DAS JÜDISCHE LOGBUCH im Januar 2021
Yves Kugelmann
Basel, (Weltexpresso) - Donald Trump wiedergewählt! Am Wahlabend des 6. November 2020 gesteht der demokratische Kandidat Joe Biden die Wahlniederlage ein. Die republikanische Partei feiert und mit ihr rund 75 Millionen Amerikaner. Mitten in der Pandemie schreitet Team Trump, sein Clan und eine Horde von Eskalationsalliierten wie Rudy Guliani, Sidney Powelt, Josh Hawley mit grossen Schritten weiter voran bei der Verwandlung der USA.
Faschistische Gruppierungen, die radikale Rechte und mit ihnen Despoten im Ausland jubeln. Team Trump nimmt in Angriff, was es angekündigt hat: weitere vier Jahre Abbau des Multilateralismus, von Sozialpolitik, Nominierung rechter Richterinnen und Richtern quer durch Amerika, Kampf gegen die «sozialistischen» Demokraten. Fox News, rechte Plattformen wie Parler haben Hochkonjunktur. Hetze, Hassrede, Verschwörungstheorien und Stigmatisierungen prasseln rund um die Uhr auf die Öffentlichkeit ein. Trumpflüsterer nutzen die Gunst der Chance. Trumpverehrer auch in Europa fühlen sich gestärkt und fordern Programm Trump in anderen Ländern ein.
In der Schweiz schreiben Trumpversteher wie die Chefredakteure Eric Guyer («Neue Zürcher Zeitung»), Roger Köppel («Weltwoche»), Markus Somm («Nebelspalter») weiter im Fahrwasser der neuen Rechten. Waffenverkäufe weltweit steigen – der Kulturkampf gegen die liberale Gesellschaft geht in eine zweite und letzte Amtszeit. Trumps Inauguration im Januar 2021 ist der Startpunkt für eine weitere Radikalisierung, während die Zahl der Toten der Pandemie steigt, Verschwörungstheoretiker und radikalisierte Anhänger sich nicht mehr verstecken und auf Strassen manifestieren.
Regierungen in Europa, Russland und China stellen sich auf weitere vier Jahre der Konflikte ein. Das amerikanische Militär rüstet sich für eine Intervention in Iran und internationale Bemühungen gegen den Klimawandel werden weiter zurückgedrängt. Die Regierung Trump erpresst weiterhin kleinere Staaten und nimmt die eigene Wirtschaft sowie Großkonzerne in Geiselhaft. Philip Roths Fiktionsroman «Verschwörung gegen Amerika» (2004) wird auf einmal Wirklichkeit.
All dies ist noch nicht geschehen. Nicht weil Politik oder Vernunft den sogenannten Trumpismus besiegt oder ihm etwas entgegenzusetzen gehabt hätten. Ein Virus hat den neuen Faschismus vorläufig besiegt und einer verheerenden, korrupten, rassistischen und antisemitischen Politik ein Ende gesetzt. Rasch haben die Ratten das sinkende Schiff verlassen, populistisch die eigene Haltung über Nacht verändert oder versucht, mit Schweigen keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Ein Wandel auf Zeit und nicht durch Vernunft. Trumps Armeen, die radikale Rechte, seine Fans und Unterstützer, seine Financiers, seine politischen Weggefährten – alle, die den Weg zum gewaltsamen Sturm auf das US-Parlament über Jahre mit geebnet hatten, die Mitläufer und Halunken im Fahrwasser von Trumps Frontalfahrt, alle, die die von Trump geöffneten Schleusen mit Freude nutzten, den Kniefall vor seinen Lügen, seiner Hetze und seine die Gesellschaft spaltenden Kampagne vollzogen – sie alle sind noch da. Mitten unter uns. Ebenso wie eine korrupte Trump-Familie, die sich auf 2024 vorbereitet und nochmals an den Wahnsinn anknüpfen möchte – es sei denn, Gerichte und Gesetze, der Gesellschaftsvertrag formieren sich neu und verhindern diesen Krieg gegen Demokratie, Rechtsstaat und liberale Gesellschaft.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 15.1. 2021
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.