iuKODPZCLIBewusstseinsspaltung: vertriebene Menschen der Flucht ausgrenzen, dabei nur ‚volksdeutschen‘ Bedürftigen helfen und damit rechte Politik machen

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexoresso) - Immer wieder schwere Exzesse im Osten Deutschlands, bei übelsten verbreiteten Schmähungen – und Abreaktionen – gegen die wenigen Geflüchteten im Land, wie auch gegen antirassistisch Gesinnte und Linke.
 
Die sächsischen Ausschreitungen datieren schon aus den ersten Tagen der Maueröffnung 

Günther Grass hatte es gleich vorausgesagt und so kam's denn auch. Nach wenigen Tagen der Freiheit marschierten Glatzen über den leis gestellten Bildschirm und grölten: Deutschland den Deutschen - Ausländer raus! Dabei gab es kaum welche. Delikat wie das Leben so spielt, verbinden sich diese Eindrücke im Flashback mit dem gleichzeitigen Beischlaf mit der neuen Freundin. Wer kann einem verdenken, dass wir hernach – und bis dato – uns vom Osten fernhielten (von Berlin aber abgesehen). Unterschwellig lauert jederzeit die tödliche Gefahr, unvermittelt Glatzen gegenüberzustehen, die Naziparolen schreien und brutal vorgehen. Wie muss das bei Geflüchteten ankommen, die sich unvermittelt mit solcherart Gestalten konfrontiert sehen.
 
Gewaltbereite rechte Umtriebe machen den Osten zur No-Go-Area
 
Das Magazin Kontraste hat das widerliche Gebaren der Dresdner Rechten und neuen Nazis im Umkreis von Bachmann und Dresdner völkischen Projekten vor einigen Tagen aufgegriffen. Im Mittelpunkt: der Rechtsradikale Ingolf Knajder, Vorsitzender des Vereins: ‚Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen‘. Er betreibt Bedürftigen-Speisung nach nationalsozialistischem Vorbild: vorgeblich uneigennützige soziale Hilfe für deutschstämmige Obdachlose und Bedürftige leisten, Geflüchtete und Eingewanderte aber ausnehmen. Die Vermutung ist begründet: es wird Soziales mit neofaschistischem ‚Gedankengut‘ legitimierend fusioniert. Zu diesem Zweck wurde auch schon der ‚Heimathonig‘ beim Verein vorbeigebracht.
 
Herr Ingolf Knajder tönt mit Hasstiraden gegen den Islam, sein Feindbild. „Deutschland erwache und befreie dich von den Fesseln des Islam! Gott schütze uns vor dem Islam!“ – Frage: wo liegt der bedeutsame Unterschied zwischen dem Islamismus und den Wahn-Systemen der Rechtsaußen? Der Islam ist eine der legitimen Weltreligionen, davon zu unterscheiden ist seine Verfallsform, der Islamismus. Auch das Christentum hatte Perioden der Verfehlung. Der Islam muss aber als Feindbild herhalten.
 
Gegen links, das muss auch sein: „Schlagt den linken Mob die Fresse ein und lasst das arbeitsscheue vollgekiffte Sozialschmarotzergesindel ausbluten“. – „Tod den linken und roten Bastarden!“
 
Vize Uwe Riedel ist ein ebensolcher Pöbler vor dem Herrn, im Ungeist der Suada eines Göbbels: „...man kann nur noch das System stürzen und dieses Drecksgesindel von „Politikern“ aufhängen...mehr Volksverrat geht nicht“.

Jetzt behauptet Knajder doch tatsächlich, sein Facebook-Account sei gehackt worden. Das Magazin beschließt den Schwall der wiederholten Ausfälle mit den Worten: In seiner Heimatstadt komme Knajder mit solchen Argumenten durch. Selbst im Rathaus. Der stellvertretende Fraktionschef der CDU, Peter Krüger, ist seit Jugendtagen mit ihm befreundet und spendet regelmäßig für den Verein. Und wer spendet auch? Der Dresdner Stollenbäcker Emil Reimann, der zur goldigen Weihnachtszeit tegut und Rewe beliefert.

CDU-Krüger beruhigt sich selbst mit der Bemerkung: „Da lässt er sich leider gern dazu mal hinreißen“, gibt aber zu: „Ich verfolge im Internet auch mit Grausen...“. - „Doch ich sage unter Freunden, dass er manchmal ein bisschen überzieht“. Darf so gesprochen werden, wenn belegt ist, dass der Vorsitzende schon neben dem Kriminellen Lutz Bachmann stehend zu sehen war, während das Widerstand, Widerstand! aus tiefer Kehle gebrüllt wurde und der Vorsitzende auch schon mal gefilmt wurde, als er wütend auf Linke und Demonstranten zustürmte und versuchte ihnen das Transparent zu entreißen, beim geschrienen „Pöbel raus, Pöbel raus!“
 
Gegen beide Exponenten der ultrarechten Szene ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung: „Den Beschuldigten liegt zur Last in einer Vielzahl von Fällen ausländische Mitbürger in einer Wese beleidigt zu haben, die geeignet sein kann, den öffentlichen Frieden zu gefährden“.

 
Die Helfer aus dem Umfeld wirken abschreckend auf Westler und Touristen
 
Der Verein hat eine lange Liste von Sponsoren. Alles halb so schlimm? So fragt das Magazin und verweist darauf, dass die neue Ballsportarena dem braunen Verein für das Weihnachtsessen kostenlos zur Verfügung stehe. Den Service übernähmen die Handballer des Bundesligisten HC Elbflorenz. „Und durchs Programm führt die im Osten populäre Schlagersängerin Linda Feller“. Sie singt Weihnachtslieder mit Jugendlichen im Stil des „Freue Dich, s'Christkind kommt bald...“.

Ein gewisser Michael Schäfer ward gesehen, wie er sich für den fremdenfeindlichen Verein nett neben der Gulaschkanone für Obdachlose aufbaute. Er ist ehemaliger Neonazi-Kader und „Mitglied einer militanten Kameradschaft und [war] sechs Jahre lang Bundesvorsitzender der NPD-Jugend“. Knajders Verein weist auch Bezüge zum völkischen Projekt Einprozent.de. auf und kooperiert mit diesem. Er bedankt sich für die Gulaschkanone, die Einprozent.de zur Verfügung gestellt habe. An der sozialen Gulaschkanone klebt die Losung: ‚Sichere Grenzen, innere Sicherheit‘.
 
Klaus Dörre von der Universität Jena kommentiert: „Man will sich als Kümmerer-Organisation darstellen, nah bei den Menschen sein, in Kontakt kommen...“.- Hierzu lautet der von Knajder vor der Kamera gesprochene Zusatz des Vereins: „...und deshalb müssen die, die wir nicht gebeten haben, die nicht zu uns passen, draußen bleiben“.
In der Halle präsentiert sich ein Glatzköpfiger mit der Rückenaufschrift: ‚Division Sachsen‘, ein anderer profiliert sich mit einem schwarz-rot-gelben Hosenträger.

 
Der von 1933 bis 1989 (und länger) unter staatlichen Zwang gepresste Osten hat ein Problem mit der Vielfalt der Art(en) und der Freiheit des Menschen
 
Vor fünfzig Jahren schrieb die FR, dass es einige gebe, die die Vielfalt einfach nicht ertragen können. Vieles, was man behalten wollte, wurde im genauen Wortlaut doch vergessen, die besagte Formulierung aber blieb immer haften. Das Geheimnis der Entwicklung, nach Darwin, ist das „Feuerwerk der Diversität“ (Jenny Mansch) und nicht die Auslese oder sozialdarwinistisch gesagt, der ‚Daseinskampf‘. So und nicht anders geht eine Erfolgsgeschichte.
 
Wer Dauerstress hat, neigt dazu, den gesellschaftlich verordneten Kampf aller gegen alle als unvermeidlichen Daseinskampf zu propagieren und zu ideologisieren. Das fördert Feindbilder. Das Bewusstsein verfinstert sich und wechselt in die permanente Kampfstellung. Die Entwicklung der Arten beschreibt einen Strom von kosmischem Ausmaß. Diversität ist schon in der anorganischen Materie angelegt und wartet nur auf Gelegenheiten. Alles drängt und treibt über unübersehbare Zeiten zum Dasein und Wohlsein, um eine Sentenz Schopenhauers zu bemühen; sie setzt beim Axiom der Welt als Wille und Vorstellung (Intellekt) an. Wille und Vorstellung stehen einander in Vermittlung, aber sie reiben sich auch. Daraus treten Zivilisation und Kultur hervor.
 
Ach, was sind diese Rechten doch für schaurige Gestalten, und was ist dagegen ein Chuck Berry doch für ein herrlicher, ja großartiger Mensch, wenn er das Roll over Beethoven anzuspielen sich anschickt, wie begnadet überlegen und leichthändig ist sein Griff und Gitarrenanschlag, wie erregend treibt er die Rhythmusfolge voran, während er in die Spreizung der Beine geht und zwischen diesen die Gitarre locker bespielt, wie einzigartig ist sein Duck-Walk und das Hüpfen auf einem Bein – das andere nach vorne gestreckt - und wie herzerfrischend auch das Duo mit dem Bassisten, während beide in die Hocke gehen und am Ende die Gitarrenhälse kreuzen. 1972 hat sich das Fernsehen nicht getraut, ihn zu zeigen, weil er eine so dunkle Hautfarbe hatte und gar zu bunt angezogen war. 2016 hat 3sat das nachgeholt ('Die ungesendeten Songs'). Wie traurig aber, dass er 2017 von uns gehen musste.

Foto:
© aljazeera.com

Info:
Magazin Kontraste: ‚Wie Rechte Bedürftigen helfen und damit Politik machen‘, ARD, 12.12.2019