Constanze Weinberg
Buxtehude (Weltexpresso) - In grauer Vorzeit schickte man gute Freunde spaßeshalber „in den April“. Aber so war die Überschrift, „Das Bündnis hat einen neuen Feind“, nicht gemeint, mit der eine norddeutsche Regionalzeitung ihre Leser am 2. April für das Verhältnis zwischen dem westlichen Militärbündnis und dem neuartigen Coronavirus zu interessieren versuchte.
Eine gewisse Erleichterung schwingt in der Überschrift mit, war der Nato doch als Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion der Hauptfeind abhanden gekommen. An der daraufhin einsetzenden Sinnkrise hat das Bündnis lange gelitten, bis dann zur Erleichterung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Militärs in Gestalt bewaffneter Interventionen außerhalb des Bündnisgebietes ein Äquivalent geschaffen wurde. Im Bedarfsfall erteilte sich die Nato selbst die Erlaubnis, wie der ohne UN-Mandat erfolgte völkerrechtswidrige Überfall auf Jugoslawien gezeigt hat. Zwischenzeitlich verschaffte die unter tätiger Mitwirkung des russischen Präsidenten Putin erfolgte Sezession der Krim von der Ukraine der Nato-Propaganda eine gewisse Erleichterung. Auf Dauer gab das Thema aber nicht genug her, um die Forderung der USA, alle Mitgliedsstaaten müssten zwei Prozent ihres jährlichen Bruttosozialprodukts zur Finanzierung der Allianz bereitstellen, glaubhaft zu begründen.
Insofern kam die Coronakrise gerade recht. „Die laufende Diskussion über die Höhe der Nato-Beiträge der Mitgliedsstaaten stellt sich künftig in einem ganz neuen Licht“, konstatiert der Verfasser des erwähnten Artikels. Die Nato habe nie ein Hehl daraus gemacht, heißt es darin, für jede Form von Angriff zuständig zu sein. Die Pandemie müsse das Bündnis jetzt verändern. Es müsse darüber nachgedacht werden, welche Rolle es bei einer zivilen Bedrohung spielen könne – und müsse. Das werde zwar nicht zu einer Veränderung der Aufgabenstellung, ganz sicher aber der Fähigkeiten und der Kapazitäten für Hilfe und Unterstützung führen.
Das würde, anders ausgedrückt, die Einmischung der Nato in innere Angelegenheiten souveräner Staaten bedeuten.. Deutsche Soldaten könnten zur Bekämpfung einer tatsächlichen oder vermeintlichen zivilen Gefahr in ein anderes Land geschickt werden. Mit Blick auf die jüngere deutsche Geschichte eine pikante Vorstellung. Bei der Bereitstellung von medizinischem Gerät dürfte es dann kaum bleiben. Es könnte auch zum Einsatz gepanzerter Fahrzeuge der Nato bei Streiks oder Blockade-Aktionen wie unlängst der Gelb-Westen in Frankreich kommen. Braucht es darauf wirklich eine Antwort der Nato-Außenminister? Müssen sie sich wirklich mit der Frage beschäftigen, wofür die Allianz eingesetzt werden kann und darf, wenn ihre Mitglieder von einem unsichtbaren Feind wie einem Virus attackiert werden? Müssen sie sich wirklich den Kopf darüber zerbrechen, wie viele ihrer schnellen Eingreiftruppen und Sonderbrigaden sie für die Herausforderungen auf eigenem Boden abziehen sollen?
Zur Zeit des schwäbischen, im kaiserlichen Dienst stehenden Landsknechtsführers Georg von Frundsberg (1473-1528) mag der Spruch „Viel Feind’, viel Ehr’“ etwas gegolten haben, doch auch bei ihm siegte am Ende die bessere Einsicht: „Drei Dinge sollten jedermann vom Krieg abschrecken: Die Verderbung und Unterdrückung der armen, unschuldigen Leute, das unordentliche und sträflich Leben der Kriegsknechte und die Undankbarkeit der Fürsten.“
Statt über die Nato als Verbündeter im Kampf gegen das Coronavirus nachzudenken, sollten die Außenminister des Bündnisses die Gelegenheit nutzen, die geplanten Mehrausgaben für die Nato jenen Forschungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, die sich der Bekämpfung des unsichtbaren Feindes widmen, der die Menschheit auf bisher beispiellose Weise bedroht.
Wilhelm IV. irrte sich, als er meinte „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten.“ Auch gegen Viren helfen Soldaten nicht.
Foto:
Georg von Frundsberg
© de.wikipedia.org
Zur Zeit des schwäbischen, im kaiserlichen Dienst stehenden Landsknechtsführers Georg von Frundsberg (1473-1528) mag der Spruch „Viel Feind’, viel Ehr’“ etwas gegolten haben, doch auch bei ihm siegte am Ende die bessere Einsicht: „Drei Dinge sollten jedermann vom Krieg abschrecken: Die Verderbung und Unterdrückung der armen, unschuldigen Leute, das unordentliche und sträflich Leben der Kriegsknechte und die Undankbarkeit der Fürsten.“
Statt über die Nato als Verbündeter im Kampf gegen das Coronavirus nachzudenken, sollten die Außenminister des Bündnisses die Gelegenheit nutzen, die geplanten Mehrausgaben für die Nato jenen Forschungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, die sich der Bekämpfung des unsichtbaren Feindes widmen, der die Menschheit auf bisher beispiellose Weise bedroht.
Wilhelm IV. irrte sich, als er meinte „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten.“ Auch gegen Viren helfen Soldaten nicht.
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