Eine Reise zu den letzten Überlebenden des Holocaust, Filmpremiere und Gespräch im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, Teil 1/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein langer Frühabend, den man nicht vergißt. Eingeladen hatte der Zentralrat der Juden, durch die Veranstaltung selbst führte Sabena Donath, die Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrats.
Schon ihre Zuständigkeit zeigt auf, daß es beim Thema der Judenverfolgung, der Judenvernichtung durch das Dritte Reich, auch immer um Bildung, also das Wissen um den Holocaust und seine Einordnung im Leben der Menschen und der betroffenen Länder geht. Auch um politische Bildung der Nachgeborenen also, nämlich, welche Schlüsse aus diesem entsetzlichen, immer wieder von Neuem undenkbaren, aber tatsächlich verübten Menschenverbrechen gezogen werden müssen.
Da war es eine gute Idee, mit einem für das Fernsehen (ZDF) produzierten Film zu beginnen, der wiederum die Entstehung eines Buches zum Thema hat, das die letzten Zeitzeugen in Wort und Bild darstellt, also die, die die Konzentrationslager überlebten, wofür symbolisch der 27. Januar 1945 , der Tag der Befreiung der Auschwitzhäftlinge durch die Rote Armee steht.
Wie geht man damit als Nachgeborener um - grundsätzlich als Täter- wie als Opfernachkomme, - bleibt die zentrale Frage, die für die jüdischen Gemeinden allein die Opferseite bedeuten, wie gestaltet sich Erinnern und Gedenken, eines, das inhaltlich wirkt und nicht zur Worthülse verkommt. Das war Thema des Abends - und doch, alles wird überschattet, aber auch überstrahlt von den Menschen, den zu Zeugen der Verbrechen gewordenen Überlebenden, die man auf der Leinwand erlebt.
Doch zuerst die Beteiligten und der Ablauf des Abends, der mit Sabena Donath und ihrer thematischen Einstimmung begann.. Daß der für das Grußwort angekündigte Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann mit Fieber im Bett liegt, ließ alle aufhorchen, die ihn gerade in den letzten Tagen bei seinen Touren vom IHK-Jahresempfang nach Davos zum Wirtschaftsgipfel, danach nach Berlin zum VDA, um die IAA als Automesse für Frankfurt zu retten, erleben konnten – WELTEXPRESSO berichtete über alle drei Veranstaltungen. Aufhorchen deshalb, weil er heute um 13 Uhr in der Paulskirche zum Frankfurter Gedenken des Holocausttages eingeladen hat und dort sein wird, wie krank er auch ist, da bin ich sicher. Er hatte zudem im Frankfurter Bürgermeister Uwe Becker einen guten Vertreter, der somit sein Grußwort in doppelter Funktion sprach; er ist nämlich auch Beauftragter für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus der Landes Hessen.
Vera Szackamer war als Präsidiumsmitglied für den Zentralrat der Juden gekommen - , der zudem eine Presseerklärung zum heutigen Gedenktag herausgebracht hat, die wir zu bekommen versuchen – und brachte dessen gute Wünsche mit nach Frankfurt. Harry Schnabel, der in Frankfurt im Vorstand der Jüdischen Gemeinde auch für Bildung zuständig ist, zudem Delegierter für das Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland ist, befeuerte den Bildungsauftrag. Sohn einer Überlebenden, deren Vater sich wie viele Juden einen Tapferkeitsorden, das Eiserne Kreuz, im Ersten Weltkrieg verdient hatte, was ihm wie allen anderen nichts nützte. Er wurde in Auschwitz ermordet und daß seine Tochter, die dies später ihrem Sohn erzählte, überlebt hat, als eine von fünf Juden aus Köln, verdankt sich einem technischen Problem: es gab Lieferschwierigkeiten beim Gas. Kein Gas, keine Vergasung. Es stockt einem der Atem und das Blut gefriert. Aber sie hat überlebt. Und hat geschwiegen.
Insgesamt geht es um das Schweigen, weil den meisten Überlebenden das Grauen so in den Knochen sitzt, in der Seele sowieso, daß es unsagbar wurde. Wie viele sind zudem daran zerbrochen, empfanden als Schuld, daß sie weiterleben dürfen und die vielen Millionen nicht.
Uwe Becker fragte in seinem Grußwort, wo denn in der jungen Generation nach den Demonstrationen zum Klima die notwendigen Demonstrationen zum gesellschaftlichen Klima blieben, denn allein der Hauch von Auschwitz müsse doch die Menschen ob der Kälte aufschrecken. In den Medien müsse mehr über jüdisches Leben berichtet werden. Und man müsse deutlicher bestimmten Leuten Fragen stellen und ihre Aussagen kommentieren. Wenn beispielsweise besagter Gauland die Naziverbrechen des organisierten Massenmords an Juden als Vogelschiß in der Geschichte – der ‚tausendjährigen‘ Geschichte dazu, pfui – bezeichne, dann sei das zwar nicht im Sinne der Strafprozeßordnung justiziabel, aber er geselle sich damit faktisch zu den Holocaustleugnern. Großer Beifall.
Fortsetzung folgt.
Fotos:
Sabena Donath, die Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrats
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