Bildschirmfoto 2020 11 08 um 22.42.18Oppositionsführer Yair Lapid gratulierte Joe Biden lange bevor Premier Binyamin Netanyahu sich dazu durchringen konnte

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) - Der erste israelische Politiker, der dem soeben gewählten zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Joe Biden, gratulierte, war Oppositionsführer Yair Lapid. Danach folgte lange nichts. Irgendwann gratulierte Benny Gantz von Blau-Weiss, der im Augenblick Verteidigungsminister und der «alternierende Premierminister» ist. Und dann, zwölf Stunden nach dem bekannt war, dass Joe Biden die Wahlen gewonnen hatte, kam die überfällige Gratulation des Premiers. Binyamin Netanyahu schrieb: «Gratulation an Joe Biden und Kamala Harris. Joe, wir haben nun seit fast 40 Jahren eine lange und herzliche, persönliche Beziehung, und ich kenne dich als Freund Israels. Ich freue mich darauf, mit Euch beiden zusammen zu arbeiten, um die spezielle Allianz zwischen den USA und Israel weiter zu stärken.» Interessant an diesem Text: Netanyahu schrieb nicht, wofür er den beiden gratulierte. Das traute er sich nicht gegenüber seinem Buddy, den er übrigens gleich auch noch mit einem Tweet beglücken wollte: «Danke Donald Trump für die Freundschaft, die Sie gegenüber dem Staat Israel und mir persönlich gezeigt haben, danke dafür, dass Sie Jerusalem und den Golan anerkannt haben, dass Sie gegen den Iran aufgestanden sind, für die historischen Friedensverträge und danke dafür, dass Sie die amerikanisch-israelische Allianz zu neuen, unvergleichlichen Höhen gebracht haben.» Netanyahu hatte keine Wahl. Er musste Biden gratulieren, ihm aber zum Wahlsieg zu gratulieren hätte bedeutet, Trumps Nichtanerkennung seiner Niederlage zu ignorieren. Der Premier weiss, dass er noch zwei Monate von Trump abhängig ist und ihn braucht. Denn Trump will bis zum 20. Januar 2021, bis zur Inauguration von Joe Biden, noch weitere Sanktionen gegen den Iran verhängen, um eine Wiederannäherung zwischen Biden und Teheran so schwer wie nur möglich zu machen – ganz im Sinne Netanyahus. Ach ja, es gab auch Politiker wie Ayoub Kara, die Biden nicht gratulieren wollten und Trump auf Facebook schon jetzt nachweinen. Israels Präsident Reuven Rivlin verhielt sich, wie es das Protokoll verlangt: er gratulierte und lud den zukünftigen amerikanischen Präsidenten zu einem Staatsbesuch nach Israel ein.

Foto:
Yair Lapid war der erste israelische Politiker, der Joe Biden gratulierte

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. November 2020