Adele Hübner-Neuwerk
Insel Neuwerk (Weltexpresso) - Sehr geehrte Frau Ministerin, vor ein paar Tagen haben Sie Ihre sozialdemokratischen Koalitionspartner angepinkelt, weil sie über die Bewaffnung von Drohnen noch einmal nachdenken wollen. Ich weiß, dass sich der Ausdruck nicht schickt, Aber Sie selbst haben einmal von pinkelnden Männern gesprochen, so dass Sie mir das nicht allzu krumm nehmen werden.
Von Natur aus haben die richtigen Drohnen ja keinen Stachel, sodass die militärischen Drohnen eigentlich überhaupt nicht bewaffnet werden dürften. Aber in diesem Milieu nimmt man es mit der Stimmigkeit von Wörtern nicht so genau. Wenn Soldaten zu Kriegseinsätzen ins Ausland geschickt werden, nennt man das Friedensmission. Aber zur Sache. Sie haben der SPD-Fraktion im Bundestag Unverantwortlichkeit vorgeworfen „vor allem mit Blick auf die Sicherheit und den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten“. Ein weites Feld, wie mir scheint. Ich habe immer gemeint, Soldaten würden in erster Linie bewaffnet, um einen Gegner nötigenfalls zu töten und nicht um sich selbst Mut zu machen.
Wenn es um die Sicherheit und den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten geht, dann wäre es doch am besten, sie zu Hause zu lassen und erst gar nicht auf gefährliche Auslandseinsätze zu schicken. Wissen die Automaten in den unbemannten Drohnen wirklich immer, ob sie uniformierte Kämpfer oder unbeteiligte Zivilisten vor sich haben? Als es mit Afghanistan losging, war nicht einmal der damalige Verteidigungsminister Peter Struck von der SPD ganz im Bilde. Er sei „fast sicher“, sagte er im Bundestag, dass die Bundeswehr dort nur noch gebraucht werde, „die humanitäre Versorgung zu sichern“ Es sei „dummes Zeug“, von einem Kriegseinsatz zu sprechen.
Auf ähnliche Art und Weise wird jetzt die Bewaffnung unbemannter Drohnen verharmlost und Sie, Frau Ministerin, beteiligen sich daran. In Wirklichkeit läuft hier „das größte und gefährlichste Rüstungsvorhaben der europäischen Geschichte“ ab, wie sich Harald Neuber am 23. Dezember 2020 bei Telepolis ausdrückte, ein 500-Milliarden-Euro-Vorhaben mit dem Namen „Future Combat Air System“, an dem an höchster Stelle gedreht wird, und das ausgerechnet in Zeiten, in denen das Geld anderswo zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dringend gebraucht würde.
Die Entwicklung immer neuer Kriegswaffen, bei denen im Ernstfall Algorithmen entscheiden, senkt die menschliche Hemmschwelle, wenn es um Krieg oder Friedens geht. Sie ebnet den Weg in neue Katastrophen. Sie ist zutiefst inhuman und nicht zu vereinbaren mit dem humanitären Völkerrecht. Nicht die Forderung nach neuem Nachdenken über die Drohnenbewaffnung ist verantwortungslos, sondern die Verweigerung einer solchen Diskussion. Nach Artikel 25 des Grundgesetzes sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
Das gilt auch für Sie, Frau Ministerin. Kernstück des humanitären Völkerrechts sind die vier Genfer Abkommen von 1949 und die beiden Zusatzprotokolle von 1977. Sie schützen die Menschen vor Grausamkeit und Unmenschlichkeit in Kriegssituationen. Dies gilt insbesondere für Personen, die nicht an bewaffneten Auseinandersetzzungen teilnehmen, für verletzte, kranke oder schiffbrüchige Kombattanten sowie Zivilpersonen. Bevor der Rüstungsindustrie Milliardenaufträge für Killer-Drohnen zugeschoben werden, sollte der Bundestag darüber eine Grundsatzdebatte führen und die Spreu vom Weizen trennen.
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