ksk zdfÜber den Naziungeist bei der Bundeswehr

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Angesichts neuer Vorwürfe gegen das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) wegen rechtsextremistischer Umtriebe in der Eliteeinheit hat Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Untersuchung angeordnet, deren Ergebnisse demnächst veröffentlicht werden sollen. Vor drei Jahren gab es einen ähnlichen Vorgang. Damals hatte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen einiges zu beanstanden gehabt. Unser Mitarbeiter Kurt Nelhiebel nahm damals unter der Überschrift „Alles immer nur Einzelfälle“ die lange Geschichte der Verharmlosung des Rechtsextremismus unter die Lupe. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir den Beitrag vom Mai 2017 erneut - und befürchten, daß wir das demnächst wieder tun müssen. Die Redaktion.


Über den Naziungeist bei der Bundeswehr

Es waren immer nur Einzelfälle. Seit es die Bundeswehr gibt, geht das so. Alles nur Einzelfälle. Frau von der Leyen hätte es wissen können, dass da etwas schwelt in der Truppe. Als die Bundeswehr aus der Taufe gehoben wurde, war sie drei Jahre alt. Demnächst wird sie Sechzig. Zeit genug, sich ein Bild zu machen.

Dass an der Wiege der Bundeswehr Generäle standen, die bis zum Kriegsende „hitlertreu“ gewesen seien, wie „Die Zeit“ zum 50. Geburtstag des Bestehens der Bundeswehr schrieb, war ihr sicher nicht verborgen geblieben. So wenig, wie der Nachsatz: „Dieses Erbe wirkt bis heute nach.“ Hat sich was geändert? Nein. Der Naziungeist treibt weiterhin sein Unwesen. Jetzt erstmals in einem neuen Umfeld – in Kombination mit dem internationalen Terrorismus.

Zu denen, die diesem Ungeist das Tor weit geöffnet haben, gehörte der CDU-Politiker und spätere Nato-Generalsekretär Manfred Wörner. Lauthals hatte er sich darüber beschwert, dass dem ehemaligen Nazi-Obersten Hans-Ulrich Rudel ein Besuch bei einem Geschwader der Luftwaffe verwehrt wurde. Die Ausladung Rudels, der als Galionsfigur der rechtextremistischen Szene von sich reden machte, wurde rückgängig gemacht. Zwei Generäle mussten gehen. Sie hatten erklärt, so lange „Linksextremisten und ehemalige Kommunisten wie Wehner“ im Bundestag säßen, werde die Bundeswehr Leute wie Rudel akzeptieren. Das war 1975.

Als kurze Zeit später eine „symbolische Judenverbrennung“ in der Münchner Bundeswehrhochschule für Aufregung sorgte, waren die Verharmloser gleich wieder zur Stelle. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Karl-Wilhelm Berkhan, sprach von Ausnahmefällen. Er verwies auf die Schwierigkeiten des militärischen Alltags; da komme „schnell Monotonie auf, die sehr häufig mit Alkohol übertönt wird, und in alkoholisierten Zustand bricht dann etwas heraus, was vielleicht zur Zeit einer Grundstimmung entspricht.“ Der da eine Lanze für die Übeltäter brach war keiner aus der rechten Ecke, sondern ein altgedienter Sozialdemokrat. Für das CSU-Organ „Bayern-Kurier“ war der Eklat in der Bundeswehrhochschule„kein Indiz für rechtsradikale Tendenzen in der Bundeswehr“. Bei den Beteiligten habe es sich um Söhne aus völlig unbelasteten bürgerlichen Familien gehandelt.

Das „Heil Hitler“, mit dem sich Wachsoldaten am Tor der Bundeswehrkaserne in Rheine begrüßten, hatte nach Darstellung des zuständigen Offiziers keinen politischen Hintergrund. Es gebe in der Bundeswehr „keine breite Tendenz zum Rechtsradikalismus“, erklärte das Verteidigungsministerium 1978. Im Traditionserlass der Bundeswehr heißt es: „Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen.“ Alle Leute an der Spitze wissen das. Den SPD-Verteidigungsminister Peter Struck hinderte das allerdings nicht, einen wegen rechtsradikaler Tendenzen in seiner Einheit abgemahnten Brigadekommandeur zum Chef des „Kommandos Spezialkräfte“ der Bundeswehr (KSK), zu machen. Reinhard Günzel hieß der Mann, dem der Satz nachgesagt wurde: „Ich erwarte von meiner Truppe Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS.“

Als der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann mit einer antisemitischen Rede ins Fettnäpfchen trat, gab ihm Brigadegeneral Günzel demonstrativ Schützenhilfe. Auf einem Briefbogen der Bundeswehr dankte er Hohmann für dessen „Mut zur Wahrheit und Klarheit“. Er könne sicher sein, „der Mehrheit unseres Volkes eindeutig aus der Seele“ gesprochen zu haben. Da blieb Peter Struck nichts anderes übrig, als Günzel zu entlassen. Der General habe mit seinen „abstrusen und verwirrten Äußerungen“ der Bundeswehr und der Bundesrepublik Deutschland geschadet. Wie denn? Hatte Günzel plötzlich seinen Verstand verloren, derselbe Mann, der noch kurz davor an der Spitze seiner Spezialeinheit nach Afghanistan geschickt worden war, um dort Terroristen zu bekämpfen? Heeresinspekteur Helmut Wittmann musste sich bloßgestellt fühlen, hatte er doch vor dem Skandal noch versichert, die rechtsextremen Fälle seien „nicht typisch für den Geist der Truppe.

Aber es gab auch andere Meinungen. Die damalige Wehrbeauftragte des Bundestages, Claire Marienfeld (CSU), räumte ein, dass einzelne Einheiten der Bundeswehr sich in ihrer Traditionspflege nicht klar genug von der Wehrmacht des Dritten Reiches abgrenzten.

Auch Ursula von der Leyen konnte das wissen, nein, sie musste das wissen. Aber ihr stand der Sinn anscheinend mehr nach Auslandseinsätzen der Bundeswehr und publikumswirksamen Fotos. Jetzt bäckt sie kleine Brötchen. Keiner will was gewusst haben vom Doppelleben des Bundeswehroberleutnants, der sich als Flüchtling aus Syrien registrieren ließ. Er sei bisher nicht negativ aufgefallen, ließ die Bundeswehr anfänglich wissen. Alles wie gehabt. Und alles sehr beunruhigend.

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