Yves Kugelmann
Basel (Weltexpresso) - Der Mob war schon immer die erste Waffe der Faschisten. Doch er war nie die letzte. Nun hat er auch die Demokratien erreicht. Donald Trump setzte gestern Mittwoch zum Schluss seiner fatalen Präsidentschaft die Fratze auf, die viele auch seiner jüdischen Anhänger bis zuletzt negierten. Vier Jahre lange hetzte Trump den Mob auf, machte Verschwörungstheorien und Rassismus zu Politik. Faschisten, Populisten, Demagogen lassen töten. Ihre Komplizen sind Hetze, Hass, Aufwiegelung.
Das Morden beginnt auch beim Führer der radikalen Rechtsextremen mit Worten – zu diesem Führer hat sich Präsident Trump weit über Amerika hinaus selbst gemacht. Was eine überraschte breite Öffentlichkeit erstmals bei der rechtsextremen Demonstrationen in Charlottesville unter dem Motto «Unite the Right» im August 2017 vorgeführt erhielt als vor allem teilweise schwer bewaffnete Mitglieder von Alt-Right und Ku-Klux-Klan, Neonazis, Neokonföderierte, Militia-Movement-Anhänger, White Nationalists und White-Supremacy-Anhänger zu einer Rassismuskampagne aufmarschierten, mündete Ende 2019 in eine antisemitische Welle mit über einem Dutzend Anschlägen auf jüdische Institutionen.
Auf einmal war Amerika nicht mehr der sicherste Ort für Jüdinnen und Juden, nicht mehr Einwanderungsland und die neue Heimat. Der Präsident des Jüdischen Weltkongress Ronald Lauder in New York hat ebenso wie der Leiter des Simon Wiesenthal Center in Los Angeles Marvin Hier, der Casino-Mogul Sheldon Adelson sowie eine ganze Clique rund um Trumps Schwiegersohn Jared Kuschner den Weg des Mobs bis in Washingtons Herz der Demokratie im Capitol mit geebnet, den Trumps ehemaliger Geburtshelfer Steve Bannon schon im Wahlkampf 2016 proklamiert hatte.
Es war eine Eskalation mit Ansage, gegen die drei Viertel der jüdischen Wählerinnen und Wähler der USA mit der Unterstützung der Demokraten gestimmt und zuletzt ein klares Zeichen gesetzt haben. Doch wer genau hinschaute, konnte von Beginn an erkennen, was sich da für eine demokratiefeindliche Ideologie anbahnte, Populismus und Rechtsextremismus bis nach Europa förderte und viele Schönredner negierten.
Anders der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer im Februar 2017 in einer Gedenkveranstaltung für den deutsch-amerikanischen Historiker Fritz Stern, der unmittelbar nach Trumps Inauguration analysierte, was sich heute wie eine Prophezeiung liest: «Wenn wir uns die gegenwärtige US-Regierung anschauen, meine ich, dass wir unterschätzen, wie ideologiegetrieben ihr Handeln ist.» Bannons Einsitz in Trumps Weißem Haus war für Fischer die Matrix einer fulminanten Veränderung, die viele banalisierten: «Bannons Weltbild besteht darin, dass sich im 21. Jahrhundert, dem Zeitalter der Globalisierung, die sogenannte judäo-christliche, weiße Welt, um ihre Vorherrschaft verteidigen zu können, wehren muss.»
Fischer sah «einen globalen Kulturkampf auf rassistischer Grundlage: die judäo-christliche Welt gegen den Rest.» Dieser Rest sei auf staatlicher Ebene die aufsteigende Supermacht China und auf nicht staatlicher Ebene durch den Islam angeführt. Russland würde die Stelle Europas in diesem Kulturkampf einnehmen, «weil der ideologische Kulturkampf der Regierung Trump auf derselben Wertegrundlage fusst». Die Konfrontation einer liberalen Gesellschaft im Inneren der USA und einer liberalen Verfassungswirklichkeit stünde dem Weltbild Bannons entgegen.
Fischer plädierte für Klarsicht ohne falsche Verharmlosung: «Es macht aber keinen Sinn, die Augen vor dem zu verschließen, was sich vor ihnen ereignet, oder sich einem Optimismus hinzugeben, der in der Sache nicht gerechtfertigt ist.» Zugleich blieb er zuversichtlich: «Ich glaube auch nicht, dass sich diese Agenda durchsetzen wird. Vielmehr hoffe ich, dass sich die amerikanische Zivilgesellschaft und die Institutionen wie auch die Gewaltenteilung als stark genug erweisen werden, um diese Agenda zu blockieren.» Und er meinte: «Es wird viel und großes und sogar gefährliches Chaos entstehen.» Das Chaos ist da. Der narzißtische Faschist, notorische Lügner und antidemokratische Rassist Trump hat es mit seinen Weggefährten verantwortet. Rechtsstaat, Demokratie und vor allem ihre Bürger müssen nun die Lehren und Konsequenzen daraus ziehen.
Foto:
Der faschisitische antisemitische Mob am Mittwoch im US-Capitol in Washington
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 8.1. 2021
Es war eine Eskalation mit Ansage, gegen die drei Viertel der jüdischen Wählerinnen und Wähler der USA mit der Unterstützung der Demokraten gestimmt und zuletzt ein klares Zeichen gesetzt haben. Doch wer genau hinschaute, konnte von Beginn an erkennen, was sich da für eine demokratiefeindliche Ideologie anbahnte, Populismus und Rechtsextremismus bis nach Europa förderte und viele Schönredner negierten.
Anders der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer im Februar 2017 in einer Gedenkveranstaltung für den deutsch-amerikanischen Historiker Fritz Stern, der unmittelbar nach Trumps Inauguration analysierte, was sich heute wie eine Prophezeiung liest: «Wenn wir uns die gegenwärtige US-Regierung anschauen, meine ich, dass wir unterschätzen, wie ideologiegetrieben ihr Handeln ist.» Bannons Einsitz in Trumps Weißem Haus war für Fischer die Matrix einer fulminanten Veränderung, die viele banalisierten: «Bannons Weltbild besteht darin, dass sich im 21. Jahrhundert, dem Zeitalter der Globalisierung, die sogenannte judäo-christliche, weiße Welt, um ihre Vorherrschaft verteidigen zu können, wehren muss.»
Fischer sah «einen globalen Kulturkampf auf rassistischer Grundlage: die judäo-christliche Welt gegen den Rest.» Dieser Rest sei auf staatlicher Ebene die aufsteigende Supermacht China und auf nicht staatlicher Ebene durch den Islam angeführt. Russland würde die Stelle Europas in diesem Kulturkampf einnehmen, «weil der ideologische Kulturkampf der Regierung Trump auf derselben Wertegrundlage fusst». Die Konfrontation einer liberalen Gesellschaft im Inneren der USA und einer liberalen Verfassungswirklichkeit stünde dem Weltbild Bannons entgegen.
Fischer plädierte für Klarsicht ohne falsche Verharmlosung: «Es macht aber keinen Sinn, die Augen vor dem zu verschließen, was sich vor ihnen ereignet, oder sich einem Optimismus hinzugeben, der in der Sache nicht gerechtfertigt ist.» Zugleich blieb er zuversichtlich: «Ich glaube auch nicht, dass sich diese Agenda durchsetzen wird. Vielmehr hoffe ich, dass sich die amerikanische Zivilgesellschaft und die Institutionen wie auch die Gewaltenteilung als stark genug erweisen werden, um diese Agenda zu blockieren.» Und er meinte: «Es wird viel und großes und sogar gefährliches Chaos entstehen.» Das Chaos ist da. Der narzißtische Faschist, notorische Lügner und antidemokratische Rassist Trump hat es mit seinen Weggefährten verantwortet. Rechtsstaat, Demokratie und vor allem ihre Bürger müssen nun die Lehren und Konsequenzen daraus ziehen.
Foto:
Der faschisitische antisemitische Mob am Mittwoch im US-Capitol in Washington
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 8.1. 2021