Corona Leugner kin AktionCorona überfordert bei etlichen den Verstand

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn Christian Lindner vor Fernsehkameras tritt, weiß man bereits vorher, was er sagen wird.

Der Vorsitzende der FDP, die programmatisch aus Schall und Rauch besteht, beklagt grundsätzlich die Überforderung der Wirtschaft bei sozialen Fragen und einen um sich greifenden Bürokratismus. Mit letzterem meint er beispielsweise die Beseitigung von Steuerschlupflöchern und die strafrechtliche Ahndung von Finanzdelikten. Mit geschickter Rhetorik verbirgt er die Angst seiner Klientel vor einem Staat, der den Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns stellt – und nicht kommerzielle Privatinteressen. Und der für die Wahrnehmung dieser Aufgaben Steuereinnahmen braucht, die jeder nach seinen Möglichkeiten zu entrichten hat.

Zur Corona-Krise vermag Lindner nichts von Substanz beizusteuern. Regelmäßig warnt er, dass die neuen Corona-Regeln nicht verfassungsfest seien und dass die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen bei den Bürgern schwinde: "Was passiert also, wenn nach den Weihnachtsferien die Fallzahlen erneut steigen? Droht dann im Januar mit der dritten Welle auch der dritte Lockdown, und dann später die vierte Welle und vierte Lockdown?"

Ja, so kann man ein Problem, das längst zu einer Gefahr für die gesamte Bevölkerung geworden ist, für eigene Zwecke instrumentalisieren und ein Gegensteuern, dass die Verursacher und Verharmloser treffen würde, verhindern. Bei objektiver Betrachtung gibt es jedoch keine Alternative zu den Maßnahmen, die am 28. Oktober von Bundesregierung und Landesregierungen gemeinsam beschlossen wurden. Denn es muss unter allen Umständen ein Gesundheitsnotstand verhindert und dazu das Virus eindämmt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das in ihrem Appell an Parlamentarier und Bürger noch einmal deutlich gemacht. Eine kritische Debatte über die beschlossenen Maßnahmen sei richtig und wichtig. Doch, so die Kanzlerin wörtlich, „Lüge und Desinformation, Verschwörung und Hass beschädigen nicht nur die demokratische Debatte, sondern auch den Kampf gegen das Virus."

Der parlamentarische Arm des deutschen Dummbürgertums, die AfD, sieht das erwartungsgemäß anders. Ihr Fraktionschef Alexander Gauland wirft der Kanzlerin vor, die Krise zu dramatisieren: „Angst ist ein schlechter Ratgeber. Das tägliche Infektionszahlen-Bombardement soll aber den Menschen offenbar Angst machen". Gauland spricht sogar von einer „Art Kriegspropaganda". Sein Vergleich mit dem Autoverkehr, in dem auch Menschen sterben würden, ist Kalkül. Mit solchen Plattitüden signalisiert er seiner Wählerschaft, dass er und seine Kamarilla im angekündigten Schritt und Tritt weiter marschieren, bis alles in Scherben fällt. Für Ralph Brinkhaus, dem CDU/CSU-Fraktionsführer, sind solche Phrasen unerträglich: „Herr Gauland, Sie sagen, Leben ist nicht so wichtig... erzählen Sie das mal jemandem, der einen nahen Angehörigen verloren hat."

Mit den neuen und schärferen Einschränkungen, die ab dem 2. November gelten und die bis zum Monatsende befristet sind, reagieren die Regierungen auf fahrlässige Verhaltensweisen, die seit dem Sommer um sich greifen und mittlerweile zu täglichen Infektionsquoten von über 10.000 geführt haben; sogar 20.000 Infektionen am Tag wurden von Experten vorhergesagt.

Die Maßnahmen treffen die Gastronomie besonders hat. Allerdings liegt dort noch immer vieles im Argen, ein nennenswerter Teil der Betriebe hat offensichtlich nichts aus den ersten Monaten der Pandemie gelernt. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass sich diese Branche benachteiligt fühlt. Ihr Verband DEHOGA kündigte sogar ein gerichtliches Vorgehen an. Doch nach meiner Wahrnehmung entrüstet sich hier ein Wirtschaftszweig, der zu einem wesentlichen Teil auf die Anklagebank gehört. Wegen fahrlässiger bis grobfahrlässiger Herbeiführung von Körperverletzungen, einige davon mit Todesfolge.

Ich bin in Frankfurt häufig in Sachen Literatur unterwegs und nicht abgeneigt, nach Gesprächsterminen in einem Gasthaus einzukehren. Doch das ist seit Juli dieses Jahres zu einem Gesundheitsrisiko geworden. Sei es auf der Schweizer Straße, auf der Berger Straße oder rund um die Innenstadt. In 70 Prozent der Lokale wurde nach meiner Beobachtung der Sicherheitsabstand von 1,50 m zwischen den Tischen nicht eingehalten. Nur knapp die Hälfte der Betriebe führte Gästelisten. Anfangs, als nur vier Personen aus maximal zwei Haushalten an einem Tisch Platz nehmen durften, quollen trotzdem mittags die meisten Restaurants auf der Berger Straße geradezu über. In Sachsenhausen sah es nicht besser aus. Die Stadtpolizei hat zwar erkennbar kontrolliert, war aber wegen fehlenden Personals der Aufgabe nicht gewachsen.

In der Literaturinitiative, in der ich mich engagiere und die sich normalerweise einmal im Monat in der Stadtbücherei Sachsenhausen zu einer Lesung trifft (falls die Corona-Schutzmaßnahmen es zulassen), fehlen mittlerweile Besucher, die sich selten Termine entgehen lassen. Dem Vernehmen nach sind einige verunsichert und wagen sich kaum heraus. Andere sind erkrankt. Dem Vernehmen nach haben sie sich mutmaßlich in Gaststätten infiziert. Doch als sie das gegenüber dem Gesundheitsamt angaben, wurden sie nicht ernst genommen. Denn die genannten Restaurants hatten sie nicht erfasst. Weil die Listen nur selten oder gar nicht geführt wurden/werden.

In Supermärkten fallen mir immer noch Menschen auf, die entweder keine Masken oder diese falsch tragen. Aber insgesamt halten sich die meisten an die Vorschriften. Beim Abstandhalten in den Gängen zwischen den Regalen sieht es hingegen weniger gut aus. Im März und im April war man achtsamer.

Die Menschen, mit denen ich überwiegend zu tun habe, sind zwischen 50 und 80 Jahre alt und können dem Bildungsbürgertum zugerechnet werden. Sie nehmen nicht an wilden Partys teil, sie torkeln auch nicht zu nächtlicher Stunde besoffen durch die Stadt und sie halten sich strikt an die AHA+L-Formel. Sie kommen allenfalls ausnahmsweise als unbewusste Überträger des Virus in Betracht. Die Gefahren drohen von anderen. Vermutlich auch, weil die Lage immer noch zu häufig schöngeschrieben und schöngeredet wird.

Info:

Die wesentlichen Einschränkungen, die ab dem 2.11. gelten, im Überblick

Kontakte: In der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch Angehörige zweier Haushalte treffen - maximal zehn Personen. Die Kontrollen sollen ausgeweitet werden.Gastronomie: Restaurants, Bars, Clubs, Diskotheken und Kneipen werden geschlossen. Erlaubt ist weiter die Lieferung und Abholung von Essen für den Verzehr zu Hause. Auch Kantinen dürfen öffnen. Freizeit: Freizeiteinrichtungen werden geschlossen. Dazu gehören Theater, Opern, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks und Spielhallen.Tourismus: Übernachtungsangebote im Inland sind im November untersagt. Sie dürften nur noch für notwendige Zwecke wie zwingende Dienstreisen gemacht werden. Sport: Fitnessstudios, Schwimm- und Spaßbäder werden geschlossen. Der Amateursportbetrieb wird eingestellt, Vereine dürfen also nicht mehr trainieren. Individualsport, also etwa alleine joggen gehen, ist weiter erlaubt. Profisport wie die Fußball-Bundesliga ist nur ohne Zuschauer zugelassen. Dienstleistungen: Kosmetikstudios, Massagepraxen und Tattoo-Studios werden geschlossen, weil hier der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Medizinisch notwendige Behandlungen etwa beim Physiotherapeuten sind weiter möglich. Auch Friseure bleiben geöffnet.Supermärkte: Der Einzelhandel bleibt geöffnet - es gibt aber Vorschriften, wie viele Kunden abhängig von der Größe gleichzeitig im Laden sein dürfen. Schulen und Kitas: Schulen und Kindergärten bleiben offen.Finanzhilfe: Für Unternehmen, die schließen müssen, plant der Bund milliardenschwere Nothilfen ein.Keine Neuregelungen gibt es für Gottesdienste.

Foto:
Corona-Leugner in Aktion
© ARD