Bildschirmfoto 2020 10 07 um 02.04.44Der US-Präsident hielt es nicht länger im Spital aus und kehrt zurück ins Weisse Haus. Die Infektion hat das Vertrauen der Nation in seine Glaubwürdigkeit weiter geschmälert.

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Amerikaner sollten «keine Bange vor Covid haben» und nicht zulassen, dass die Pandemie «ihr Leben definiert». Diesen Rat teilte Donald Trump der Nation am Montagnachmittag per Twitter mit und kündigte an, er werde das Washingtoner Walter Reed Hospital um 18.30 Ortszeit verlassen und ins Weiße Haus zurückkehren. Er fühle sich nach dem Aufenthalt um zwanzig Jahre jünger.

Pünktlich zu den Abendnachrichten trat der Präsident dann die Heimreise in seinem offiziellen Hubschrauber an und nahm für die Kameras am Weißen Haus auch die Maske ab. Dass er momentan enorm ansteckend ist, dürfte Trump kaum kümmern. Nahaufnahmen zeigen, dass er erhebliche Atemprobleme hat. Sein Gesundheitszustand bleibt jedoch weiterhin unklar. Trumps Ärzte und das Weiße Haus verweigern Auskunft über Ort und Zeitpunkt der Infektion, den Zeitpunkt des ersten, positiven Tests und wichtige Details des Krankheitsverlaufs wie das allfällige Auftreten einer Lungenentzündung. Aber Trump war immerhin robust genug, seinen Willen Fachmedizinern aufzuzwingen und auch die Erkrankung als Live-Show fürs Fernsehen zu inszenieren.

Das Vertrauen der Nation hat Trump gerade im Zusammenhang mit Covid-19 jedoch weitgehend eingebüßt. Laut einer aktuellen Erhebung von CNN halten knapp zwei Drittel der Amerikaner sein Verhalten in Sachen Covid-19 für leichtsinnig und rücksichtslos. 69 Prozent betrachten die offiziellen Informationen über den Verlauf der Virus-Erkrankung bei Trump für unglaubwürdig und 60 Prozent geben ihm bei der Bekämpfung der Pandemie schlechte Noten. Dies schlägt voll auf die Beliebtheitswerte Trumps insgesamt durch: diese sind bei der CNN-Erhebung auf 40 zu 57 Prozent negativ gefallen. Vor einem Monat gaben ihm nur 53 Prozent der Befragten eine schlechte Bewertung.

Daneben kommen aus wichtigen Gliedstaaten laufend schlechte Nachrichten für Trump. In Arizona ist der Vorsprung Joe Bidens nun auf 49 zu 41 Prozent gestiegen. Trump hat die konservative Hochburg 2016 mit 3,5 Prozent noch relativ knapp gewonnen – ein frühes Zeichen für die allmähliche Abwanderung gebildeter Weißer in Vororten wie jenen von Phoenix zu den Demokraten. Stand heute würde Biden laut Umfragen einen Erdrutschsieg über Trump einfahren. Aber bis zur Wahl sind es noch vier Wochen.

Trump hat mit seinem TV-Theater auch eine Chance verspielt, neue Saiten bei der Bekämpfung der Pandemie aufzuziehen und deren Gefahr anzuerkennen. Das gibt die «New York Times» zu bedenken.

Schockierend – so dies überhaupt noch möglich ist – wirkt zudem die Haltung von Vize-Präsident Mike Pence. Dessen Stab hat den Wunsch von Kamala Harris nach einem Plexiglas-Schutz bei ihrer Debatte mit dem Vizepräsidenten morgen Mittwoch verhöhnt: Wenn sie «eine Festung um sich herum bauen wolle», dann könne sie dies haben.

Eine solche Barriere entspricht den Vorschriften der Seuchen-Behörde CDC. Damit müsste besonders Pence als Chef der «Virus-Task Force» im Weißen Haus eigentlich vertraut sein. Zudem ist keineswegs sicher, dass Pence in den letzten Tagen nicht ebenfalls angesteckt worden ist, aber noch nicht positiv auf Tests reagiert.

Foto:
Donald Trump (rechts) auf dem Weg zurück ins Weiße Haus am gestrigen Montag.
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 6. Oktober 2020