Bildschirmfoto 2020 10 10 um 01.20.55Die 77-Jährige hat persönliche Herausforderungen, aber auch Figuren der griechischen Mythologie thematisiert

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Gestern Donnerstag hat das Stockholmer Nobel-Komitee die amerikanische Dichterin Louise Glück für ihre «unverkennbare poetische Stimme» mit dem Preis für Literatur ausgezeichnet. Die 77-jährige Enkelin jüdischer Immigranten aus Russland und Ungarn wurde in New York geboren und lebt in Cambridge, Massachusetts. Glück hat in New York am Sarah Lawrence College und der Columbia University bei dem Dichter Stanley Kunitz studiert. Anschließend wurde sie als Sekretärin tätig, um ihre Schriftstellerei zu finanzieren.

Vor 52 Jahren hat Glück dann ihren ersten Gedichtband veröffentlicht. Eine frühe Zeile lautete «Es gibt immer etwas, das man aus Schmerz machen kann». Sie sprach damit aus eigenen Erfahrungen, die sie über eine von zahlreichen Ehrungen wie einem Pulitzer 1993 und 2014 einem National Book Award begleitete, literarische Laufbahn immer wieder neu verarbeitet hat.

Ihre Kindheit stand im Zeichen des Todes der älteren Schwester, die vor ihrer Geburt verstorben war. Die Trauer über den Verlust sei in ihrem Elternhaus allgegenwärtig gewesen, wie Glück in einem Essay schrieb: «Ihr Tod war der Grund, warum ich geboren wurde». Daraus erwuchs ihr Kampf um Aufmerksamkeit, die über Jahre zu einer Magersucht führte. Sie unterzog sich dafür einer Therapie und beschrieb die Krankheit als «Angst vor dem Tod, der seine Form in der Anbetung des Hungers findet».

Ihr erster Band «Firstborn» (Erstgeborene) stand 1968 im Zeichen dieser Auseinandersetzung. Breitere Anerkennung fand sie 1975 mit der Sammlung «The House on Marshland», die zwei Jahre nach ihrer eigenen Mutterschaft erschien. Nun rückte das Verhältnis zu dem eigenen Sohn und das Ringen mit einer angemessenen Form mütterlicher Liebe in den Mittelpunkt ihres Werks (Link).

Auch spätere Tragödien wie der Tod ihres Vaters oder der Verlust ihres Hauses in Vermont infolge eines Brandes wurden Stoff für Gedichte, die sich durch eine karge und harsche Sprache auszeichnen. Sie hat das Schreiben als «Tortur» bezeichnet. Daneben wandte sich Glück den Wurzeln der abendländischen Literatur zu und verfasste eine Nacherzählung der Geschichte von Odysseus und Penelope, auf als «Averno» auch auf Deutsch erschienen ist.

Foto:
Louise Glück
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. Oktober 2020