putin mdr.deGedanken einer Hausfrau zur Beseitigung einer Dauerkrise

Adele Hübner-Neuwerk

Neuwerk (Weltexpresso) - Jetzt in den Wintermonaten mache ich mir öfter Gedanken, wie das mit Putin  weitergehen soll. Irgendetwas ist ja immer los. Jetzt die Sache mit Nawalny. Dass der unbedingt zurück wollte nach Russland, verstehe ich sowieso nicht. Er musste doch damit rechnen, wieder eingesperrt zu werden. Aber das ist sein Bier.

In der Zeitung stand „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich das Opfer eines Chemiewaffenangriffs auf Grundlage eines willkürlichen Urteils hinter Gittern befindet und die Täter nicht belangt werden.“  Das ist leicht gesagt. Aber wie soll das gehen mit dem Nicht-Zulassen?  In Myanmar hat das Militär jetzt die gewählte Regierung abgesetzt, und niemand redet von Sanktionen. Und als der amerikanische Präsident Trump seine Leute zum Sturm auf das Kapitol und die Demokratie aufgerufen hat, hörte man von unserer Regierung auch nicht viel.



Wie die Polizei in Russland mit Demonstranten umgeht, ist nicht schön. Aber mit scharfer Munition hat sie noch nicht auf Demonstranten geschossen, so wie  die deutsche Polizei 1952 in Essen bei  einer Demonstration gegen die Wiederbewaffnung. Einen Toten und mehrere Verletzte gab es damals, und die Verteidiger der Menschenrechte hat das nicht sonderlich  aufgeregt, obwohl das, so unser Regierungssprecher jetzt nach der Verurteilung Nawalnys zu dreieinhalbjähriger Lagerhaft, „fernab rechtsstaatlicher Prinzipien“ gelegen haben dürfte. Wie heißt es doch so treffend bei Matthäus 7?  „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“

Der Ruf nach Strafmaßnahmen gegen Russland klingt seit jeher hohl. Wenn ich mir die Landkarte ansehe, kommt mir Deutschland verglichen mit dem riesigen  Russland ziemlich mickrig vor. Nicht, dass wir deswegen kleine Brötchen backen sollten, aber von Größenwahn sollten wir uns fernhalten. Selbst wenn Nawalny demnächst als Zar Alexej I. die Herrschaft übernehmen sollte, bliebe Russland die alte Großmacht, mit der sich die Kleinstaaten drum herum aus praktischen Gründen gut stellen sollten. Dass die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in grandioser Selbstüberschätzung fordert, Putin müssten „die Grenzen seiner Willkür aufgezeigt werden“, wird den Kremlchef kaum um den Schlaf bringen. Und eine elektronische Fußfessel würde wohl auch nicht helfen, obwohl das Bundesverfassungsgericht eine solche Maßnahme als mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnet hat. Dazu gibt es übrigens das schöne Mäuse-Märchen „Wer hängt der Katz’ die Schelle um?

Die 27 Mitgliedsstaaten der EU bezeichneten den Moskauer Richterspruch gegen Nawalny in einer Erklärung als „inakzeptabel“, aber von möglichen Strafmaßnahmen, wie Berlin sie wünscht, ist nicht die Rede. Die Außenminister würden das Thema am 22. Februar weiter beraten, hieß es. Ende März würden dann die Staats- und Regierungschefs über das künftige Verhältnis zu Russland diskutieren. Passieren wird also so schnell nichts, und das kann nur gut sein. Aus Amerika weht jetzt ein anderer Wind. Nach Russland haben auch die USA den großen atomaren Abrüstungsvertrag beider Staaten verlängert. Das Abkommen begrenzt die Nukleararsenale beider Seiten auf je 800 Trägersysteme und 1150 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Das reicht, um unseren Planeten unbewohnbar zu machen. „Ein ungehemmter nuklearer Wettbewerb würde uns alle gefährden“, sagte der neue amerikanische Außenminister Blinken. Darüber und über einen deutschen Beitrag zur Abrüstung sollten die Grünen nachdenken, statt im Bunde mit der FDP Nordstream 2, also die Ölleitung durch die Ostsee  von Russland nach Deutschland, kurz vor der Fertigstellung zu bekämpfen.

Foto:
Putin mit Ehefrau in Dresden; die Ehe mit der russischen Deutschlehrerin hielt 30 Jahre
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