iuBP62WJAXSkandal um Karstadt: wie die Finanzwelt durch Ausschlachten das Endspiel mit Karstadt betrieb  Teil 2/ 2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nachdem Arcandor ab 9. Juni 2009 in Insolvenz ging, machte Bergruen nach sechs Monaten Prüfung - einer möglichen Übernahme -am 21. Mai 2010 ein Kaufangebot an den Karstadt-(Interims)-Leiter Thomas Fox.

Auch kündigte er an, dass keine Filiale geschlossen würde und die Beschäftigten keine Einbußen zu erleiden hätten. Zudem wolle er mit Highstreet über Mietnachlässe verhandeln, die als eine der Hauptursachen der Insolvenz Karstadts gälten. Sein Engagement solle von langfristiger Natur sein. Am 7. Juni 2010 bekam er den Zuschlag für die Warenhauskette, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass der Hauptvermieter Highstreet hinsichtlich der Mieten Nachlass gebe. So kam es dann tatsächlich zu einem Vertrag mit gesenkten Mieten, woraufhin Berggruen Verbindlichkeiten über 70 Mill. Euro tilgte.

Finanzkonstruktionen ohne Sinn und Zweck für irgendeine Zukunft

400 Millionen Euro an Investition für Modernisierung und Reorganisation von Karstadt sollen dann doch aus dem laufenden Geschäft (neudeutsch Cash-Flow) getätigt werden. Als der springende Punkt hierbei erweist sich aber, dass Berggruen sich innerlich weit weg vom Alltagsgeschäft aufhielt und sich abseits des täglichen Managings bewegte. Es scheint, dass er sich mehr als Vermittler verortete und vornehmlich Beziehungen knüpfen wollte. Warum ging er nicht offensiv in eine oder mehrere Filialen, um im Alltagsgeschäft die Einsicht und Inspiration zu erlangen, die die Führung der Häuser unerlässlich erfordern. All das scheint aber für Herren wie Berggruen und Verwandte unter ihrer Würde zu sein. Hat er je mal in einer Werkshalle oder Verkaufsabteilung mitgetan und mitgefiebert, um Erfahrungen an der Front zu machen?

Was er wirklich tat bzw. versäumte, ist erschreckend. Tatsächlich hat er nach der Übernahme bis 2013 kein Geld für eine Sanierung aufgewendet, während Beschäftigte, Staat und Vermieter auf große Summen Geldes verzichteten. Die Beschäftigten verzichteten über drei Jahre auf 150 Mill. Euro. Von 2013 bis 2015 mussten sie auf Tariferhöhungen verzichten, um so 36-38 Mill. Euro für die Sanierung beizutragen. Der Steuerverwaltung entgingen 97 Prozent von 150 Mill. Euro an Mehrwertsteuereinnahmen, die während der Insolvenz im Sommer 2009 anfielen. Auch zahlte die Bundesagentur für Arbeit im Zug des Insolvenzverfahrens drei Monate lang Karstadt-Gehälter über ca. 100 Mill. Euro. Highstreet verzichtete bis 2018 auf ca. 400 Mill. Euro an Mietzahlungen. Die Berggruen-Holding selbst hat nur einen Euro an ‚Kaufsumme‘ und 5 Mill. für Markenrechte investiert. Der eine Euro war lediglich dafür gut, der Holding fällig gewordene Schenkungssteuer zu ersparen.

Lizenzgebühren – zum Abkassieren an der Steuer vorbei

Wolfgang Schäuble hat sich noch vor wenigen Jahren dezidiert vor die Praxis der Patentboxen in Steueroasen gestellt. Mit den Lizenzgebühren für Markenrechte nahm Berggruen persönlich regelmäßig Karstadt-Millionen ein. 2012 waren neun Millionen von Karstadt an ihn zu zahlen. Für einen Kredit über 65 Mill. Euro an Karstadt wollte Berggruen so hohe Zinsen einnehmen, dass Karstadt jenen an ihn zurückzahlte. Ab 2013 spekulierte die Presse auf Zerschlagung von Karstadt. Berggruen aber mimte den Getroffenen und beklagte sich darüber, dass es in Deutschland immer nur Kritik gebe, da die Deutschen nichts vom Prinzip der Charity (Wohltätigkeit) verstünden. Er betrachtet sich also offensichtlich als verhinderter Wohltäter. Eigentlich aber wollten sowohl er als auch die Kanadier nicht wirklich mit den Kaufhäusern Geld verdienen, sondern nur ein wenig spielen und dann abkassieren.

In der FR vom 01.7.2020 hat ein Leser die Machenschaften der ‚schlauen Manager‘ wie folgt beschrieben: „Sie lagern Gewinne in Steuerparadiese aus, erheben Lizenzgebühren für Firmen-Logos in Niedrigsteuerländern, um in Deutschland erzielte Gewinne vor Steuern in Deutschland zu retten, sie haben Briefkastenfirmen in Luxemburg, auf den Cayman-Inseln, den britischen Kanalinseln und sonstwo, wo sie in Deutschland erzielte Gewinne im Promille-Bereich versteuern. Sie gründen gemeinnützige Stiftungen, um dem Saat Steuern vorzuenthalten, mit denen sie Massen-Verdummung finanzieren – Stichwort „Neue Soziale Marktwirtschaft“. Immer dasselbe Spiel also, woran sich auch unsere Bundeskanzlerin massenverdummend beteiligt. Weiter heißt es noch: „Sie zahlen in der Krise Dividenden, sich selbst Boni, obwohl ihre Unternehmen Verluste einfahren“. Besser kann man es nicht formulieren.

Im September 2013 wurde bekannt, dass Berggruen die Premium- und Sporthäuser zu je 75,1 Prozent an die österreichische Signa Holding des Investors René Benko veräußerte. Das ist wie Outsourcing und Auslagerung nichts mehr als Umgründung durch Übergabe an den nächsten Gewinnler, ohne ein neues Geschäftsmodell zu etablieren. Mit den erlösten 300 Mill. Euro sollten die restliche Unternehmensteile modernisiert werden. Tatsächlich aber kam heraus, dass nur 15 Mill. bereitstehen und auch nur 15 Mill. innerhalb fünf Jahren tatsächlich in die Filialen investiert werden sollten. 135 Mill. blieben dann zur freien Verfügung. Nähere Erläuterungen wurden hierzu nicht gegeben. Aber 100 Mill. Euro der Verkaufssumme gehen an, d.h. bleiben für die Premiumhäuser und 50 Mill. für die Sporthäuser. Und jetzt kommt’s: Die 300 Millionen sollen erst nach 18 Monaten gezahlt werden, die Hälfte bis Jahresende. Das bedeutete die Zerschlagung von Karstadt mit Verschleppung und Verdunkelung. Berggruen, der Philanthrop hat niemals selbst Geld für die Warenhauskette bereitgestellt.
 
Esoterik kapert Kapitalismus

2009 gründete Berggruen das Nicolas Berggruen Institute zur Förderung der besseren Politikgestaltung. Daraus wurde bald das Nicolas Berggruen Institute on Governance, eine Denkfabrik zur Politikberatung. Denkwürdig und naheliegend, dass diesbezüglich auch ein Name wie Gerhard Schröder auftaucht, man hat ja sonst nichts zu tun als sich selbst weiter ins Zwielicht zu setzen. Mit Schröder und weiteren Elder Statesmen gründete Berggruen den Council on the Future of Europe zur Reform der europäischen Strukturen im Sinne der Idee der Vereinigten Staaten von Europa. Klingt gut. Wir aber meinen, dass es mit derartigen hoch gegriffenen Konstrukten sich nur mehr um verschärfte Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung und damit Enteignung von Millionen im Interesse der Minderung ihrer BürgerInnen- und Menschenrechte handelt.

Die Schwierigkeit ist nicht gering, in der Überschau allen Vergehen und Verstößen im Zusammenhang mit Karstadt/Arcandor genügend gerecht zu werden, d.h. die maßlose Abgründigkeit der Kreuz- und Querbeteiligungen auszudifferenzieren. Der Vergleich mit Unkraut ist durchaus angemessen.

Rene Benko, der augenblickliche Endterminator von Karstadt, ist eine Gestalt, die es nicht lohnt, ihr irgend Tribut zu zollen. Er ist lediglich ein Vertreter des Berufs Vermieter, der immer oben schwimmt. Wahrscheinlich wird vom dürftigen Rest von Karstadt nichts Kaufhausgemäßes mehr übrigbleiben. Am Schluss steht immer als Clou: die Abtrennung des Immobilienbesitzes vom Kaufhausgeschäft, das als langweilig empfunden wird, also die Resteverwertung.
 
In Frankfurt am Main hat im Ferienmonat Juli 2020 der Abverkauf eingesetzt. Es bestätigt sich also, dass mit dem Immobiliendeal der Ausverkauf beginnt.. 

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© berggruen.org