Bildschirmfoto 2020 12 01 um 02.01.29NAHOST: Zum Mord an dem iranischen Top-Atom-Physiker

Andreas Mink

Tel Aviv (Weltexpresso)- Experten betrachten den Mord an dem Atom-Physiker Mohsen Fakhrizadeh als Sabotage-Akt Israels gegen eine Wiederaufnahme des internationalen Atom-Abkommens durch die Biden-Regierung.

Das iranische Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei hat am Wochenende Vergeltung für die Ermordung von Mohsen Fakhrizadeh am Freitag angekündigt. Der führende Kopf des iranischen Atomprogramms war am Freitag in einem Dorf außerhalb Teherans einem Mord-Kommando zum Opfer gefallen. Khamenei und Präsident Hassan Rouhani machten Israel für den Anschlag verantwortlich. Rouhani kündigte jedoch Vergeltung «zu einem angemessenen Zeitpunkt» an. Iran werde nicht mit einer spontanen Aktion «in die Falle der Zionisten treten», die mit dem Mord in der Region Chaos säen wollten.

Europäische Regierungen und die UN riefen derweil zu Besonnenheit auf. Israel hat die Verantwortung für die Tat nicht offiziell übernommen. Aber am Sonntag ließen Geheimdienstminister Eli Cohen und andere Offizielle kaum Zweifel an der Urheberschaft: «Iran ruft zur Zerstörung Israels auf, und deshalb ist aus unserer Sicht jeder aktiv an nuklearen Aufrüstungsbestrebungen Beteiligte dem Tod geweiht.» Premier Benjamin Netanyahu hatte Fakhrizadeh bereits 2018 als Chef des iranischen Atom-Programms und Staatsfeind Nr. 1 Israels bezeichnet.

In den USA teilen Experten wie David Sanger diese Einschätzung. Der «New York Times»-Reporter hat Insider befragt und kommt zu dem Schluss, dass Netanyahu – vermutlich in Absprache mit der Trump-Regierung – mit dem Anschlag mindestens zwei Ziele verfolgt: Eine Schwächung des nach der Aufkündigung des internationalen Atom-Abkommens durch Donald Trump 2018 beschleunigten Anreicherungs-Programm Irans; daneben aber wolle Netanyahu diplomatische Bemühungen für eine Rückkehr Washingtons zu dem Atom-Deal unter Präsident Joe Biden sabotieren. Von daher sei der Mord an Fakhrizadeh nicht zuletzt eine Provokation: Schlägt Teheran zurück, würde eine Rückkehr zu Diplomatie für Biden kaum mehr denkbar.

Trumps Schwiegersohn Jared Kushner betreibt derweil einen diplomatischen Endspurt in Nahost. Der Präsidenten-Berater fliegt diese Woche nach Saudi Arabien und Qatar, um die seit drei Jahren zwischen beiden Staaten herrschenden Spannungen beizulegen. Kushner war bereits Mitte November in Nahost, um den saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman (MBS) zu einer diplomatischen Anerkennung Israels zu bewegen. MBS traf zwar persönlich mit Kushner und Netanyahu zusammen, hat die Aufnahme offizieller Beziehungen zu Israel dann aber abgelehnt. Beobachter vermuten, MBS wolle nach dem Wahlsieg von Joe Biden keine voreiligen Schritte auf dem diplomatischen Parkett riskieren.

Foto:
Menschen trauern um den Sarg von Mohsen Fakhrizadeh
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 1. Dezember 2020