"Meinungsmelder": Wichtig oder unwichtig?
 
Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Der kleinste öffentlich-rechtliche Sender hat zwei Standorten an der Weser, in Bremen und in Bremerhaven. Früher wurde er schon 'mal als „Radio Hanoi“ beschimpft, aber auf dem Bremer Marktplatz protestierten Jungdemokraten vergeblich gegen RB-Dokumentationen amerikanischer „Fake-News“ in Sachen Vietnam-Krieg, und CDU-Rundfunkratsmitglied Bernd Neumann musste sich von Radio Bremen-Chefredakteur Gert von Paczensky die Frage gefallen lassen, ob er wolle, dass der Sender die nachgewiesenen Lügen von US-Propagandisten weiter verbreiten sollte.
Im nächsten Jahr droht Radio Bremen das Geld auszugehen, weil es in der Kenia-Koalition von Sachsen-Anhalt dank eines Rechtsdralls keine Zustimmung zu einer bundesweiten Erhöhung des Rundfunkbeitrages geben wird. Nach Lage der Dinge wird ausgerechnet Sachsen-Anhalt selbst darunter leiden, dass die 86 Cent Erhöhung zum Januar nicht kassiert werden. In Halle sollte eine Einrichtung von ARD und ZDF entstehen, eine Kulturplattform, in der mehrere Hundert Mitarbeiter Beiträge und Angebote digitalisieren und im Internet verfügbar machen.


Als alter Radio Bremen-Mitarbeiter, nach fast 30 Jahren Leben und Arbeiten in Afrika zurückgekehrt vom Sambesi, interessiert mich aber mehr, was an der Weser los ist.
 
Dort wird in diesem Jahr Jubiläum gefeiert, auf der RB-Website klingt das so:


> buten un binnen wird 40
Am 1. September 1980 startete Radio Bremen ein tägliches Regionalmagazin und avancierte damit zum Musterbeispiel für kritische regionale Fernsehberichterstattung.
Sowas hatte das deutsche Fernsehen noch nicht gesehen: ... Frech kam das rüber, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe mit den Zuschauerinnen und Zuschauern. Schnell avancierte das Magazin zum Musterbeispiel für kritische regionale Fernsehberichterstattung – und brach durch saloppe Kleidung, direkte Sprache und eine nie gekannte Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten manche gültige TV-Konvention. <

> Radio Bremen wird 75 – und kein bisschen leise!
Es begann am 23. Dezember 1945 mit einem einfachen Satz: „Hier ist Radio Bremen“ klang es aus den Radios. Das war der Start einer neuen Ära. Seit 75 Jahren ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk Medium und Faktor der freien Meinungsbildung, einer demokratischen, sozialen und kulturellen Gesellschaft – inzwischen natürlich auch im TV und Online. Radio Bremen sagt im Jubiläumsjahr „Danke“ zu den Menschen, die das ermöglichen: den Hörer*innen, Zuschauer*innen und Nutzer*innen aus Bremen, Bremerhaven und umzu. <

Auch „Danke“ zu jenen, die das alles seinerzeit auf die Ätherwellen brachten, akustisch und optisch?

Ich gab dieser Tage auf der Website Radio Bremens in deren Suchmaske einen Namen ein:

„Michael Geyer“. Probieren Sie es 'mal, da kommen alle möglichen Michaels hoch, bloß kein „Geyer“!


Dabei hätte der Freund und Kollege in diesem Jahr auch ein Jubiläum feiern können, wäre er nicht schon Ende Januar 2003 gestorben.

Im März dieses Jahres wäre er 80 geworden.

Und was hat Michael Geyer mit Radio Bremens Jubiläen zu tun?

Ich habe es nicht vergessen!

Radio Bremens Chefetage empfehle ich ein Nachschlagen bei Wikipedia:

> Geyer studierte Publizistik, Soziologie und Geschichte und erhielt bei Radio Bremen im März 1970 eine feste Anstellung als Nachrichtenredakteur, 1980 wurde er Redakteur für das Regionalfernsehen. Er war maßgeblich am Konzept und der Darstellung des regionalen Nachrichtenmagazins 'buten un binnen' beteiligt, welches er auch moderierte. Außerdem trat er als Außenreporter in der von Radio Bremen produzierten Sendung 'Extratour' auf und kommentierte oft provokativ in den Tagesthemen. Von 1990 bis 1998 war Geyer Chefredakteur Fernsehen, danach wurde er Abteilungsleiter Kultur und Gesellschaft. Seit Ende 2000 lebte Geyer im Vorruhestand. <

Als Freund hat er mir bei Telefonaten zwischen Bremen und Harare erzählt, dass er sich die Tränen verkneifen musste, als er an seinem letzten Arbeitstag nichtsahnend sein Büro verließ ... und sich plötzlich konfrontiert sah mit einem schier endlosen Spalier von Mitarbeitern – von Abteilungsleitern und Sekretärinnen bis zu Maskenbildnerinnen und Bühnenarbeitern – jeder/jede mit einer weißen Rose in der Hand.

Und er sagte mir auch, weshalb er Angebote abgelehnt hatte, im Umgestaltungsprozess Radio Bremens noch eine Rolle spielen zu wollen. Es werde ein neues Haus gebaut, sagte er, aber niemand hat die gefragt, die darin arbeiten werden, ob sie Ideen für das haben, was darin Neues geschehen könnte. ...

Über Michael wurde in Bremer Kreisen geraunt, zum Lachen gehe der in den Keller. Ich habe ihn ganz anders erlebt – als Kollegen und als meinen besten Freund. Übrigens auch all jene Bremer, die wir zusammen bei abendlichen Kneipen-Besuchen trafen.

Von seinem frühen Tod erfuhr ich durch einen Telefon-Anruf in Afrika. An seinem Grab traf ich viele seiner Kolleginnen und Kollegen.
Fast 30 Jahre später sagte mir einer beim Wein in Bremen, er habe es nicht verstanden, dass ich weggegangen sei und Michael alleine gelassen hätte. ...

Das hat geschmerzt, und mir fiel ein, was mir Michael in einem anderen Telefonat nach Harare berichtet hatte. Nach der ersten TV-Live-Sendung von „Extratour“ sei er von einem Zuschauer angerufen worden. Der habe ihn gefragt, ob sein Co-Moderator der Mann gewesen sei, mit dem er – Geyer – vor einiger Zeit in Puerto de Sóller auf Mallorca in der Sonne gesessen habe. Er habe am Nebentisch gesessen und alles mitbekommen, was wir beredet hätten, nämlich das Konzept für diese linke Unterhaltungs-Show. Er habe ihm sagen müssen, dass jetzt Christian Berg mit ihm durch die Show führe. Der Freund von damals in Puerto de Sóller arbeite jetzt in Afrika bei seiner eigenen „Radiobrücke“. ...
 
Mit meiner „Alternativen Weihnachtsgeschichte“, mit unserer gemeinsamen Arbeit über die „Aktion Schöne Wolke“, habe ich an dieser Stelle schon begonnen, an gemeinsame Erfahrungen zu erinnern. Erfahrungen, die Grundsätzliches über EMPATHIE bei dem Versuch aussagen, Fremde und Fremdes zu verstehen und in Medien wie Rundfunk und Fernsehen zu erklären.
Wie Michael und ich auf die Idee kamen, aus Asien ein Bambus-Floß nach Bremen zu bringen, erzähle ich an dieser Stelle ab morgen.
 

Fotos:
© KJS / zitierte Webseiten

Info:
http://www.radiobridge.net/vietnam.html