Corona CDC AlissaEckert Head 1024x400Aus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 26

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Auf die nächsten größeren Öffnungsschritte müssen Menschen in Deutschland weiterhin warten. Bei den heutigen Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten fielen keine weitreichenden Entscheidungen über Lockerungen. Die Gefahr durch die Corona-Pandemie sei noch lange nicht gebannt, sagte Merkel. Deshalb bleibe Vorsicht das Gebot. “Es muss weiter unser Leitgedanke sein, die Zahl der Infizierten noch weiter zu senken“, so Merkel.

Einzelne Lockerungen wurden dennoch vereinbart, etwa für Spielplätze, Kultureinrichtungen und Gotteshäuser. Die Entscheidung darüber liege aber letztlich bei den Ländern, sagte die Kanzlerin. Sie verwies erneut auf die verschiedenen regionalen Voraussetzungen in Deutschland. Wir geben Ihnen einen Überblick darüber, was genau Bund und Länder in der Schaltkonferenz beschlossen haben. Was sonst noch in Europa und der Welt passiert ist, haben wir wieder für sie zusammengefasst.



Die Lage in Deutschland

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat heute die neuesten Beschlüsse von Bund und Ländern in der Corona-Krise vorgestellt. Für die Eindämmung des Coronavirus sei eine gemeinsame Strategie nötig, forderte Merkel im Anschluss an ein Gespräch mit den 16 Ministerpräsidenten. Wichtig sei es zudem weiterhin, Distanz zu halten und die Regeln zu beachten. Die Kanzlerin sprach von einer gewaltigen Herausforderung für die Bürger und alle Ebenen des Landes, für die es „keinerlei Vorlage gibt“. Wichtig sei vor allem, die Infektionsketten nachzuvollziehen.

Weitreichende Lockerungen wurden nicht beschlossen, die geltenden Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Leben bleiben vorerst weitgehend bestehen. Bund und Länder einigten sich aber, unter bestimmten Abstands- und Hygieneregeln wieder Gottesdienstbesuche zu erlauben. Auch religiöse Feste wie Taufen, Beschneidungen oder Hochzeiten sowie Trauergottesdienste im kleinem Kreis sollen unter diesen Bedingungen wieder möglich sein. Auch Spielplätze, Museen und Zoologische Gärten können unter Auflagen wieder geöffnet werden. Großveranstaltungen bleiben, wie bereits zuvor beschlossen, bis 31. August bundesweit untersagt. Zudem verständigte man sich, nicht mehr so viele Intensivbetten und Kapazitäten für Corona-Patienten freizuhalten. Die Infektionsentwicklung und eine präzise Übersicht per Register ließen es zu, einen „etwas größeren Teil“ der Kapazitäten wieder für planbare Operationen zu nutzen.

Über weitere Öffnungsschritte werde bei den nächsten Gesprächen am 6. Mai beraten. Dann wollen Bund und Länder auch über „Vorschläge für Rahmenbedingungen schrittweiser Öffnungen von Gastronomie- und Tourismusangeboten und für die weiteren Kultureinrichtungen“ beraten. Bis dahin werden auch Entscheidungen über die Öffnung von Schulen und Kitas sowieso die Fortsetzung der Fußball-Bundesliga vertagt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lobte, dass Bund und Länder bislang „klug agiert“ hätten. Deutschland habe den „Stresstest bestanden“, der aber noch nicht vorbei sei. „Corona ist ein Marathon, von dem wir nicht wissen, wo das Ziel ist“, warnte Söder.

Wie groß das Ausmaß der Krise auf die Wirtschaft ist, zeigen die neuen Zahlen zum deutschen Arbeitsmarkt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im April 308.000 Menschen mehr arbeitslos als noch im März und 415.000 mehr als im April 2019. Insgesamt sind damit offiziell 2,644 Millionen Menschen in Deutschland erwerbslos, das entspricht einer Quote von 5,8 Prozent. Im Vergleich zum März ist das ein Anstieg um 0,7 Punkte und im Vergleich zum April des Vorjahres um 0,9 Punkte. „Die Corona-Krise dürfte in Deutschland zur schwersten Rezession der Nachkriegszeit führen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Detlef Scheele. Erstmals in der Nachkriegszeit sei die Arbeitslosigkeit in einem April gestiegen.

Zugleich stellten Unternehmen Anträge auf Kurzarbeit für gut zehn Millionen Arbeitnehmer – „eine nie dagewesene Zahl“, wie der Chef der Bundesagentur sagte. Im März und bis zum 26. April wurden demnach bei den Arbeitsagenturen 751.000 Anzeigen für insgesamt 10,1 Millionen Arbeitnehmer erfasst. Damit wurden alle Prognosen von Volkswirten bei weitem übertroffen. Zum Vergleich – in der Finanz- und Wirtschaftskrise waren im Jahr 2009 Kurzarbeitsanzeigen für 3,3 Millionen Menschen eingegangen. 1,4 Millionen Menschen bezogen damals schließlich Kurzarbeitergeld. Arbeitsminister Heil versuchte dennoch, Optimismus zu verbreiten. Die Kurzarbeit bezeichnete er als „stärkste Brücke“ in der Krise. Es sei ein bewährtes Instrument, zwar kein schönes, aber ein sehr gutes im Vergleich zur Arbeitslosigkeit. 10,1 Millionen sei eine „heftige“ Zahl, er halte dies aber nicht für den Dauerzustand, so Heil.

Ähnlich wie Ministerpräsident Söder verglich auch das Robert-Koch-Institut (RKI) die Corona-Pandemie mit einem Marathon. Deutschland stehe auch nach mehr als zwei Monaten am Anfang eines Marathons, von dem niemand wisse, wann er zu Ende gehe, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Eine zweite oder dritte Infektionswelle halte eine Mehrheit der Wissenschaftler nicht für ausgeschlossen. Neue Erkenntnisse stellte das RKI auch bezüglich der Sterberate vor. Diese sei seit Ende März von 0,8 auf 4 Prozent gestiegen. „Wir sehen, dass die Übersterblichkeit steigt in Deutschland“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Er fügte außerdem hinzu: „Wir gehen eigentlich davon aus, dass mehr Menschen daran gestorben sind, als eigentlich gemeldet.“ Dazu gebe es aber noch keine belastbaren Zahlen. Insgesamt sind demnach bislang 6288 Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Der Altersdurchschnitt lag bei 81 Jahren. Das RKI empfahl zudem häufigere Tests bei Risikogruppen, etwa in Krankenhäusern und Altersheimen und eine Ausweiterung der Tests für Patienten mit leichten Symptomen.


Die Lage in Europa

Nicht nur in Deutschland, auch in Europa hinterlässt die Corona-Krise ihre Spuren. Nach ersten Schätzungen der Statistikbehörde Eurostat verzeichnet die europäische Wirtschaft den schwersten Einbruch seit Jahrzehnten. Demnach sank die Wirtschaftsleistung in der Eurozone aus 19 Staaten im ersten Quartal um 3,8 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Vierteljahr. In der gesamten EU aus 27 Staaten schrumpfte die Wirtschaft im Zeitraum von Januar bis März um 3,5 Prozent. In beiden Fällen seien dies die stärksten Rückgänge seit Beginn der Erfassung im Jahr 1995.

Gleichzeitig veröffentliche Schätzungen nationaler Statistikbehörden zeigten sogar noch deutlich höhere Einbrüche. In Frankreich ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 5,8 Prozent zurück. Dies ist laut der Statistikbehörde Insee der stärkste Einbruch seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1949. Im besonders stark von der Pandemie getroffenen Spanien schrumpfte die Wirtschaft zu Jahresbeginn um 5,2 Prozent. Belgien verzeichnete nach einer ersten Schätzung im ersten Quartal einen Einbruch von 3,9 Prozent. Deutschland legt seine Daten für die ersten drei Monate erst Mitte Mai vor.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) prognostizierte nun eine schwere Rezession in der Eurozone. Nach Angaben von EZB-Chefin Christine Lagarde dürfte die Wirtschaftsleistung in den 19 Ländern der Währungsunion im Gesamtjahr um fünf bis zwölf Prozent einbrechen. Im letzten Quartal vor der Corona-Krise Ende 2019 hatte die Wirtschaft in der Eurozone noch einen leichten Zuwachs um 0,1 Prozent verzeichnet. In der gesamten EU waren es 0,2 Prozent.


Die Lage in der Welt

In den USA sind die Prognosen ebenfalls düster. Dort haben seit März mehr als 30 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der Woche bis einschließlich 25. April belief sich nach Angaben des US-Arbeitsministerium auf 3,8 Millionen. In den fünf Wochen zuvor hatten bereits 26,4 Millionen Menschen ihren Job verloren – so viele wie nie zuvor in solch kurzer Zeit. Die neue Gesamtzahl lag damit bei 30,2 Millionen seit Mitte März. Vor der Zuspitzung der Pandemie hatte die Zahl der Erstanträge noch regelmäßig unter 100.000 pro Woche gelegen. Die Arbeitslosenquote lag im Februar noch bei extrem niedrigen 3,5 Prozent. Nun gehen Experten von einem Anstieg auf rund 15 Prozent aus. Ein genauer Wert wird für Ende kommender Woche erwartet.

Negative Rekordzahlen meldet auch Russland. Das Land verzeichnete den bisher größten Anstieg neuer Infektionen: Innerhalb von 24 Stunden wurden knapp 7100 neue Fälle diagnostiziert. Damit liegt Russland jetzt beim Anstieg der Ansteckungen in Europa an der Spitze. Insgesamt wurden bisher 106.498 Fälle registriert, die Zahl der Toten im Zusammenhang mit Covid-19 überstieg die Marke von 1000. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuletzt wegen der dramatischen Lage die arbeitsfreie Zeit und die Ausgangsbeschränkungen in Russland bis zum 11. Mai verlängert. Putin räumte zudem Defizite im Gesundheitssystem ein. Viele Ärzte und medizinisches Personal klagen über fehlenden Schutz und Überlastung.

Als eines der letzten offiziell noch coronafreien Länder hat außerdem das zentralasiatische Tadschikistan erste Corona-Infektionen gemeldet. In der Hauptstadt Duschanbe und in einer angrenzenden Region seien 15 Fälle bestätigt worden, teilte die Regierung der Ex-Sowjetrepublik mit.

Vorerst aufatmen können Menschen dagegen in Südkorea. Zum ersten Mal seit dem ersten Auftreten des neuartigen Coronavirus gab es in dem Land keine neuen, vor Ort übertragenen Infektionen, teilten die Gesundheitsbehörden in Seoul mit. Südkorea war zu Beginn der Pandemie das nach China am zweitstärksten von dem Virusausbruch betroffene Land weltweit. Durch umfangreiches Testen, das Nachverfolgen von Kontakten und eine allgemein weitgehend beachtete Kontaktsperre konnte der Ausbruch nun vorerst unter Kontrolle gebracht werden. Auch in anderen Regionen Asiens konnte das Virus weitgehend eingedämmt werden: In Hongkong wurden seit fünf Tagen keine neuen Infektionen diagnostiziert, in Taiwan seit vier Tagen.


Die Lage an den Börsen

Nachdem der Dax im frühen Handel zunächst die Marke von 11.200 Punkten übersprungen hatte, wirkte sich insbesondere die warnende Prognose der Europäischen Zentralbank zur europäischen Wirtschaftsleistung negativ aus: Der Dax beendete den letzten Tag der verkürzten Handelswoche mit minus 2,22 Prozent und schloss bei 10.861,64 Punkten. Das Wochenplus beläuft sich damit immer noch auf rund 5 Prozent. Im gesamten Monat April hat sich der deutsche Leitindex damit um etwas mehr als 9 Prozent erholt, nachdem er allerdings wegen der Corona-Krise zwischenzeitlich bis zu 40 Prozent eingebrochen war. Der MDax verlor 1,55 Prozent und schloss bei 23.043,70 Punkten. Auch europaweit und in den USA gaben die Börsen nach.


Und was Hoffnung macht ...

Das noch nicht zugelassene Ebola-Medikament Remdesivir, auf das Wissenschaftler im Kampf gegen das Coronavirus große Hoffnungen setzen, hat sich in einer Studie an Covid-19-Kranken in den USA offenbar als wirksam erwiesen. Das gab der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten der USA (NIAID), Anthony Fauci, bekannt. Laut der Studie beschleunigte der Wirkstoff die Genesung von Patienten. Diese erholten sich im Durchschnitt innerhalb von elf Tagen, statt wie zuvor in 15 Tagen. Fauci nannte die Ergebnisse „bedeutsam“. „Was es bewiesen hat ist, dass ein Medikament das Virus blockieren kann“, sagte er im Weißen Haus. Zugleich zeigte Remdesivir aber in der Studie keinen Überlebensvorteil: In der Gruppe, die Remdesivir erhalten hatte, starben acht Prozent. In der Kontrollgruppe mit dem Scheinmedikament waren es 11,6 Prozent – ein nicht signifikanter Unterschied.

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