vienna.atWiener Blut und islamisches Attentat, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man weiß heute ein wenig mehr über das gestrige Attentat in Wien, aber noch zu wenig, um wirklich alles einschätzen zu können, gleichzeitig genug, um von einem einzigen Attentäter auszugehen, der als 20jähriger Wiener mit nordmazedonischen Hintergrund als Dschihadist den Westen vernichten will und leider vier Menschen ermorden konnte und 23 mit Schußwaffen zum Teil sehr schwer verletzte, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde.

Dieser junge Mann ist in Wien geboren, dort aufgewachsen, hat dort die Schule besucht, wohnt draußen im alten Arbeiterbezirk Simmering  und ist in islamistische Kreise geraten, die die Zerstörung der westlichen – ungläubigen – Gesellschaften mit Hilfe von radikaler Gewalt, Attentaten, also durch ein Blutbad bewirken wollen. Er wollte von Wien nach Syrien reisen, um dort den IS zu unterstützen, kam aber nur bis in die Türkei, wo er festgenommen und zurückgeschickt wurde. Das scheint ihn weiter radikalisiert zu haben, denn er wurde am 25. April 2019 in Österreich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung urspünglich 22 Monate in Haft genommen. Warum sich ein junger Mann, der im Gegensatz zu den letzten Attentätern in Frankreich und auch dem Berliner Attentäter eben kein Flüchtling ist, der quasi ferngesteuert deshalb nach Europa kommt, um durch Attentate die hiesigen Gesellschaften zu verunsichern, letztlich zu vernichten. Nein, dies ist ein junger, hier aufgewachsener Mann, der sich von Leuten in Syrien, die hier über Imame kommunizieren, überzeugen läßt, Menschen zu töten, seine Mitmenschen zu töten, seine Wiener zu töten, denn er ist einer davon.

Man kann es sich schwer vorstellen, weil es einfacher ist, zu akzeptieren, daß der Feind von außen kommt, als aus dem eigenen Lager, der eigenen Stadt; aber das ist der Hintergrund, der dazu führte, daß der 20jährige Wiener in seinem Alter schon als Terrorist vorbestraft ist, aber – und das führte sofort zur Diskussion – am 5. Dezember 2019 auch nach dem Jugendstrafrecht vorzeitig entlassen wurde, weil ihm niemand ein Attentat zutraute. Als er erschossen wurde, hatte er mehrere Schußwaffen bei sich sowie Munition, auch eine Machete und einen Sprengstoffgürtel, der sich als Attrappe herausstellte . Bei der späteren Hausdurchsuchung wurden weitere Munitionsteile gefunden. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat sich kritisch dazu geäußert, daß der Attentäter als Terrorist vorbestraft ist, aber vorzeitig entlassen wurde, weil ihm niemand ein Attentat zutraute. Das bewegt zur Zeit Österreich und es ist viel komplizierter als es erst mal aussieht.

Hört man nämlich, daß ein als Terrorist Vorbestrafter frühzeitig entlassen wird und ein Dreivierteljahr später ein ‚richtiges‘ Attentat, ein Blutbad anrichtet, lautet die Reaktion verständlicherweise, daß dies nie hätte geschehen dürfen. Doch mit der frühzeitigen Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe ist ein Programm verbunden, daß den Entlassenen einbindet in ein System von Überprüfung, etwas wie unsere Bewährungshelfer, allerdings mit stärkerer Kontrolle, während nach Absitzen der vollen Strafe sie ohne Auflagen ins Leben zurückkehren. Der Täter hatte im Gefängnis an einem Deradikalisierungsprogramm teilgenommen und dessen Mitarbeiter getäuscht, sagte Innenminister Nehammer am Dienstagnachmittag.

Aber, was man durch dieses Attentat nun auch erfährt, ist, daß es 330 Gefährder in Österreich gibt, was viel ist im internationalen Vergleich. Österreich ist in Europa eine dschihadistische Hochburg, von der niemand wußte, auch deshalb, weil sie  bisher seit vielen Jahren vom Terrorismus verschont blieb.  Derzeit muß man vor potentiellen Nachahmungstätern Angst haben. Denn jetzt gilt es eine weitere Grauzone zu durchleuchten. Der Täter wurde bei seinen Erstkontakten mit Terrorkreisen gleich gefaßt, was nur durch das Aufgreifen seiner Person in der Türkei möglich wurde. In Wien wäre er nicht weiter aufgefallen. Erst einmal. Überwacht werden nämlich in erster Linie diejenigen, die sich dem IS haben anschließen wollen. Diejenigen, die mit der selben Gesinnung zu Hause bleiben, nicht. Das ist deshalb ein Problem, weil nirgends so viele Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, aus dem Balkan leben wie in Österreich, vor allem in Wien. Das ist die gleiche Gruppe oft entwurzelter junger Männer wie in Frankreich, die zu wenig Perspektive für sich sehen und gefundenes Fressen für eine Radikalisierung durch Islamisten, durch Imame sind. Darüber will man bei diesem Attentäter, dessen Eltern Albaner aus Nordmazedonien sind, auf jeden Fall mehr wissen.

Für unsere Berichterstattung gilt, daß wir nur vom Täter sprechen, auch wenn der Name bekannt ist und noch immer nicht hundertprozentig gesichert ist, daß er Einzeltäter war. Die Polizei untersucht derzeit die Wegstrecken zu Fuß im Ersten Bezirk, wo Montagabend die Schüsse gefallen waren, ob nämlich der Attentäter dies hätte bewältigen können.

Heute denkt man erst einmal, daß es der bisherige Einzeltäter war, der an sechs Orten, sechs Schußstellen, vier Menschen ermordete und 23 verletzte. Alle im Ersten, will sagen 1. Bezirk, allerdings kann man das noch stärker einengen, drei der Stellen sind im sogenannten Bermudadreieck, das ein klassisches Ausgeh- und Versackerviertel  am Donaukanal ist am Schwedenplatz ist.  Übrigens gibt es auch ein Bekennerschreiben. Inzwischen hat sich der IS zum Anschlag bekannt, das allerdings macht der IS immer, wenn er sich die Taten von Einzelgängern zu eigen macht, weil die ‚erfolgreichen‘ Attentate die Bedeutung des IS vergrößert. Allerdings sieht es so aus, was sich allerdings bei Toten und Verletzten gleichzeiti verbietet, zu äußern, daß das Attentat nicht erfolgreich war, weil der Attentäter sehr viel mehr Menschen ermorden wollte.

Gleichzeitig zeigen die Örtlichkeiten, daß dieser Dschihadist genau die Seele des weltoffenen Wien hat treffen wollen, wo sich die Leute ihres Lebens erfreuen, essen, trinken, reden, sich miteinander wohlfühlen, vor allem an einem frühlingshaften Novemberabend.

Bevor man mehr über das Leben des Attentäters weiß, ist die Frage vorrangig, warum dies am Montagabend geschah. Eine erste Theorie, die dann auch erklären soll, weshalb das WIENER BLUT nicht noch mehr vergossen wurde, lautet, daß der in Österreich am Dienstag, 3. November beginnende Lockdown, der ja nicht lange vorher angekündigt wurde, Ursache ist, daß der Terrorist eher holterdiepolter seine Mordserie begann und weniger Menschen morden konnte, als er beabsichtigte, wofür die Menge an nicht verwendeter Munition spricht. Und daß der Täter sich vor dem Anschlag auf Facebook mit einer Kalaschnikow und einer Machete zeigte, den späteren Tatwaffen, erweist die pathologische Grundhaltung eines Männlichkeitswahn, dem der IS und seine Ableger in Wiener Moscheen erfolgreich einreden, kein armes Würstchen zu sein.

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