Wider die Verleumder von AfD & Co
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Meinungsfreiheit habe Grenzen - und zwar dort, wo die Würde von Menschen verletzt werde.
So Bundeskanzlerin Angela Merkel am 27. November im Bundestag. Sie erinnerte damit an den Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes. Und stimmt indirekt Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten zu, die davor warnen, dass durch Verleumdungen der Demokratie, die als Meinungsäußerungen getarnt seien, die demokratische Struktur der Bundesrepublik in Gefahr geraten könnte.
Ähnlich äußerte sich am 14. November Klaus Staeck in der „Frankfurter Rundschau“. Es sei erstaunlich, was die AfD und deren Sympathisanten sagten und meinten. Vor allem anlässlich des 30. Jahrestags der Maueröffnung.
Tatsächlich wird durch Schlachtrufe wie „Vollende die Wende“ der Versuch unternommen, die Geschichte im Sinn faschistischer Überzeugungen umzudeuten. Wer die Phrasen von Gauland, Höcke oder Kalbitz analysiert, merkt rasch, dass es ihnen nicht um den 9. November 1989 geht, sondern um den 8. und 9. November 1923. Damals marschierten Adolf Hitler, Erich Ludendorff und deren Anhänger in München zur Feldherrnhalle, um die bayerische Landesregierung zu stürzen. Der Putschversuch misslang. Aber in den blau-braunen Träumen der Alternativlinge geistert der Gedanke auf Revanche, keineswegs aber die Verinnerlichung der Demokratie bei skeptischen Ostdeutschen. Und erst recht nicht die Erinnerung an den 9. November 1938, als der braune Mob Synagogen in Brand setze und 400 jüdische Bürger ermordete.
Es ist höchste Zeit, dem minutiös geplanten Meinungsfeldzug der Rechtsextremisten etwas entgegenzusetzen und deren Vorurteile zu entlarven. Wer befürchtet, den Blau-Braunen dadurch zu viel Aufmerksamkeit zu verschaffen, redet und schreibt die Gefahren zu klein, die von diesen Brandstiftern ausgehen. Deren Bestreben ist es derzeit, sich als Opfer darzustellen, obwohl sie Täter sind – und dies in manchen Fällen seit Generationen.
Klaus Staeck erwähnt in seiner Kolumne beispielsweise Hubertus Knabe, den ehemaligen Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (2000 – 2018) und vormaligen Sachgebietsleiter des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Der hatte im Sommer dieses Jahres in der „Neuen Zürcher Zeitung“ Verständnis geäußert für die AfD und deren Versuche, sich auf die Bürgerrechtsbewegung zu berufen: „Der rabiate Umgang mit der AfD erinnert viele Ostdeutsche deshalb an alte Zeiten“. Und nicht wenige, welche die DDR miterlebt hätten, gewönnen den Eindruck, dass der Bundestag bereits „gleichgeschaltet“ sei.
Knabe hatte die Stasi-Unterlagen-Behörde wegen heftiger Auseinandersetzungen um die Veröffentlichungskriterien für Akten im Jahr 2000 verlassen. Bereits vor seiner Kündigung hatte Marianne Birthler Knabe bereits entlassen wollen, weil er in zahlreichen Fällen öffentlich Personen der IM-Tätigkeit zu Unrecht beschuldigt hatte. Der DDR-Bürgerrechtler und spätere SPD-Politiker Richard Schröder warf Knabe vor, „statt einer rechtsstaatlichen Behörde lieber eine Inquisitionsbehörde“ schaffen zu wollen. Er solle „aufpassen, dass er seinem Gegner nicht allzu ähnlich wird“.
Als Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen hatte Knabe dann Gelegenheit, die Regeln weitgehend selbst zu bestimmen. Statt die Forschung über das Unrecht in der DDR auf anerkannte wissenschaftliche Grundlagen zu stellen und die Ergebnisse nachprüfbar zu dokumentieren, brach er einen antikommunistischen Kreuzzug vom Zaun. Dieser gipfelte in der Gleichsetzung von NS- und SED-Diktatur.
Dem Gedenkstättenführer Siegmar Faust, der in einem Interview die Haftstrafe des Holocaustleugners Horst Mahler als „unerträglich“ beklagte und aus diesem Anlass fragte, ob die Zahl von sechs Millionen Holocaust-Opfern „heilig“ sei und vor einer Übertreibung der NS-Verbrechen warnte, entzog Knabe lediglich die Führungen.
Dass der Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte, Jörg Kürschner, in Beiträgen für die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ die AfD feierte, schien Knabe nicht zu tangieren. Ebenso nicht der wachsende Einfluss von AfD und anderen Rechtsextremisten in DDR-Opferverbänden.
Zudem musste der Berliner Senat seit dem Jahr 2013 mehren Beschwerden über Klages Amtsführung nachgehen; hierbei ging es um autoritären Führungsstil, fehlende interne Kommunikation und Mobbing. Seit 2016 häuften sich die Klagen junger Frauen wegen sexueller Belästigung durch Vorgesetzte. Diese führten im September 2018 zur Beurlaubung und Entlassung Knabes, der daraufhin eine Kündigungsschutzklage einreichte. Im Dezember 2018 einigten sich er und die Senatsverwaltung auf einen Vergleich, über dessen Inhalt nichts bekannt ist. In diesem wurde jedoch Knabes Abberufung nicht zurückgenommen.
Knabe stolperte letztlich über Vorwürfe, sexuelle Belästigungen nicht entschieden unterbunden zu haben. Seine Versuche, das NS-Regime zu relativieren bzw. es auf eine Stufe mit dem DDR-Regime zu stellen, hatten zuvor nicht ausgereicht, ihn zur Verantwortung zu ziehen. So wurde beispielsweise die in seinem Buch „Die unterwanderte Republik“ erhobene Behauptung nicht gerügt, Hans Globke, Karrierejurist im NS-Staat, Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Gesetze sowie späterer Leiter des Bundeskanzleramts unter Konrad Adenauer, sei ein „entschiedener Gegner des Nationalsozialismus“ gewesen.
Der als legitime Meinungsäußerung getarnten demagogischen Hetze ist nur durch konsequente faktenorientierte Stellungnahme beizukommen. Nur Fakenews und Dummheiten, denen sofort widersprochen wird, verlieren ihre Anziehungskraft bei den weniger gut Informierten. Im selben Maße ist auch jeder blau-braunen Legendenbildung entgegenzuwirken.
So ist, wenn Alexander Gaulands Name fällt, daran zu erinnern, dass er als Chef der Hessischen Staatskanzlei den Leitenden Ministerialrat Rudolf Wirtz, der die Verbindungsstelle zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften leitete, 1988 aus dem Amt getrieben hat, um dessen Posten einem Vertreter des rechten CDU-Flügels zuzuschanzen. Die von Gauland behaupteten Beschwerden aus den Kirchen über Wirtz stellten sich später als eidliche Falschaussage heraus. Die Straftat ist zwar verjährt, aber der Fakt lässt sich nicht aus der Welt schaffen.
Ebenso sollte der Verdacht gegen Alice Weidel nicht unter den Tisch fallen. Ihr wird vorgeworfen, verbotene Wahlkampfspenden aus der Schweiz für ihren AfD-Kreisverband Bodensee entgegengenommen zu haben. Auch das zynische Weltbild von Michael Klonovsky, Gaulands Büroleiter und vormals FOCUS-Redakteur, verdient jeden Widerspruch. Der Mann propagiert eine „Rangordnung der Kulturen“ und vermag in Flüchtlingen lediglich einen „Import von Missständen“ zu sehen. Die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, nominell noch Mitglied der CDU, aber der AfD geistig näher stehend, beklagte Anfang November auf einer Konferenz der Berliner AfD, dass sie nun in einer „anderen Diktatur“ lebe, „einer Gesinnungsdiktatur, aber Diktatur ist nun mal Diktatur“.
Artikulieren wir gegen diese und andere Verlogenheiten unseren Widerspruch, äußern wir unsere beweisbare Meinung.
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Der AfD-Abgeordnete Stefan Brandner wurde als Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses wegen nicht hinnehmbarer antidemokratischer Äußerungen abgewählt
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