Wizo-Präsidentin Eva Wyler stellt sich neuen gesellschaftlichen Herausforderungen
Yves Kugelmann
Zürich (Weltexpresso) - Eva Wyler ist Präsidentin der Wizo Schweiz und spricht anlässlich des 100. Jubiläums der Frauenorganisation im Interview über aktuelle Herausforderungen in Israels Gesellschaft.
tachles: Die Wizo beschäftigt in Israel 6000 Mitarbeiterinnen und hat ein Budget von rund 250 Millionen Dollar. Die Schweiz gehört zu den wichtigsten Spendenländern.
Eva Wyler: Ja, die Schweizer Föderation ist schon seit jeher sehr wichtig für die Wizo, und wir konnten auch in den letzten Jahren unser Spendenaufkommen halten, obwohl es natürlich nicht einfacher wurde.
Die Wizo steht für moderne Themen wie Einsatz für Frauen, Familie, Kinder. Dennoch ist sie bei jüngeren Erwachsenen kaum mehr bekannt.
Wir versuchen immer wieder, Junge für unsere Sache zu gewinnen. In der Westschweiz haben wir mehr und mehr junge Frauen, die sich mit Begeisterung und Kompetenz für die Wizo einsetzen, in der Deutschschweiz ist es momentan eher problematisch.
Was steht für die Wizo im Moment im Fokus?
Etwa häusliche Gewalt. Die Wizo stellt bedrohten Frauen Frauenhäuser oder Shelters zur Verfügung. Während des Corona-Shutdown musste notfallmässig ein weiteres eröffnet werden. Wir versuchen den Jungen zu vermitteln und zu zeigen, dass uns die gegenwärtigen Anliegen und Probleme sehr am Herzen liegen.
In Israel ist die Wizo für die Zivilgesellschaft mit Kinderkrippen sehr wichtig. Was sind die Prioritäten für die Zukunft?
Ganz aktuell geht es darum, die durch die Corona-Krise bedingten finanziellen Probleme zu lösen. Während zwei Monaten waren ja alle Kindertagesstätten, ausgenommen diejenigen in den Spitälern, und alle Schulen geschlossen. Dadurch hatten wir keine Einnahmen und die staatliche Unterstützung lässt auf sich warten.
Früher sah man in der Schweiz viele Wizo-Engagements, etwa Bazare, Flohmärkte, Bälle oder den Orangenverkauf. Ist dies in letzter Zeit nicht etwas verloren gegangen?
Solche Anlässe sind zum Teil nicht mehr zeitgemäss. Die Ansprüche, die Interessen und die Haltung gegenüber der Unterstützung für Israel haben sich geändert. Viele frühere Aktivitäten haben nicht mehr die nötige Wirkung. Die Menschen suchen und kaufen ihre Trouvaillen heute im Internet. Zudem sind die Preise für Raummieten, Personal und Dienstleistungen in den letzten Jahren so stark gestiegen, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag steht.
Wie passen Sie sich diesen Veränderungen an?
Wir haben einige frühere Aktivitäten durch schriftliche Spendenaufrufe ersetzt. Zudem versuchen wir für die Wizo wichtige Projekte und erzieherische Programme gezielt den Stiftungen zu präsentieren, da dort grösseres Potenzial vorhanden ist. Wir fördern an verschiedenen Orten die privat durchgeführten «Sponsor A Child Lunches» und Gala-Anlässe. Leider kann man dieses Jahr nicht wirklich planen und schon gar nicht von Sponsoring abhängige grosse Galas.
Dadurch ist die Wizo aber nicht mehr so stark Teil des Alltags der Leute wie früher.
Viele Leute wollen diese so bekannten Wizo-Anlässe nicht mehr und sind schon gar nicht bereit, sich dafür zu engagieren. Das haben wir deutlich gemerkt, als wir den Bazar zweimal im Gemeindezentrum in Zürich durchführen mussten, weil die Kosten extern nicht mehr gedeckt werden konnten und die Ansprüche sich verlagert hatten.
Wie gewinnen Sie Unterstützung für die aktuellen Projekte in Israel?
Unsere Gruppen haben beispielsweise autonom einen Spendenbrief mit einem Post-it-Block mit dem 100-Jahr-Wizo-Logo und einem Einzahlungsschein verschickt. Vor den Feiertagen kommt ein praktischer Zweijahres-Feiertagskalender. So wollen wir uns mit kleinen Aufmerksamkeiten immer wieder in Erinnerung rufen.
Und was sind das für Projekte?
Im Frühling konnten wir Geld für Pessach-Essenspakete nach Israel schicken, das ist für die Begünstigten dringend notwendig und wird sehr geschätzt. Die Wizo-Gruppe Lausanne plant jetzt eine Kampagne, um Geld für die Bewohnerinnen der Frauenhäuser zu sammeln, damit sie alltägliche Dinge wie Kleidung, medizinische Versorgung usw. bezahlen können. Das sind nur zwei Beispiele.
Bei ihrer Gründung ging es für die Wizo um den Aufbau der Gesellschaft in Israel, heute geht es um ihre Schattenseiten. Ist das nicht frustrierend?
Nein, die Wizo steht seit eh und je für die unterprivilegierten Frauen und Kinder ein. Ein grosser Teil der Kinder in unseren Kindertagesstätten wird durch die Sozialämter zugewiesen. Der Anteil Kinder aus sozial sehr schwachen Schichten ist groß.
Und dafür gibt es keine Hilfe vom Staat?
Doch, aber die Hilfe reicht bei Weitem nicht.
Wie wird das 100-Jahr-Jubiläum in der Schweiz gefeiert?
Wir hatten einen Gala-Abend geplant, leider mussten wir unsere Pläne wegen der Corona-Krise aufgeben und müssen nun abwarten, wie sich die Situation entwickelt.
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Wizo-Präsidentin Eva Wyler stellt sich neuen gesellschaftlichen Herausforderungen
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 10. Juli 2020