewandte Arbeit, um das Lebensumfeld von Frauen und Mädchen in unserer Stadt in allen Belangen entscheidend zu verbessern. 30 Jahre Frauenreferat erzählen im Rückblick eine Erfolgsgeschichte und lassen mich zugleich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Wir brauchen die Leidenschaft und die Power, mit der das Frauenreferat bislang frauenpolitische Themen aufgegriffen und vorangebracht hat. Es gibt leider noch immer viel zu tun“, betont Frauendezernentin Rosemarie Heilig.

Was hat das Frauenreferat in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht alles erreicht: Aufgezeigt, was es heißt, als Frau in Frankfurt zu leben. Benachteiligungen und Diskriminierungen von Frauen und Mädchen sichtbar gemacht. Gender Mainstreaming und die Europäische Charta für die Gleichstellung mit Aktionsplänen städtisch umgesetzt. Unzählige Frauennetzwerke ins Leben gerufen und am Leben erhalten.

Bis heute organisiert das Frauenreferat mit vielen Kooperationspartnerinnen zu den etablierten Schwerpunkten Existenzsicherung, Mädchenpolitik, Arbeitsmarkt und Gewaltschutz sowie Migration Infrastrukturprojekte für Frauen und Mädchen: in verschiedenen Facetten, zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Bereichen. Mit sehr unterschiedlichen Trägern, Vereinen, Stiftungen und Institutionen arbeitet das Frauenreferat dabei zusammen. Es leitet Arbeitsgruppen, ist Teil von Gremien. Dabei geht es immer darum, mit Gender-Expertise zu beraten und wichtige Themen ein- sowie voranzubringen.

Eine Frage hört Gabriele Wenner, Leiterin des Frauenreferats, immer wieder: Braucht es denn noch immer ein Frauenreferat? Ihre Antwort lautet: „Natürlich! Weltweit ist die Gleichberechtigung nicht erreicht – auch in Deutschland nicht!“ Die Fachfrau führt aus: „Wir haben ganz maßgebliche Themen auf unserer Agenda, die noch nicht gelöst sind. Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit etwa. Da steht Deutschland europaweit ganz weit unten auf der Skala und leider diskutieren wir hier immer über Statistiken. Ich würde gerne in Bezug auf Lösungen weiterkommen.“ Natürlich gebe es Gründe für den Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern. Diese lägen aber wiederum in der ungleichen Aufteilung von Erwerbsarbeit und Care-Arbeit. Frauen reduzieren oft ihre Arbeitszeit, wenn ein Paar Kinder bekommt. „Das ist zwischen den Geschlechtern nicht gleich aufgeteilt. Im Gegenteil: Nach dem zweiten Kind schnappt dann für viele Frauen die Falle zu. Ich sage ganz bewusst Falle, weil sich das am Ende in der Rente niederschlägt“, sagt Wenner.

Die Durchschnitts-Rente eines Frankfurters liegt bei rund 1100 Euro, die einer Frankfurterin bei etwa 770 Euro. „Da wird das Missverhältnis sehr deutlich. Das sind Auswirkungen von persönlichen Entscheidungen, die aber auch vom Staat befördert werden, etwa mit dem Ehegattensplitting. Auch wenn wir Teilzeit-Arbeit, schlechter bezahlte Berufe und weniger Frauen in Führungspositionen außer Acht lassen, gibt es immer noch einen Anteil von sechs bis acht Prozent, die nicht zu erklären sind. Außer mit Diskriminierung.“ Das sei ein Grund, warum es Frauenreferate, Frauenbüros oder Gleichstellungsstellen noch brauche. „Und das ist allein nur zum Thema Equal-Pay zu sagen“, betont die Frauenreferatsleiterin. Die strukturelle Diskriminierung der Frau im Alltag und in der Berufswelt hat das Frauenreferat 2012 mit der vielbeachteten Kampagne „Armut ist eine Frau“ treffend thematisiert.


Erfolgreiche Frauenarbeit braucht Profession und Struktur

Gabriele Wenner leitet das Frauenreferat seit 2002 und schätzt ihre Arbeit: „Es ist eine spannende Aufgabe. Ich bereue nicht, dass ich nach Frankfurt gekommen bin“, sagt sie. Rückblickend weiß sie, dass die Anfangsjahre seit 1989 davon geprägt waren, das Frauenreferat zu etablieren und als Fachstelle anerkannt zu werden: „Es ging darum, deutlich zu machen: Hier wird professionell gearbeitet. Mit Kampagnen und provokativen Aktionen ist das gut gelungen.“

Immer wieder würde gefordert, das Frauenreferat abzuschaffen. Doch die Vielfalt der Themen, an denen gearbeitet wird, verdeutliche, dass das Referat weder überflüssig noch unnötig sei. „Die Mehrheit der Stadtverordneten erkennen unsere Arbeit an und sehen, was an wichtigen Themen bewegt wird. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Es war 1989 ein politischer Beschluss, ein Frauenreferat einzurichten. Heute sind wir angekommen in der Mitte der Stadtverwaltung und in der Mitte der Gesellschaft – das merkt man an den vielen Rückmeldungen, Kooperationsanfragen und Auszeichnungen“, sagt Gabriele Wenner.

Wenn Projekte entwickelt werden, frage man sich immer wieder: „Haben wir an alle Zielgruppen wie zum Beispiel Migrant*innen oder Frauen gedacht?“ Wenner sieht das kritisch: „Als wären Frauen eine Teilgruppe, dabei sind wir die Mehrheit der Gesellschaft. Mir geht es darum, zielgruppendifferenzierte Maßnahmen zu entwickeln – so haben wir auch Gender-Mainstreaming aufgefasst. Es geht nicht nur um die statistische Zahl. Wenn Maßnahmen in der Stadtverwaltung entwickelt werden, gilt es genau zu schauen, welche Zielgruppen erreicht werden sollen und wie diese sich zusammensetzen: nach Alter, Geschlecht, nach Migrationshintergrund, möglicherweise nach sexueller Orientierung, Behinderung, also nach den sogenannten Diskriminierungsmerkmalen. Solange wir bei städtischen Projektplanungen nicht durchgängig entlang der Diversity-Merkmale verfahren, braucht es auch noch ein Frauenreferat, ein Amka oder eine Behindertenbeauftragte“, betont sie.

Eines der wichtigen Anliegen des Referats bestand in den 90er Jahren darin, Frankfurt sicherer für Frauen zu machen. Dabei ging es vor allem darum, die Belange von Frauen und Mädchen in der Bau- und Stadtplanung zu berücksichtigen. „Wie fühlen sich Frauen im Stadtraum? Wo bestehen Unsicherheits- und Bedrohungsgefühle? Wie kann eine Stadtplanung das verändern und verbessern? Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie zum Beispiel „Frauen nehmen sich die Stadt“ landeten der Wunsch nach Sicherheit und Bewegungsfreiheit für Frauen im öffentlichen Raum erstmals auf der politischen Agenda. Nicht zuletzt daraus entstanden 1996 die Leitlinien zur frauengerechten Bauleitplanung, die beim deutschen Städtetag, in deutschen Planungsämtern aber auch im Ausland große Beachtung fanden.

„Damals ist zwar viel Neues in die strukturellen Planungen eingeflossen, aber eben nicht genug“, sagt Gabriele Wenner. Zu aktuellen Themen wie „Safe Citys“ wird es deshalb auch eine Kampagne geben. „Stadtplanung ist immer eine Herausforderung. Wir im Frauenreferat sind keine Architektinnen und Stadtplanerinnen. Deshalb ist es wichtig, das Gender-Know-how in alle Ämter und Bereiche der Stadtverwaltung einzubringen.“


Für ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben

Gewalt gegen Frauen sei ein weiteres grundlegendes Thema weltweit, das auch das Frankfurter Referat beschäftigt. Einer repräsentativen Studie von 2004 zufolge hat jede dritte Frau Gewalt erlebt. Kampagnen wie „#MeToo“ machen deutlich, wie viele Frauen in ihrem Lebens- und Berufsalltag betroffen sind. „Es ist nicht nur der Film-Mogul, der seine Machtposition ausnutzt, es ist auch der Chef, der Ehemann, der Vater, der Bruder, Onkel, der Nachbar, die ihre Positionen ausnutzen und übergriffig werden. Und das zieht sich durch alle Schichten. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist leider nach wie vor ein ungelöstes Problem.“

„Femizide sind aktuell ein Thema von besonders hoher Aufmerksamkeit in Europa und weltweit“, sagt Wenner. Oft werde über „Beziehungsstreitigkeiten“ berichtet, die eskaliert sind. Das sei eine verharmlosende Darstellung, weil es sich um Morde an Frauen handele. „Es fängt an bei missachtenden Bemerkungen, über den Klaps und die Ohrfeige bis hin zum Mord. Es gibt viele Formen von Gewalt. Wenn man sich umhört, dann kann jede Frau von der einen oder anderen Form berichten.“

In Frankfurt sei Gewalt gegen Frauen genauso verbreitet wie in anderen Regionen: „Oft werde ich gefragt, ob es für Frauen in Frankfurt nicht gefährlicher als in einer ländlichen Region ist, weil viele Leute denken: ‚Auf dem Land ist die Welt noch in Ordnung und da passiert nicht viel‘. Gewalt gegen Frauen und Mädchen gibt es jedoch überall gleichermaßen“, sagt Wenner. 2016 organisierte das Frauenreferat unter dem Motto „Mein Nein meint Nein“ Aktionswochen im Rahmen der Kampagne „Respekt. Stoppt Sexismus“.

Mit regelmäßigen Aktionen anlässlich des jährlichen Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen und Mädchen möchte das Frauenreferat deutliche Zeichen setzen und zugleich auf Hilfsangebote bei sexueller, häuslicher und auch digitaler Gewalt hinweisen. „Gewalt gegen Frauen hat mit mangelndem Respekt zu tun, der die Gesellschaft durchzieht. Dieser Sexismus, der immer wieder spürbar ist, oft auch unterschwellig: in der Werbung, im Alltag, durch Geschlechterrollen und Stereotype.“ Letztere wird das Frauenreferat mit seiner nächsten Kampagne in 2020 angehen. „Wir wollen vor allem Vorurteile und Diskriminierung bekämpfen, die aus den Stereotypen resultieren.“ Die Kampagne soll für Bewusstseinsbildung – Awareness sorgen.


Foto:
 Rosemarie Heilig, Dezernentin für Umwelt und Frauen
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Info:
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