Aufschrei current logo kopf1000 Luftangriffe und mehr (08/2015) – Berlin versteckt sich zu deutschen Waffen im Jemen-Krieg (09/2019)

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eigentlich hat es etwas Müßiges, sich immer wieder in Anbetracht skandalösen Waffenhandels und verschwiegener Rüstungsexporte in Milliardenhöhe zu Wort zu melden, aber die Irreführung der Bunderegierung und des Wirtschaftsministeriums geht munter immer fort. Die machen immer weiter.


Und das macht ein Problem im Verhältnis der Gesellschaft zu einer abgeschotteten PolitikerInnen-Blase. Trotz gegenteiliger Signale und Bekundungen, die nur Fake im wahrsten Sinn des Wortes sind. Weil politisch eben doch ganz gewollt von einer Politik, die profillos, ohne Grundätze und ohne Mitgefühl dahinwurstelt und uns zu düpieren sich anmaßt. Und dabei ihre Pressuregroup bedient, die Händler des Todes, die Waffenindustrie. Wir stehen vor einem Versagen in Verbindung mit Betrug.

Am 11.12.2020 schrieb die Zeitung vom Tag, dass die deutsche Bundesregierung den Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien bis Ende 2021 verlängert habe, auch erteilte Genehmigungen seien widerrufen worden. Aber gleich darauf wird nachgeschoben: mit Ausnahme von Zulieferungen für europäische Kooperationen. Und damit wird der ganze erste Teil Makulatur, ist quasi für die Katz. Wozu die Irreführung?

Diese Widersprüchlichkeit und Inkonsequenz ist das Dauerthema für Pax Christi – Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!, gemeinsam mit Oxfam und ‚Save the Children‘ - Jede Woche findet sich eine neue Note für die Bestätigung von Prinzipienlosigkeit und Opportunismus im Regierungshandeln. Glaubt diese wirklich uns über die Jahre hinters Licht führen zu dürfen?


Vom ausgemachten Schwindel eines Rüstungsexportmoratoriums

Dieses dient einzig der Beschwichtigung und dem Sand-in-die-Augen-Streuen. Unsere Regierung thront virtuell auf Leichenbergen, die sich weit fort da unten im Jemen aufschichten. Leichenberge waren einst auch Thema im Zusammenhang mit dem Debakel des Vietnam-Krieges.

Die genannten Einwender fordern, weitere, klopffestere Maßnahmen zu beschließen. Das Rüstungsexportverbot müsse umfassend und zeitlich unbefristet und für alle jene Mitglieder der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition gelten; solange die Beteiligung anhalte und die Gefahr bestehe, dass immer direkter deutsche Rüstungsgüter zu Menschen- und Völkerrechtsverletzungen im Jemen beitrügen.


Das Wischi-waschi um Komponenten und Kooperationsprojekte

Diese berühmt-berüchtigten Umgehungen sind mit den seltsam konstruierten europäischen Gemeinschafts- sowie industriellen Kooperationsprojekten verbunden. Die Bundesregierung bestätigt gar, dass derartige Ausnahmen genutzt werden. Daran lässt sich ablesen, wie mit uns als kritischen BürgerInnen umgegangen wird. Pax Christi verlautet dazu: „2019 und 2020 wurde die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien im Rahmen von Reexporten sowie Sammelausfuhrgenehmigungen für Gemeinschaftsprogramme erteilt“. - ‚Reexporte‘, auch so ein verräterisches Wort der Verhüllung des Eigentlichen. Es meint schlicht: Umgehung durch Weitergabe.


Einbeziehung auch der gesamten Jemen-Militärkoalition

Zudem solle der Entschließung des Europäischen Parlaments gefolgt werden, ein EU-weites Waffenembargo gegen alle Mitglieder der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition im Jemen einzusetzen. Denn der Exportstopp für Saudi-Arabien entspricht nur einer halbherzigen Reaktion auf den Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudi-arabischen Botschaft auf türkischem Territorium und ist nur ein willkommener Reklame-Trick.

Auf der anderen Seite stehen die Huthi-Rebellen, die mit dem gottesstaatlichen Regime des Iran konform gehen und von diesem beliefert und unterstützt werden. Sie sorgen, gleichermaßen verwerflich, für das Gleichgewicht des Schreckens im Religionskampf zweier brutaler Regime. Taktisch mitzutun aber steht dem Westen nicht an, es dient allein der Verlängerung des Grauens.

Pax Christi fordert, dass auch für alle anderen Mitglieder der Militärkoalition, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Rüstungsexporte weiterhin nicht genehmigt werden sollen. Dass dies doch geschah, sei „eine empörende Fehlentscheidung“. Von allen Kriegsparteien würden Menschen- und Völkerrechtsverletzungen dokumentiert.


Die vorgebliche Kontrolle ist nur ein Flickenteppich

Der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour hatte eine Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium gestellt. An die Konfliktparteien im Jemen gingen eine Milliarde Euro. Für Ägypten wurden für militärische Ausrüstung 752 Millionen Euro genehmigt. Katar bekam 305,1 Millionen zugestanden, für die VAE waren es 51,3 Millionen, Kuweit bekam 23,4 Millionen, die Türkei 22,9 Millionen in petto. Genehmigt wurden ebenso an Jordanien 1,7 Millionen, für Bahrein durften es 1,5. Millionen Euro sein. Summa summarum belaufen sich die zugestandenen Waffen auf einen Gesamtwert von 1,16 Milliarden. Alle diese Länder sind an den Konflikten beteiligt. Im Jemen, in Lybien und in Ansehung der ägyptischen Beteiligung. Nouripour scheint der einzige wirkliche Kritiker im Hinblick auf die anhaltenden Exporte zu sein. Nur auf Drängen der SPD wurde 2018 eine Klausel in den Koalitionsvertrag aufgenommen, wonach die Lieferungen an alle die an dem unheiligen Konflikt beteiligten Parteien „unmittelbar“ gestoppt werden sollen. Diese Quasi-Vereinbarung wurde nicht eingehalten. Auch hat die Türkei das Waffenembargo gegen Libyen gebrochen.

Die Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte hatten 2019 mit 8,015 Milliarden alle Rekorde gebrochen. Weiter wurde bekannt, dass beim Rückgang der Exporte 2019 ‚nur‘ Lieferungen für 6,635 Milliarden erlaubt wurden.

Robert Lindner von Oxfam lässt wissen, dass der Krieg im Jemen bisher über 100 000 direkte Todesopfer gefordert habe, davon 12 000 ZivilistInnen. Es gab 5500 direkte Angriffe auf diese und auch auf zivile Ziele. Ebenso konnte der Einsatz von Kindersoldaten und die Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe dokumentiert werden.

Es ist die Frage, wie die Mitglieder der Bundesregierung ihre Beteiligung am Morden in der Welt mit ihrem Gewissen ausmachen. Diesbezüglich wäre auch wieder der höchst ominöse Bundessicherheitsrat in die Betrachtung miteinzubeziehen. Eine Regierung, die Arkan-Politik betreibt, verdient keinen Respekt.


Den Internationalen Strafgerichtshof einbeziehen

Unbedingt auch müsste der Internationale Strafgerichtshof mit den Waffenlieferungen an die Kriegsparteien und mit Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, besonders wegen grausamer Verbrechen an der Zivilbevölkerung im Jemen befasst werden.

Schlimm, dass es durchweg immer wieder zu den besagten Umgehungspraktiken kommt und dadurch die Blutspur der Regierung nicht austrocknet, sondern zum Strom wird.

Susanne Weipert, die Koordinatorin der Kampagne „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“, setzte am 29.09.2020 hinzu: „Wir fordern die Bundesregierung und explizit Außenminister Maas auf, die Befassung durch den Internationalen Strafgerichtshof mit den Verbrechen im Jemen zu unterstützen. Maas hat im UN-Menschenrechtsrat das „Bündnis gegen die Straflosigkeit“ ausgerufen sowie gestern vor der UN-Vollversammlung die Bedeutung des Internationalen Strafgerichtshofs erneut betont. Dem müssen Taten folgen. Mit den Worten des Vorsitzenden der UN-Expertengruppe gesagt: ‚Niemand kann behaupten, er hätte nicht gewusst, was im Jemen geschieht. Rechenschaft ist der Schlüssel, dass die Menschen im Jemen und die Humanität Gerechtigkeit erfahren“.

Aktion Aufschrei gab am 21. September 2020 eine Mitteilung für die Medien heraus:

Protest- und Kunstaktion der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“
„Rüstungsexporte können tödlich sein“

Friedensaktivist*innen protestierten heute anlässlich des Internationalen Weltfriedenstages vor dem Wirtschaftsministerium in Berlin gegen die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung und für ein Rüstungsexportkontrollgesetz.

Die Kampagne „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ machte mit der Kunstaktion „Rüstungsexporte können tödlich sein“ auf die Verantwortung des Wirtschaftsministeriums als federführendes Ministerium bei Waffenexporten aufmerksam.

Angesichts von Rüstungstransfers selbst in Kriegs- und Krisengebiete zog sich eine „Blutspur“ vom „Mauerbrunnen“ bis zum Haupteingang des Wirtschaftsministeriums, gesäumt von Waffenattrappen. Aktivist*innen verteilten Flyer und informierten Passant*innen über die dringende Notwendigkeit eines Rüstungsexportkontrollgesetzes.

Anlass war der Internationale Weltfriedenstag und der Start einer Aktionswoche, die unter dem Motto „Frieden beginnt hier! Rüstungsexportkontrollgesetz jetzt!“ für ein Rüstungsexportkontrollgesetz wirbt.

Jürgen Grässlin, Sprecher der Aufschrei-Kampagne und Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) begründet die Aktion: „Nachdrücklich kritisieren wir seit Jahren die skandalöse Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung unter Führung von CDU, CSU und SPD.

Hemmungslos wurden und werden deutsche Waffen selbst in Kriegs- und Krisengebiete exportiert und von dort aus reexportiert. Wiederholt haben wir die massive Mitverantwortung der Bundesregierung für die zahlreichen Toten und Verletzen durch den Einsatz deutscher Kriegswaffen seitens der Empfängerländer – wie der Türkei, Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate – nachgewiesen.

Diese Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen und zu Morden mit Kriegswaffen aus Deutschland muss sofort gestoppt werden!“, so Grässlin. „Gemäß der Verfassung soll von Deutschland Frieden und nicht Krieg ausgehen – genau deshalb benötigen wir schnellstmöglich ein Rüstungsexportkontrollgesetz!“ Und zwar ein eindeutiges und klar formuliertes.

Die Sprecherin der Kampagne und pax christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann, ergänzt:

„Unser Ziel ist es, den Waffenhandel zu stoppen, weil deutsche Waffen die Kriege in der Welt anheizen. Das widerspricht dem Vorrang für zivile Konfliktlösungen. Rüstungsexporte verstärken die Gewalt, verschärfen Fluchtursachen und militarisieren den Grenzschutz – auch den europäischen. Deutschland braucht ein Rüstungsexportkontrollgesetz, weil die aktuelle Gesetzeslage seit Jahrzehnten von den jeweils amtierenden Bundesregierungen dazu genutzt wurde...

...Deutschland zu einem der größten Waffenhändler der Welt zu machen.

Die widersprüchlichen Gesetze, Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz, sind ein massives Problem, das wir durch ein einziges kohärentes Rüstungsexportkontrollgesetz als lösbar ansehen.

Hier vor den Türen des Wirtschaftsministeriums benennen wir heute unsere Ansprüche an dieses neue Gesetz.“

Hinzuzufügen wäre noch, dass insbesondere Kleinwaffen durch Proliferation, also Weitergabe unter der Hand, nicht nur in die Kriegszonen weiterverbreitet werden, sondern auch die Hände der mexikanischen Drogenmafia gelangen.

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aufschrei-waffenhandel.de