Sturm auf das US-Kapitol: Rufe nach Amtsenthebung von Trump

Die einzigartige Attacke auf die amerikanische Demokratie löst Schock und breite Verurteilung aus

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Der historisch einzigartige Sturm Hunderter, wenn nicht Tausender von Trump-Anhänger am Mittwochnachmittag auf das US-Kapitol hat schockierende Bilder produziert. Besetzer schwenkten die Flagge der Südstaaten im Bürgerkrieg. Ein bärtiger Mann trug ein T-Shirt mit der Aufschrift «Camp Auschwitz» über einem Totenkopf, während vor ihm strahlende Trump-Anhänger Trümmer eines Namensschildes der demokratischen Fraktionschefin Nancy Pelosi hochhielten. Die Besetzer dürften jedoch keineswegs allein Extremisten am Rande der Gesellschaft gewesen sein. US-Medien machten unter den Angreifern zumindest einen Republikaner aus dem Landesparlament von West Virginia aus .

Das Kapitol wurden durch die völlig überforderte, teilweise passive und mitunter offen mit den Besetzern sympathisierenden Sicherheitskräfte der Capitol Police erst nach Stunden geräumt. Nach 20 Uhr setzten beide Kongress-Kammern die eigentlich nur formelle Debatte über die Anerkennung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen fort. Einige Republikaner wie der Trump-Vertraute Lindsey Graham und die Verliererin der Senats-Wahlen in Georgia, Kelly Loeffler, zogen dabei ihre Vorbehalte und damit ihr Einverständnis mit den Lügen Trumps über angeblichen Wahlbetrug zurück. Dies galt jedoch nicht für Rädelsführer dieser Attacke auf die Regeln der amerikanischen Demokratie, die Senatoren Ted Cruz und Josh Hawley.

Gleichzeitig kündigten zahlreiche Mitarbeiter im Weißen Haus wie Stephanie Grisham, die Stabschefin der First Lady, ihre Jobs. In der Öffentlichkeit wurden rasch Rufe nach einer Absetzung Trumps durch sein Kabinett oder den Kongress über den 25. Verfassungszusatz oder ein Impeachment laut. Diese werden von Organisationen wie dem American Jewish Congress unterstützt. Zahlreiche Verbände wie die President´s Conference verurteilen Trumps Verschwörungstheorien und die Gewalt seiner Anhänger mit deutlichen Worten.

Bemerkenswert sind zudem die deutlichen Worte von Norm Coleman. Der Ex-Senator aus Minnesota und Vorsitzende der «Republican Jewish Coalition» nannte das Kapitol auf Twitter einen «heiligen Ort». Es könne nicht angehen, dass ein Mob die Macht im Lande übernehmen wolle. Und Trump habe diesen Mob von Aufständischen angestiftet. Doch die Wahlen seien vorüber und Wut aufgrund des Ergebnisses dürfe keine Entschuldigung für Mob-Gewalt sein ( allerdings erreichten der Schock über das Geschehen nicht alle Teile der Washingtoner Szene. So warf Ari Fleischer, der Ex-Sprecher von George W. Bush, den Demokraten vor, sie hätten durch ihren Widerstand gegen Trump von Anfang als erste die Normen zerbrochen, welche nun auch von Trump-Anhängern verletzt worden seien. Extremere Trumpisten brachten sogleich die «Antifa» als eigentliche Täter oder doch Mitwirkende an der Besetzung ins Spiel.

Trump, der die Besetzer wenig zuvor mit einer Rede vor dem Weißen Haus aufgehetzt hatte, soll geistig völlig abgedreht und nicht ansprechbar sein, während er das von ihm angestoßene Chaos  am Fernseher mit verfolgt. Twitter und Facebook haben seine Konten für 12 und 24 Stunden blockiert.

Besonders erschreckend wirkt jedoch die Haltung zumindest von Teilen der Capitol Police: Aufnahmen zeigen Polizisten, die Demonstranten den Weg zum Sturm durch Absperrungen öffnen oder sie dann triumphierend und völlig unbehindert abziehen lassen. Auf einem Clip sind Besetzer zu erleben, die eine «Rückkehr» versprechen – aber erst «nach einem Bier», dann aber wirklich gewalttätig werden wollen. Sie verlassen das Kapitol durch eine Doppeltür mit der hingeschmierten Aufschrift «Murder the Media». Tatsächlich wurden auch Journalisten und Kamera-Teams attackiert und Equipment zerstört.

Foto:
Polizisten im US-Kapitol nach den gestrigen Ereignissen
©tachles