istanbul tourist information.com Die „GÖTTLICHE WEISHEIT“ hat den tumben, den türkischen Nationalismus befeuernden Recep Tayyip Erdogan nicht erfaßt

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Hagia Sophia im Griechischen - denn das Weltreich der Byzantiner, Ostrom, sprach Griechisch - bedeutet auf Deutsch in Worten HEILIGE oder GÖTTLICHE WEISHEIT, wurde aber immer als Sophienkirche übersetzt, als sie von 532 bis 537 unter Kaiser Justinian als größte christliche Basilika der Welt erbaut wurde. Sie galt sofort als Weltwunder, denn die Kuppel der Hagia Sophia ist bis heute mit über 33 Metern Spannweite die größte Ziegelkuppel der Welt, die zudem von nur vier Tragestellen gehalten wird.

Diese Kuppelbasilika hat kein Menschenmaß, sondern wurde immer als göttliche Eingebung verstanden, was sich nicht nur auf die Größe bezieht, sondern auf den Raumeindruck, den man gewinnt, und der eine Schönheit, eine Weite, eine Harmonie ausströmt, der man sich nicht entziehen kann, weshalb sie bis 1453 ganze 916 Jahre als die Kirche Ostroms in Ehren stand. Sie war der Mittelpunkt Konstantinopels, war Wahrzeichen als herausgehobene Kathedrale, sie wurde Krönungskirche für die byzantinischen Kaiser, war die Hauptkirche des Riesenreiches, Mittelpunkt der Orthodoxie Ostroms, das Pendant der viel später errichteten Peterskirche im Vatikan in Rom.

Ja, das war üblich, auch bei den Christen, daß man die heiligen Orte der Vorgängerreligionen, für die Christen heidnische Stätten, rasch für die eigene, die neue, die richtige, die Eroberungsreligion nutzte, wie es beim Fall von Konstantinopel 1453 durch die Osmanen geschah, die flugs diese heilige Stätte der Orthodoxie zur Moschee umwandelten. Die Osmanen waren aber schon so zivilisiert – auf jeden Fall zivilisierter als heutige Islamisten, die Bauwerke, Skulpturen und Kunst zerstören -, daß sie das christliche Wunderbauwerk stehen, aber ihren eigenen Gott Allah dort einziehen ließen.

Dagegen hatten nach der Entdeckung und Eroberung des Aztekenreiches 1492 beispielsweise die katholischen Spanier unter Christoph Kolumbus die sakralen Bauten der Hochkulturen zwar stehen lassen, aber Orte, wo die Götter der indianischen Kulturen ihre Kultstätten hatten, wie beispielsweise auf dem Hügel vor der Hauptstadt, die dann zu Mexiko Ciudad wurde, wo ein Heiligtum der Aztekengöttin Tonantzin stand, diese zerstört. Denn damit sollte den Heiden die Unterlegenheit ihrer Götter deutlich gezeigt werden. Doch die Christen waren immerhin so schlau, die Verbundenheit der Bevölkerung zu diesen heiligen Ort nach ihrer Zerstörung zu nutzen und an der selben Stelle eine christliche Kirche zu bauen. Aber das durfte nicht so plump als Siegergebaren verstanden, sondern mußte durch göttliches Wunder legitimiert werden, wie beispielsweise die heutige Kirche um die Maria Guadeloupe in Mexiko Ciudad. Als Kultstätte der Indios zerstört , wurde an der selben Stelle eine christliche Kirche gebaut, der bisherige Tag der Verehrung für diesen Ort dann wieder beibehalten und eine Legende gestrickt, wie die Heilige Jungfrau Maria hier am 12. Dezember rote Rosen inmitten einer Eiswüste zum Erblühen brachte – ein schlichter, aber eindeutiger Gottesbeweis. Für den christlichen Gott. Das nur mal in die Vergangenheit gerichtet, wo sich die drei monotheistischen Religionen alle gottlos aufführten.

Aber wir leben ja in aufgeklärten Zeiten, denkt man. Auf jeden Fall hatte die Türkei sich nach dem Zusammenbruch und Ende des Osmanischen Reiches mit dem siegreichen, später Mustafa Kemal Atatürk – Vater der Türken – genannten Mustafa Kemal Pascha aus Saloniki, für die Abschaffung von Sultanat und Kalifat entschieden, und sich nach und nach als Republik konstituiert und mit Atatürk einen entschlossenen Staatenlenker gewonnen, der seiner Bevölkerung das Gegenteil der CDU-Maxime der 50er Jahre: keine Experimente, oktroyierte, nämlich sämtlich vorstellbaren Experimente, indem Atatürk auf einen Schlag mit dem alten Spuk Schluß machte und eine Modernisierung in Gang setzte, die sich gewaschen hat: Trennung von Religion und Staat, lateinische Schrift, Gleichberechtigung der Frauen, Bildung, um nur die wichtigsten revolutionären Änderungen von oben zu nennen, die längst von Erdogan und seinen Nationalisten Stück für Stück abgeschafft werden. Bis heute gilt Atatürk als der wichtigste Erneuerer des Türkentums, was auch Erdogan ständig in Worten wiederholt, aber in Taten das Gegenteil tut, indem er die Reformen von Atatürk nach und nach zurücknimmt. Wie jetzt die Rückwandlung der auf Geheiß Atatürks und Beschlüssen seiner Regierung seit 1935 genutzten Kirche als Museum, indem Erdogan sie - nachdem er sich von der ihm willfährigen Justiz einen bejahenden Gerichtsbescheid holte – wieder in eine Moschee verwandelte.

Wir wollen hier auf zwei Aspekte eingehen, die unabhängig von Erdogans politischem Wollen seine Kurzsichtigkeit, ja politisch-religiöse Torheit aufweisen. Wie kann ein stolzer Islamangehöriger die HAGIA SOPHIA, die als christliche Kirche gebaut wurde und über neun Jahrhunderte eine christliche Kirche war, bis sie von 1453 bis 1935 , also ‚nur‘ nicht mal 600 Jahre eine Moschee war, dann bei der Errichtung des Nationalstaates Türkei ein Museum wurde, wieder in eine Moschee rückverwandeln. Deutlicher kann man doch seine Abhängigkeit von christlicher Kultur nicht machen. Selbstbewußter Islam sieht anders aus. Das übersieht der seinen eigenen Untergangs so eifrig webende Erdogan als brutaler Islamisierer der Türkei völlig. Er baut auf christlicher Architektur auf! In Zeiten wie diesen, wo in der Kunstgeschichte und Archäologie doch eine Tendenz zu den Ursprüngen zu erkennen ist, zur Rückgabe von geraubtem Kunstgut an die, die sie hervorbrachten und in deren kulturellen Kontext sie gehören, hätte es doch näher gelegen, die HAGIA SOPHIA der Ostkirche, der Orthodoxie zurückzugeben. Gut, die Diskussion in der Türkei ist noch nicht so weit, aber man erkennt daran auf jeden Fall, wie rückwärtsgewandt und wie brachial Recep Tayyip Erdogan agiert.

Der zweite Aspekt ist ein kunstgeschichtlicher, der vielleicht außerhalb des Kunstgeschichtsstudiums nicht so bekannt ist. Es mosaik im Studium zum guten Ton, als Kunstgeschichtsstudentin die HAGIA SOPHIA als die wichtigste christliche Basilika und Vorbild für so viele weitere Kuppelbasiliken mit eigenen Augen gesehen zu haben, ihre grandiose Architektur zu studieren, also sie in Exkursionen aufzusuchen. Denn das Raumerlebnis in ihr ist unvergleichlich. Wie kann etwas so leicht sein und solche Höhe gewinnen – und in nur fünf Jahren gebaut worden sein? Das ist nur eine der Fragen, die sich Suchende stellen.

Aber die außergewöhnliche Architektur ist nur das eine, die Mosaiken und Malerei das andere. Die hatten die islamischen Eroberer 1453 flugs übertüncht, denn Maria ist im Islam ‚nur‘ die Mutter eines Propheten, als den der Islam immerhin Jesus Christus gelten läßt, der aber auf keinen Fall Gottes Sohn ist. Abgesehen davon gilt das islamische Bilderverbot für das Göttliche sowieso. Also auch keine Darstellung des Allah. Wie mit diesen noch erhaltenen historischenKunstwerken an den Wänden und als Skulpturen umgegangen wird, ist noch nicht bekannt, derzeit werden sie in dem nun als Moschee umgewidmeten Bau mit Tüchern verhängt, wenn die Gebete gesprochen werden, ansonsten sollen Touristen sie weiterhin bestaunen dürfen. Das kann man sich nur schwer vorstellen. Schauen wir also genau hin, was passiert.

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Text: Stiftermosaik, 11. Jh. Maria als Theotokos, umgeben vom Kirchenstifter Kaiser Justinian mit dem Modell der Hagia Sophia und von Kaiser Konstantin als Stadtgründer mit dem Modell Konstantinopels
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