kpm Lufthansa parkt Maschinen auf der Nordwest Landebahn des Frankfurter Flughafens.jpgCorona und Kapitalismus

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In der Corona-Krise zeigt sich, dass euphemistische Schlagworte wie „Globalisierung“ nicht kritisch genug hinterfragt werden.

Leider auch nicht von den Qualitätsmedien (öffentlich-rechtlicher Rundfunk, FR, SZ und wenige andere). Die Politik tut es mehrheitlich gar nicht, weil sie längst von Interessensvertretern des Neoliberalismus korrumpiert wird. Ähnliches gilt für „soziale Medien“, die nichts anderes sind als Entmündigung durch Digitalkonzerne unter zwar weitgehend freiwilliger, aber völlig unreflektiert gegebener Zustimmung der Betroffenen.

Wenn Unternehmen Teilbereiche ihrer Produktion nach Asien auslagern, geschieht das nicht aus Solidarität mit den Menschen. Es gibt nur einen Grund: Man kann dadurch Kosten einsparen, weil die Löhne in diesen Ländern weit unter dem Niveau der EU rangieren und die Produktionsbedingungen lediglich formal, also faktisch unwirksam, von den Behörden kontrolliert werden. Selbst der weite Transportweg per Container-Schiff (in machen Segmenten sogar per Luftfracht) ändert an der Kostenstruktur nichts. Die Folgen dieser Energieverschwendung durch überflüssige Transporte (einschließlich des Personentransfers) und deren Kosten werden ohnehin den Verbrauchern aufgedrückt.
Diese Just-in-Time-Produktion ist zudem untrennbar mit den Gefahren einer Just-in-Time-Infizierung durch gesundheitsgefährdende Stoffe und Viren verbunden. Selbst die Produktion vor Ort dient vorrangig der Vermarktung von Technologien, die in Europa wegen des dort wachsenden ökologischen Bewusstseins objektiv kaum noch eine Zukunft haben (z.B. kraftstofffressende SUVs). All das ist bekannt. Und dennoch handelt man unbeirrt gegen die elementaren Lebensinteressen des größten Teil der Menschheit.

Wird dieser rein profitwirtschaftliche Kreislauf durch eine Pandemie (wie jetzt durch Corona) gestört, scheint das Verursacherprinzip nicht mehr zu gelten. Dann sollen die Verluste verstaatlicht werden. Vor allem Unternehmen wie VW, BMW und Daimler erwarten von der Bundesregierung massive finanzielle Hilfen. Dass deren Führungsetagen wegen der geschäftsmäßigen Manipulation von Abgasreinigungen alle Voraussetzungen des § 129 Strafgesetzbuch (Bildung krimineller Vereinigungen) erfüllen, scheint plötzlich keine Rolle mehr zu spielen.

Obwohl die Weltgesundheitsorganisation der UNO am 30. Januar dieses Jahres bereits wegen des Covid-19-Virus die „internationale Gesundheitsnotlage“ ausrief (zunehmende Infizierungen in China mit Todesfällen sowie ersten Betroffenen in Thailand), blieb das auf den Luftverkehr mit den ihm innewohnenden Gesundheitsrisiken ohne erkennbare Auswirkungen. Auch die auf den Philippinen und in Italien (!) aufgetretene Erkrankungen in den folgenden zwei Wochen hörten sich wie Nachrichten aus einer fernen und unerreichbaren Welt an. Soweit mir bekannt, gab es noch nicht einmal im Ansatz Überlegungen zur Schließung der deutschen Flughäfen. Die Devise „Wachstum um jeden Preis“ wurde nicht infrage gestellt. Mittlerweile parken auf der Nordwest-Landesbahn des Frankfurter Flughafens zurzeit Dutzende nicht benötigte Maschinen. Dieses Bild ist wirkungsvoller als jede Satire.

Nach dem Stand von heute, 22. März, befinden sich immer noch etwa 100.000 Deutsche im außereuropäischen Ausland. Was hat diese Menschen zu Urlauben in potentiell gefährdeten Regionen veranlasst? War niemand dazu in der Lage, einen Atlas zu lesen? Werden Nachrichten nur dann wahrgenommen, wenn sie mit RTL-Softpornos durchsetzt sind? Warum haben Schulen in Deutschland Klassenfahrten im Februar und März nicht abgesetzt?

Mittlerweile fürchte ich mich vor der gesellschaftlichen Dummheit (auch symbolisiert durch Hamsterkäufe) mindestens so sehr wie vor dem Covid-19-Virus. Und ich ärgere mich über die Unverschämtheit eines Teils der Schlüsselindustrie. So gibt mir Corona Anlass, erneut die Systemfrage zu stellen und eine entschädigungslose Enteignung aller zu verlangen, die das Leben der Menschen nicht als das höchste Gut achten.

Foto:
Die Lufthansa parkt Maschinen auf der Nordwest-Landebahn des Frankfurter Flughafens
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