Redaktion
New York (Weltexpresso) – Wie kam es zu diesem Projekt? Woher hatten Sie die Idee dafür?
Es gab Szenen, die ich unbedingt auf der Leinwand sehen und Figuren, die ich unbedingt zum Leben erwecken wollte. Es gab Momente des Mitgefühls und der Güte, die ich auf die Leinwand bannen wollte. Und New York war eine große Inspiration für diesen Film – die Schönheit dieser Stadt und das ganze Drama, dass sich so viele Menschen hier von einem Gehaltsscheck zum nächsten durchkämpfen. Es gab also Themen und Dinge, die mich beschäftigten, die ich liebte. All das ist in diesem Film, in dieser
dramaturgischen Maschine, verschmolzen. Es ging darum, all das in eine Geschichte einzubinden und dann hoffentlich ein Ende finden zu können, das optimistisch und voller Hoffnung ist.
Das Drehbuch haben Sie selbst geschrieben. Hat sich dadurch etwas verändert, beispielsweise Ihr Inszenierungsansatz? Sie hatten doch als Autorin mehr Einfluss auf die Struktur, mehr Kontrolle über den Stoff. Richtig?
Man denkt vielleicht, weil ich das Drehbuch geschrieben habe, hätte ich eine ziemlich ausgefeilte Vorstellung davon gehabt, wie sich alles entwickeln müsste. Tatsächlich war genau das Gegenteil der Fall. Denn ich hatte nicht mehr das Gefühl, den Autor verteidigen oder sicherstellen zu müssen, dass s Drehbuch im Verlauf des filmischen Prozesses intakt bleibt. Ich bin grundsätzlich sehr offen für das,was Schauspieler in einen Film einbringen können. Dieser Film ist mit Darstellern besetzt, deren Meinungen mich interessieren, deren instinktiv getroffene Entscheidungen ich wirklich mag. Die Schauspieler hatten also kreativ durchaus großen Einfluss, nicht zuletzt auch, weil ich nicht in meiner Muttersprache drehte. Gerade deshalb war es nötig, auf sie zu hören und von ihnen inspiriert zu werden. Wir arbeiteten hier ja mit klugen und brillanten Schauspielern. Jeder von ihnen war in der Lage, Ideen einzubringen, die besser als das waren, was im Drehbuch stand. Sie hatten also großen kreativen Freiraum.
Warum spielt diese Geschichte in New York, und nicht beispielsweise in Berlin oder London? Was war das Besondere an dieser Stadt, das Sie auf die Leinwand bringen wollten? Was war das richtige dramaturgische Umfeld für Ihre Geschichte?
Meiner Ansicht nach könnte sie in jeder Großstadt der westlichen Welt spielen. Wir sehen hier Fremde, die irgendwie verloren und in einer fast ausweglosen Lage sind. Diese Menschen begegnen sich - entweder zufällig oder, weil sie Hilfe von anderen benötigen. Und schließlich werden sie füreinander zu engsten Verbündeten. New York kann aber für jeden zu seiner Stadt, zur Hauptstadt, werden. New York ist international, extreme Schönheit und extremes menschliches Drama sind hier eng miteinander
verbunden. Deshalb war das für mich der richtige Schauplatz für diese Geschichte. Besonders beeindruckt haben mich Nächstenliebe und Barmherzigkeit – die Art und Weise, wie Menschen in New York anderen die helfende Hand reichen und dabei die Arme weit ausstrecken. Davon können wir Europäer meines Erachtens viel lernen.
Wenn man an Ihre bisherigen Filme denkt, gibt es immer diese interessante Mischung aus Komödie, Drama und Tragödie. Wie haben Sie das strukturiert, kontrolliert und ausbalanciert? In gewisser Weise steht die Figur von Bill Nighy beispielhaft für diese Mischung, aber auch die von Zoe Kazan dargestellte Figur weist wirklich tragische Aspekte auf. Wie haben Sie all das im Gleichgewicht gehalten?
Ich habe mehrere Jahre in England gearbeitet. Dadurch bin ich, glaube ich, noch furchtloser geworden, humorvolle, dramatische und emotional intensive Momente miteinander zu verschmelzen. Der Zuschauer hat damit kein Problem. In England ist es tatsächlich so, dass je tiefer die Menschen dort in einer Krise stecken, desto mehr Witze machen sie. Für mich ist das einfach ein Weg, mich mit ernsten Themen auseinanderzusetzen. Tatsächlich erlaubt mir die emotionale Tiefgründigkeit, Spaß zu haben und etwas Humorvolles entwickeln zu können, das nicht nur oberflächlich ist, sondern einen Gedanken dahinter transportiert. Irgendwie lande ich am Ende immer bei dieser Mischung. Wenn ein Film gleichermaßen dramatische und humorvolle Momente hat, lässt er sich auch schwerer erklären. Dieser Film aber ist meiner Ansicht nach emotionaler als einige meiner früheren Filme. Der Zuschauer wird hier mehr Tränen vergießen können, und ich werde umso glücklicher sein, wenn ich im Kino die Zuschauer an Stellen lachen sehe, von denen ich hoffte, sie würden als lustig empfunden werden.
Viel Humor bringt Bill Nighy ein, mit dem Sie vorher bereits zusammengearbeitet hatten. Was zeichnet ihn als Schauspieler aus, das Sie in der Zusammenarbeit besonders schätzen?
Bill Nighy ist einfach unglaublich loyal und inspirierend. Darüber hinaus hat er einen sehr guten Geschmack. Und das nicht nur modisch im Hinblick auf seine Kleidung, sondern auch im Hinblick auf seine kreativen Entscheidungen als Schauspieler und auf sein Timing. Es macht einfach Spaß, für ihn zu schreiben, denn man hat bereits eine gewisse Vorstellung davon, wie er das Geschriebene später umsetzen wird. Beim Verfassen des Drehbuchs freut man sich bereits im Voraus, wie er das angehen wird. Er hat etwas an sich, das sonst niemand hat. Und seine Stimme ist meiner Ansicht nach ein ungewöhnlich guter dramaturgischer Motor, um Dinge zu erzählen, die hochemotional sein können. Gleichzeitig kann diese Stimme für Entspannung und Lachen, und nach etwas Ernstem für komische Auflockerung sorgen.
THE KINDNESS OF STRANGERS – KLEINE WUNDER UNTER FREMDEN ist ein Ensemblefilm mit vielen unterschiedlichen Stimmen und Schauspielern aus der ganzen Welt. Sie haben schon erwähnt, dass Sie bei den Dreharbeiten das kreative Miteinander sehr förderten. Wie gelang es Ihnen, diese unterschiedlichen Stimmen und Ansätze, die jeder Einzelne in dieses Projekt einbrachte, in Balance zu halten?
Alle Schauspieler, die sich diesem Projekt anschlossen und die ich unbedingt dabeihaben wollte, hatten schon in anderen Filmen bewiesen, wie gut sie unterschiedliche dramaturgische Töne und unterschiedliche Rollen meistern können. Ich wusste also bereits, dass sie außerordentlich talentiert waren, nur wenige schlechte Angewohnheiten hatten und in puncto Stoffauswahl anderen Dingen vertrauten. All das konnte ich in ihren früheren Arbeiten erkennen, ich konnte darauf bauen, dass sie sich zurechtfinden und mehr leisten würden, als ich mir ursprünglich vielleicht erhofft hatte. Trotzdem habe ich sie auch angespornt und animiert. Im Grunde weiß ich nicht genau, wie es letztlich gelang, ihnen zu vermitteln, welchen Erzählton ich für bestimmte Momente anstrebte. Denn man hat ja immer so wenig Zeit und kaum Gelegenheit für Proben. Das bestimmt auch das Tempo des Films. Weil es ein Ensemblefilm ist, gibt es viele Szenen, in denen sie nicht einmal gemeinsam zu sehen sind. Trotzdem muss man sie als eine Gruppe, als eine organische logische Einheit wahrnehmen und empfinden können. Das ist hier gelungen. Und verantwortlich dafür sind zum Teil die Schauspieler selbst mit ihrem Vertrauen, ihrer Kreativität und ihrem guten Geschmack.
Foto:
©
Info:
The Kindness of Strangers - Kleine Wunder unter Fremden (Dänemark / Kanada / Schweden / Deutschland / Frankreich 2019)
Originaltitel: The Kindness of Strangers
Filmlänge: 112 Min.
Drehbuch und Regie: Lone Scherfig
Darsteller: Zoe Kazan, Andrea Riseborough, Tahar Rahim, Caleb Landry Jones, Jay Baruchel, Bill Nighy u.a.
Verleih: Alamode Filmverleih
Abdruck aus dem Presseheft
dramaturgischen Maschine, verschmolzen. Es ging darum, all das in eine Geschichte einzubinden und dann hoffentlich ein Ende finden zu können, das optimistisch und voller Hoffnung ist.
Das Drehbuch haben Sie selbst geschrieben. Hat sich dadurch etwas verändert, beispielsweise Ihr Inszenierungsansatz? Sie hatten doch als Autorin mehr Einfluss auf die Struktur, mehr Kontrolle über den Stoff. Richtig?
Man denkt vielleicht, weil ich das Drehbuch geschrieben habe, hätte ich eine ziemlich ausgefeilte Vorstellung davon gehabt, wie sich alles entwickeln müsste. Tatsächlich war genau das Gegenteil der Fall. Denn ich hatte nicht mehr das Gefühl, den Autor verteidigen oder sicherstellen zu müssen, dass s Drehbuch im Verlauf des filmischen Prozesses intakt bleibt. Ich bin grundsätzlich sehr offen für das,was Schauspieler in einen Film einbringen können. Dieser Film ist mit Darstellern besetzt, deren Meinungen mich interessieren, deren instinktiv getroffene Entscheidungen ich wirklich mag. Die Schauspieler hatten also kreativ durchaus großen Einfluss, nicht zuletzt auch, weil ich nicht in meiner Muttersprache drehte. Gerade deshalb war es nötig, auf sie zu hören und von ihnen inspiriert zu werden. Wir arbeiteten hier ja mit klugen und brillanten Schauspielern. Jeder von ihnen war in der Lage, Ideen einzubringen, die besser als das waren, was im Drehbuch stand. Sie hatten also großen kreativen Freiraum.
Warum spielt diese Geschichte in New York, und nicht beispielsweise in Berlin oder London? Was war das Besondere an dieser Stadt, das Sie auf die Leinwand bringen wollten? Was war das richtige dramaturgische Umfeld für Ihre Geschichte?
Meiner Ansicht nach könnte sie in jeder Großstadt der westlichen Welt spielen. Wir sehen hier Fremde, die irgendwie verloren und in einer fast ausweglosen Lage sind. Diese Menschen begegnen sich - entweder zufällig oder, weil sie Hilfe von anderen benötigen. Und schließlich werden sie füreinander zu engsten Verbündeten. New York kann aber für jeden zu seiner Stadt, zur Hauptstadt, werden. New York ist international, extreme Schönheit und extremes menschliches Drama sind hier eng miteinander
verbunden. Deshalb war das für mich der richtige Schauplatz für diese Geschichte. Besonders beeindruckt haben mich Nächstenliebe und Barmherzigkeit – die Art und Weise, wie Menschen in New York anderen die helfende Hand reichen und dabei die Arme weit ausstrecken. Davon können wir Europäer meines Erachtens viel lernen.
Wenn man an Ihre bisherigen Filme denkt, gibt es immer diese interessante Mischung aus Komödie, Drama und Tragödie. Wie haben Sie das strukturiert, kontrolliert und ausbalanciert? In gewisser Weise steht die Figur von Bill Nighy beispielhaft für diese Mischung, aber auch die von Zoe Kazan dargestellte Figur weist wirklich tragische Aspekte auf. Wie haben Sie all das im Gleichgewicht gehalten?
Ich habe mehrere Jahre in England gearbeitet. Dadurch bin ich, glaube ich, noch furchtloser geworden, humorvolle, dramatische und emotional intensive Momente miteinander zu verschmelzen. Der Zuschauer hat damit kein Problem. In England ist es tatsächlich so, dass je tiefer die Menschen dort in einer Krise stecken, desto mehr Witze machen sie. Für mich ist das einfach ein Weg, mich mit ernsten Themen auseinanderzusetzen. Tatsächlich erlaubt mir die emotionale Tiefgründigkeit, Spaß zu haben und etwas Humorvolles entwickeln zu können, das nicht nur oberflächlich ist, sondern einen Gedanken dahinter transportiert. Irgendwie lande ich am Ende immer bei dieser Mischung. Wenn ein Film gleichermaßen dramatische und humorvolle Momente hat, lässt er sich auch schwerer erklären. Dieser Film aber ist meiner Ansicht nach emotionaler als einige meiner früheren Filme. Der Zuschauer wird hier mehr Tränen vergießen können, und ich werde umso glücklicher sein, wenn ich im Kino die Zuschauer an Stellen lachen sehe, von denen ich hoffte, sie würden als lustig empfunden werden.
Viel Humor bringt Bill Nighy ein, mit dem Sie vorher bereits zusammengearbeitet hatten. Was zeichnet ihn als Schauspieler aus, das Sie in der Zusammenarbeit besonders schätzen?
Bill Nighy ist einfach unglaublich loyal und inspirierend. Darüber hinaus hat er einen sehr guten Geschmack. Und das nicht nur modisch im Hinblick auf seine Kleidung, sondern auch im Hinblick auf seine kreativen Entscheidungen als Schauspieler und auf sein Timing. Es macht einfach Spaß, für ihn zu schreiben, denn man hat bereits eine gewisse Vorstellung davon, wie er das Geschriebene später umsetzen wird. Beim Verfassen des Drehbuchs freut man sich bereits im Voraus, wie er das angehen wird. Er hat etwas an sich, das sonst niemand hat. Und seine Stimme ist meiner Ansicht nach ein ungewöhnlich guter dramaturgischer Motor, um Dinge zu erzählen, die hochemotional sein können. Gleichzeitig kann diese Stimme für Entspannung und Lachen, und nach etwas Ernstem für komische Auflockerung sorgen.
THE KINDNESS OF STRANGERS – KLEINE WUNDER UNTER FREMDEN ist ein Ensemblefilm mit vielen unterschiedlichen Stimmen und Schauspielern aus der ganzen Welt. Sie haben schon erwähnt, dass Sie bei den Dreharbeiten das kreative Miteinander sehr förderten. Wie gelang es Ihnen, diese unterschiedlichen Stimmen und Ansätze, die jeder Einzelne in dieses Projekt einbrachte, in Balance zu halten?
Alle Schauspieler, die sich diesem Projekt anschlossen und die ich unbedingt dabeihaben wollte, hatten schon in anderen Filmen bewiesen, wie gut sie unterschiedliche dramaturgische Töne und unterschiedliche Rollen meistern können. Ich wusste also bereits, dass sie außerordentlich talentiert waren, nur wenige schlechte Angewohnheiten hatten und in puncto Stoffauswahl anderen Dingen vertrauten. All das konnte ich in ihren früheren Arbeiten erkennen, ich konnte darauf bauen, dass sie sich zurechtfinden und mehr leisten würden, als ich mir ursprünglich vielleicht erhofft hatte. Trotzdem habe ich sie auch angespornt und animiert. Im Grunde weiß ich nicht genau, wie es letztlich gelang, ihnen zu vermitteln, welchen Erzählton ich für bestimmte Momente anstrebte. Denn man hat ja immer so wenig Zeit und kaum Gelegenheit für Proben. Das bestimmt auch das Tempo des Films. Weil es ein Ensemblefilm ist, gibt es viele Szenen, in denen sie nicht einmal gemeinsam zu sehen sind. Trotzdem muss man sie als eine Gruppe, als eine organische logische Einheit wahrnehmen und empfinden können. Das ist hier gelungen. Und verantwortlich dafür sind zum Teil die Schauspieler selbst mit ihrem Vertrauen, ihrer Kreativität und ihrem guten Geschmack.
Foto:
©
Info:
The Kindness of Strangers - Kleine Wunder unter Fremden (Dänemark / Kanada / Schweden / Deutschland / Frankreich 2019)
Originaltitel: The Kindness of Strangers
Filmlänge: 112 Min.
Drehbuch und Regie: Lone Scherfig
Darsteller: Zoe Kazan, Andrea Riseborough, Tahar Rahim, Caleb Landry Jones, Jay Baruchel, Bill Nighy u.a.
Verleih: Alamode Filmverleih
Abdruck aus dem Presseheft