wiener blutWiener Blut und islamisches Attentat, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es stockt einem wirklich der Atem, daß am Montag, 2. November, im ZDF der österreichische Kriminalfilm WIENER BLUT - lange angekündigt - ausgestrahlt wurde, während vor und nach der Ausstrahlung Wiener Blut original in einer großen Lache auf dem Bürgersteig im Ersten Bezirk gezeigt wurde und die ersten Vermutungen zu einem Attentäter geäußert wurden, der viele Personen verletzt und mindestens eine erschossen hätte und dann selber von der Polizei erschossen wurde.

Das war der Stand zum Beginn von WIENER BLUT, das wir nicht ansehen konnten, weil wir die aktuellen Ereignisse in Wien in 3sat verfolgen und die Zeitung vom Dienstag machen mußten. Aber, nachdem sich über Stunden nichts richtig Neues getan hatte, also keine neuen Erkenntnisse ergeben hatten und man die vielen Erklärungen von Attentatspsychologen aus London nicht mehr hören konnte, die immer so begannen, daß noch nicht ausreichende Erkenntnisse vorlägen, die man für eine echte Analyse eines terroristischen Hintergrunds brauche, dann aber minutenlang trotzdem von allen möglichen Beweggründen eines Täters, einer Tätergruppe fabuliert wurde, da nahmen wir die Fernbedienungstaste zur Hand, tippten auf das Häuschen, gingen auf Mediatheken, wo WIENER BLUT schon umrahmt zum Klicken bereit war. Und dann konnten wir das wiener blut2Grauen ob solcher KOINZIDENZEN von blutigem Film und blutiger Wirklichkeit nur schwer ertragen und waren froh, daß der Film eine Produktion von ORF+ZDF am Montag, dem Blutmontag in Wien, nur in Deutschland und nicht in Österreich ausgestrahlt wurde.

Die Koinzidenzen beziehen sich ja nicht allein auf das Wiener Blut, sondern daß die Ursache des Bluts jeweils ein islamistischer Anschlag ist. Angekündigt war der Kriminalfilm so: Staatsanwältin Fida Emam (Melika Foroutan), deren familiäre Wurzeln in Ägypten liegen, ermittelt in einem Fall, der zunächst nach Suizid (eine gewissen Sprachpolizei fordert hier, den deutschen Begriff des Selbstmords nicht mehr zu verwenden, das Ärzteblatt wollte alternativ 2004 die Änderung in Selbsttötung) aussieht. Spüren sie und den Polizisten Glösl ( Harald Windisch ) zu einem islamistischen Verein.

Klingt doch gut, aber ich fand den Film noch viel besser, als ich vorher gedacht hätte. In aller Kürze: eine Familie aus lauter Frauen zeigt, wie unterschiedliche diese in einer einzigen Familie sind. Die Großmutter Afifa Emam (herrlich verblüht, abgebrüht, leicht versoffen: Charlotte Schwab) war eine große internationale Stargeigerin, die nun in Wien auf dem Sofa in orientalischem Ambiente ihrer großen Erfolge in Kairo gedenkt und diese mit Opernaufnahmen imaginiert, aber gleichzeitig soviel Cleverness aufbringt, daß sie das reale Leben für sich nutzt und jeden Vorteil herausschlägt, den ihr ihre taffe Tochter Fifa bietet. Die hat als Staatsanwältin genug mit den düsteren Machenschaften zu tun, die immer wieder zeigen, daß Großverbrecher den direkten Draht zu den ministeriellen Entscheidungsträgern haben und ihn nutzen und damit kurz vor der Festnahme oder Hausdurchsuchung Fida von den jeweiligen Fällen entbunden wird und diese eingestellt werden, obwohl klar ist, daß hier die Schuldigen gefunden wurden.

Neben der beruflichen extremen Anforderung, steckt sie privat in totaler Überforderung. Von der Mutter wurde schon gesprochen, deren Alkoholflaschen sie regelmäßig ins Becken kippt, aber ein größeres Problem ist die Tochter. Die Staatsanwältin muß bei der Sichtung des vermuteten Selbstmords eines Mannes sofort in die Schule kommen, wo ihre Tochter Aline (Noelia Cirazi) das Kopftuch trägt, den Koran in der Schule verteilt, die  Unterschrift der Mutter für Schulschwänzen fälscht, und ihr den Freund Djamal (Hassan Kello) verheimlicht, der – das wissen wir erst später – sie benutzt, damit sie die Materialien einkauft, mit denen er eine Bombe baut, die sie ahnungslos unters Volk bringt. Das Wiener Attentat im Film mit sehr viel Blut. Sehr schnell dagegen wissen wir von dem Uraltverhältnis, das Fida mit dem Richter, dem sie zugewiesen ist, Michael Körner (Martin Niedermair) hat, der erstens verheiratet ist und zweitens der Vater von Aline ist, der Fida immer wieder den Rücken freihält, dann aber einknickt, wenn aus dem Innenministerium, siehe oben, die Order zum Aufgeben kommt, was er nur deshalb nachvollzieht, weil seine Beziehung mit seiner Staatsanwältin bekannt und er erpreßbar ist.

Das ist noch nicht alles. Wir sind in Wien und da gibt es nicht nur den Schmäh, sondern die Intrigen in besonders infamer Form, zuzüglich die Korruption, an vorderster Stelle der Sektionschef Guntram Schneider (Florian Teichtmeister) Da gibt es aber auch die Guten wie den angeblichen Selbstmörder, der mitten in einer wichtigen Korruptionsuntersuchung als Mitarbeiter der österreichischen Finanzmarktaufsicht FMA ermordet wird, denn es war eindeutig Mord, dessen Täter nun in die richtige Richtung weisen: das Zusammenspiel von westlichem Geld, Rechtsradikalismus und Untergangslust (Privatbanker Stefan Meer – Harald Schrott) mit muslimischem Haßprediger Ahmed Rahimsai (Stipe Erceg). Das ahnt der Zuschauer schon,  bis er es in einer spannenden Teerunde in der Moschee bewiesen sieht, als die beiden, die eigentlich Feinde sind, sich hier gegenseitig als kleineres Übel ansehen und gemeinsam die Vernichtung der gemeinsamen Feindin Fida u.a. beschließen, ausgerechnet über Tochter Alinas jungen Dschihadistenfreund.

Die Geschichte (Drehbuch Martin Ambrosch) ist etwas überkonstruiert, überzeugt aber durch die schwierige Melange, wie reale Gefahren von Rechtsradikalismus und Islamismus hier in eine so ernsthafte wie unterhaltsame Geschichte zu packen, die zudem von den Schauspielern überzeugend rübergebracht wird.

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