iu4Immer wieder Nachrichten, die zu tiefer schürfenden Überlegungen und Vorausblicken einladen

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Hat jemand schon mal zumindest anzudeuten versucht, dass die ‚gegenwärtige Weltlage‘ – nach einer Begrifflichkeit unseres philosophischen Lehrers der Siebziger, die wir acht Jahre nach 68 arg schwach fanden -, mit dem Versagen und dem Bankrott einer exzedierenden, durchdrehenden und versagenden Männlichkeit - wie im Fall des fistelnden Boris Johnson und gar noch viel Schlimmeren -, in Verbindung steht?

Worauf unser damaliger Lehrer abzustellen noch nicht imstande war, obwohl es damals genügend Vertreter gab, die aus alter und neuerer Zeit überdauert hatten. Wie z.B. ein Dregger. Der Professor aber musste schweigen. An den gegenwärtigen Beispielen gehört die Rüpelhaftigkeit eines Trump, die Fahrigkeit eines Erdogan und die innere Weggetretenheit eines Putin zu den Merkmalen und Attitüden der neuen psychiatrischen Fälle in Regierungsämtern. Diese neuartig Irren auf Regierungsebene sind jedenfalls alle Kerle.

Fortschreitender Niedergang auf der mäßig intelligenten Erde

Der Korpsgeist lebt in Männerbünden fort. Doch vergangenes Wochenende sprach Bob Geldof, zum Anlass des 35. Jahrestages von Live Aid im Jahr 1985, im Interview mit Andreas Stamm, gezeigt im heute Journal, vom Mafia Gangster Putin, dem verwirrten Trottel Johnson und einem vulgären US-Präsidenten; in einer Zeit, wie er meint, die kein Life Aid mehr zustande brächte (vielmehr das Gegenteil im schlimmsten Sinn, wie jetzt in Syrien, wo die einfachsten Regeln der Humanität ausgesetzt sind). Trump aber wird von Corona überrollt.

Es geht nicht um einen Sündenbock Mann. Zwar gibt es auch Frauenfurien, aber ob diese das Verfolgen und Auslöschen unliebsamer Völkergruppen und Gegnerinnen erbarmungslos mörderisch organisiert hätten, ist fraglich; auch wenn sie sich im Geschäftlichen durchaus in die Nibelungentreue fragwürdiger Mannbarkeit begeben, was jedoch weniger wird, weil sie beruflich zunehmend selbstaktiv werden.

Da sind wir also wieder unvermeidlich bei unseren tagesaktuell Abgedrehten Trump, Putin, Assad, Erdogan, Xi, Salman, Bolsonaro, Morrison und Orban angelangt, diesen schrecklich widerästhetischen Ausgaben des männlichen Geschlechts, die alltäglich die gesamte Seite 8 (Ausland) einzunehmen die Frechheit besitzen. Wer üble Machenschaften der russischen Staatsmacht aufdeckt, wie der Journalist Iwan Safronow, wird mit Hochverrat bedacht und soll 20 Jahre in Haft. In Russland sind 20 Jahre traditionell nur eine winzige Ewigkeit; das Menschenleben, mit allem, was dazugehört, ist dort immer noch wenig wert, vielleicht weil das Land so groß ist. Der Geheimdienst ist ein Staat im Staat, der jeden Nichtgelittenen schlimm ausmanövriert, sofern er es noch nötig hat. Nebenbei: im gesamten Osten herrscht die asiatische Despotie fort.

In Saudi-Arabien beginnt der Prozess im Mordfall an dem saudischen Journalisten Khashoggi, der unter der Schirmherrschaft von Salman in der saudischen Botschaft in Istanbul durch ein Sonderkommando aus Riad stranguliert und zerstückelt wurde. Die internationale Diplomatie hält sich zurück, denn Öl- und Gas-Geschäfte, auch mit Mördern und Schindern, genießen Vorrang vor der Achtung vor dem einzelnen Leben. Was S/A betrifft, gilt nicht nur im Westen das taktische Muster nach dem Motto: der Feind meines - designierten - Feindes ist mein Freund. Der Wirtschaft ist es recht. Das ist geradezu das vorherrschende Prinzip in der Weltpolitik, dem die Gerechtigkeit und der achtsame Umgang mit dem immer Nächsten (und Fernsten) geopfert wird. Auch unser Außenminister scheint‘s nicht anders zu können, was einem Abend für Abend geradezu aus dem Sessel katapultiert.

Abgrundtiefes ‚Ausmaß des Versagens‘ in Syrien (FR 9. Juli 2020)

Syrien erlebte wieder die terroristische Regierungspraxis des Angriffs auf Zivilisten und zivile Objekte. Dabei werden, wie offenbar beabsichtigt, auch Krankenhäuser und Schulen bombardiert. Nun stehen Hilfsorganisationen noch vor einem nachgelagerten Problem: Russland und China verweigern im Sicherheitsrat der ‚Vereinten Nationen‘ die Wiederauflage von Hilfslieferungen über zwei Checkpoints an der Grenze zur Türkei. Russland will damit Assad stützen, um seine Einflusszone zu halten, koste es was es wolle. Damit sind wir beim typischsten aller männlichen Geschäfte, tief verankert im jahrtausendealten Unwesen des Mannseins. Das Modell Krieg und Terror. Und mit den Vereinigten Staaten ist auf diesem Breitengrad als Ausgleichsmacht nicht mehr zu rechnen.

Putin, Verbündeter des Massenschlächters Assad, muss sich wichtigmachen, weil er sonst nichts zu bieten hat. Was für eine armselige Figur. Dieser Mensch ist nur Vakuum. Dabei ist er des Deutschen mächtig; aber von den deutschen Schriften aus der Zeit des Humanitätsgedankens ist bei ihm nichts hängen geblieben, soweit er jemals etwas davon begreifen konnte. Jetzt scheint's zu spät. Doch gibt es in der westlichen Welt durchaus Verständnis im Hinblick auf Putins Wirken und politisches Sein. Siehe eben nach dem bekannten Motto. Die gleiche Schändlichkeit ist in Arbeit, wenn wir gemeldet finden: ‚Russische Söldner kämpfen in Bengasi‘. Es geht eben darum, im ältesten Gewerbe der Zivilisation mitzumischen. Ein Derartiger hat im eigenen Land der Vielgestaltigkeit der Kulturen kein Modell einer modernen, zivilen Gesellschaft hervorgebracht; er ist mittellos im Geist, hat seinen Gesamtladen nicht im Griff, wenn wir zu lesen finden: „Neue Normalität“ - gemeint: ganze Wälder brennen, in Sibirien, aber auch in Australien und Brasilien. Die Natur lässt er in der Zone des Ewigen Eises herunterkommen. Im Staat der vielen Völker hat er sich als unduldsamer Antidemokrat etabliert, ohne dass Hoffnung auf Einsicht bestünde.. Auch Erdogan mischt in Lybien mit, um dort den Fuß mit drin zu haben: für seine Expansion im Mittelmeer.

China – von Autokraten zum Zerrbild seiner selbst gemacht

Ein Land, das zu einem gefährlichen Ding wurde. Bloß nichts herunterspielen! Leider ist eingetroffen, was unsere unbedachten, aber nicht ganz danebenliegenden Vorfahren in den Fünfzigern voraussagten: Die gelbe Gefahr droht, ausgesprochen von einem sonst liebenswerten Onkel mit Motorrad. Und dann gab es die Rede von den Blauen Ameisen! Ist auch eingetroffen. Wird gerade durchgesetzt. Unverkennbar ist die robotische Aggressivität Chinas. China hat sich auf den erklärten Weg zur totalen Weltregierung aufgemacht. Das Parlament ist eines von Schnarch-Nasen, die bloß als Marionetten fungieren und jegliche Politik der Führung pflichtschuldigst abnicken. Reihenweise Witzfiguren. Kommunismus? - Karl Marx würde sich verbitten, sich vom chinesischen Diktator mißbrauchen zu lassen, der ein Betrüger ist. Das einer so seltenen Achtsamkeit verpflichtete Tibet wurde unterworfen - im Namen des Fortschritts –, es wurde physisch seiner Hochkultur beraubt und wird – wie könnte es anders auf einem furchtbaren Planeten kommen - seit Jahrzehnten ausgenommen; ebenso wie die Uiguren, die immer mehr zu gefährlich Unkalkulierbaren und Rechtlosen erklärt wurden und als Arbeitssklaven für den Weltmarkt schuften müssen. Was den Völkern am Rande Chinas droht, soll für die ganze Welt Geltung bekommen. Mao wurde zum fragwürdigen Popstar, seine banalen Nachfolger aber sind einfach nur noch gefühllose Technokraten, die den totalen Staat und die digitale wie ordnungspolizeiliche Überwachung auf jedem Schritt und Tritt auf das ganze Erdenrund auszubreiten sich vorgenommen haben.

Zu Unrecht: Religion als ein unantastbares Kulturgut

Wenn Religionen das Haupt erheben, sollen alle stramm stehen, sich schweigend nur in Selbstkritik ergehen, wie absurd unchristlich und wohl auch unislamisch ist das wohl? Kritik ist immer gleich Gotteslästerung. Mit Religion wird der umfassendste Missbrauch getrieben, durch Herrscher - und die ihnen angegliederte, realpolitisch gefügige Priesterkaste. Religionen wurden immer mehr zum Geschäft. Sie treten mehr und mehr wie Konzerne auf. Die Weisheit der Religion ist längst im Abseits gelandet und Geschäftemacher wie Mullahs und Ayatollahs (respektive Chamenei) ergehen sich in salbenden Passagen religionspolitischer Gängelung und wenn nötig Aufwiegelung. Damit die Schafe und Wölfe an der Macht teilhaben dürfen, bzw. ihre Ohnmacht nicht so sehr spüren.

Die Hagia Sophia wurde, wie die FR titelte, zum ‚Tempel des Nationalismus‘ gemacht. Es ist nur der jüngste Trick Erdogans, den er wenige Monate vorher noch abschlägig beschieden hatte. Aber er kämpft eben einen seiner späten Kämpfe um die persönliche Macht, für die nun auch der Religionswahn wieder herhalten muss. Wer dieses Land besucht, muss damit rechnen, dass das als Bestätigung des Gewalteingriffs ausgelegt wird. Merke: Die Religion ist kein höheres Subjekt; die Menschen und Priester haben sie sich selbst gemacht.

Nach unserer Auffassung ist der Islam vorherrschend die Religion des Dekalogs und tendiert daher zur Antimodernität, zum Rückfall in die Vormodernität. Er ist also noch immer archaisch geprägt. Judentum und Christentum sind zur Modernität hin offener, weil sie das dialogische Prinzip mit sich führen, zwischen Gott (unbewiesen und unbeweisbar) und Mensch (dem endlichen Sein verhaftet) kann und darf verhandelt werden. Das ermöglicht einen Freiheitsgrad, der unsere Zeitenwende hervorbrachte. Die Marienkirche in Offenbach hat bald 10 Glocken und das tiefste vielstimmigste Geläut im Bistum, wie kürzlich berichtet wurde. Das ist ein Element der Säkularisierung.

Die Rechte muss immer wieder in den Blick genommen werden

Was eigentlich treibt diese an, wenn sie eine intelligente Politikerin wie Janine Wissler in Hessen an Leib und Leben bedroht. Nur weil diese den Rechten gestochen scharf die Meinung in der Talk-Show von Maybrit Illner geigt. Der hessische Innenminister hat bei der Aufklärung des in der Sache verstrickten Polizeirassismus versagt (Abruf persönlicher Daten der Politikerin – plus weiterer - aus Polizei-Computern, für die Betreibung der Hass-Hetze). Der hessische Polizeiskandal steht erst am Anfang. Es besteht der Verdacht, dass Reichsbürger im Polizeidienst und Neststrukturen im hessischen Verfassungsschutz mit dem NSU-Komplex verbandelt sind, worauf die ungeklärte Rolle von Andreas Temme im NSU-Fall Halit Yozgat hindeutet. Der hessische Polizeipräsident musste zurücktreten. Es ist die Selbstgründungs- und Selbstreflexionsschwäche der rechten Rotte, die sie politische Gegner vernichten lassen will. Dem rechtsextremen brasilianischen Präsident Bolsonaro erscheint tagtäglich brauner Schaum wie um den Mund geschmiert. In ähnlicher Weise ticken sie alle.

Jede Rechte treibt's manisch in den Gewaltexzess, in Mord und Totschlag, Raub kommt später. Das ist das Lebenselixier von Leuten, die sich selbst verfehlt haben. Der rechtsgerichtete Charakter ist von der Unterwerfung unter die tatsächlich oder vermeintlich Starken und vom Hass auf die tatsächlich oder vermeintlich Schwachen, wie z.B. Flüchtlinge, schier vernarrt. Was für eine Simplizität. An den Ärmsten, die ihre Heimat verloren haben, will er sich tätlich ausleben und sich damit eine Struktur und Legitimation, die ihm sonst abgeht, verschaffen. Aus Frust fallen rechtsextreme Charaktere auch mal übereinander her. Es handelt sich tiefenpsychologisch um den lunatic fringe, der mit Versatzstücken und Verschwörungslehren auf Propaganda-Tour ist. Adorno fiel an diesem Rand besonders das „Manipulierte und Angedrehte“ auf (‚Aspekte des neuen Rechtsradikalismus‘, 1967).

Das Stinkautoritäre, Intolerante und Unduldsame ist der Ausdruck einer nicht wohl geformten Persönlichkeit. Der rechtsextreme Charakter ist manisch-depressiv, das ist ein Symptom der Fluchtbewegung vor der gescheiterten Grundlegung der Existenz. Der Prozess der Sozialisierung geriet nie in eine solide Gründung. Das Ich birgt nur Leere, keine Welt der offenen Weiten - die Welt ist Feind - und reagiert sich in paranoiden Phantasien der Erniedrigung sterotyper Feindbilder ab: der Wohlgegründeten und jener, die der menschlichen Fürsorge bedürfen. Die rechtsgerichtete Syntax ist erratisch, neigt zum ekstatischen Schwadronieren und wirkt propagandistisch aufgesetzt. Die rechten Charaktere leiden vermutlich auch unter einem Mangel an Serotonin.

Foto ©
t-online.de