Constanze Weinberg
Leipzig (Weltexpresso) - Zum zweiten Mal hat Annegret Kramp-Karrenbauer Friedrich Merz den Schneid abgekauft. Ungeachtet aller Stimmenverluste der CDU festigte sie mit einer fulminanten Rede auf dem Parteitag in Leipzig nicht nur ihre Position als Parteivorsitzende, sondern auch als Kanzlerkandidatin. Sie stellte offen die Machtfrage und gewann.
Die mit Spannung erwartete Diskussionsrede von Friedrich Merz blieb inhaltlich blass und für seine Anhänger enttäuschend. Weder positionierte sich Merz als persönlicher Gegenpol zu Angela Merkel noch entwickelte er eine Idee, die als alternatives politisches Konzept gedeutet werden könnte. Dabei hatte der Sauerländer noch wenige Tage vor dem Parteitag angekündigt, eine wichtige Reformrede halten zu wollen. Jetzt verlangte er lediglich, dass die CDU ihre Politik künftig einfacher und für die Menschen verständlicher formuliert, so wie er das vor Jahren mit seinem Vorschlag getan habe, Steuererklärungen so zu vereinfachen, dass sie auf einem Bierdeckel Platz haben. Sein Mut reichte gerade noch für einen Appell an die Parteiführung, die konservative Werteunion in der CDU nicht länger auszugrenzen, sondern in die Arbeit einzubinden. Das war’s dann auch schon.
Kein Wort der Kritik an Angela Merkel und am Erscheinungsbild der von ihr geführten Bundesregierung, das er kürzlich noch als „grottenschlecht“ bezeichnet hatte. Friedrich Merz dürfte sich als Hoffnungsträger des rechten CDU-Flügels endgültig demontiert haben. Sein lahmes Bekenntnis zur Mitarbeit ändert daran nichts. Die Partei wird auch ohne ihn nach rechts rücken. Ihr Machtanspruch geht inzwischen weit über Europa hinaus und gilt einem Platz an der Sonne auf dem Weltmarkt neben den Supermächten USA und China. Niemand, so Kramp-Karrenbauer, könne so erfolgreich wirtschaften wie die Deutschen. Mit anderen Worten: Am deutschen Wesen soll wieder mal die Welt genesen.
Weder Annegret Kramp-Karrenbauer noch Friedrich Merz verloren ein Wort über die immer tiefer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, geschweige denn darüber, wie diese Kluft allmählich verringert werden könnte. Vor wenigen Tagen hatte die CDU-Vorsitzende angekündigt, dass schon im nächsten Jahr alle sozialen Sicherungssysteme überprüft werden sollen, da sie an die Grenze des Machbaren und des Möglichen stießen. Auch eine Analyse der Wahlniederlagen, die über allgemeines Bedauern hinausging, fehlte.
Noch vor wenigen Tagen hatte Merz auf einer Versammlung in Nordhausen erklärt, er werde dafür sorgen, dass „die CDU wieder eine klare Position einnimmt“. Wenn das Land wieder mehr Führung bekomme, zitierte ihn die Süddeutsche Zeitung am 20. November, werde die CDU jene zurückholen, die derzeit AfD wählten, „weil sie enttäuscht sind, weil sie frustriert sind, weil sie die Schnauze voll haben von dem, was da über Jahre in Berlin passiert. Ich kann das verstehen. Aber ich stehe auch dafür, dass sich das ändert.“
Nichts von all dem jetzt in Leipzig. In der erwähnten Ausgabe der Süddeutschen Zeitung sagt ein prominenter Ex-Bundesminister über seinen Freund Friedrich Merz, bis jetzt sei alles nicht mehr als ein Schauspiel gewesen. In Leipzig müsse Merz sagen, was er inhaltlich und persönlich vorhabe. „Jetzt muss er konkret werden oder aufhören.“ Ob der Angesprochene das weiß?
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