biografie beltz 2Humor ist ... Politische Satire leistet einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit den aktuellen gesellschaftlichen Reizthemen

Maly Malyssek

Wiesbaden (Weltexpresso) - Kann Satire in Zeiten der Katastrophen, wie jetzt in der Pandemie politisch und aufklärerisch wirkungsvoll sein? Kann Satire für die wunden Seelen der Menschen im Zustand des Shutdowns heilsam sein?

Satire ist bissig und auch schmerzhaft. Die Pandemie ist für sehr viele Menschen sehr belastend und stellt das bisherige geplante Leben auf den Kopf. Vielleicht  muss man es auch nicht auf die Spitze treiben, um etwa den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, aber die Satire hat durchaus den Charakter eines Gegengiftes, um den Schmerz des tiefsitzenden Stachels zu mildern. Nämlich Angst zu nehmen und Panik einzudämmen, durch Aufklärung und Konfrontation. Die Dringlichkeit besteht, schaut man etwa heute auf die fast paranoiden Vorstellungen und Auftritte der „Querdenker“ in Zeiten der Pandemie.

Bezugnehmend auf die dankenswerter Weise erschienenen Artikel von Stephan Hebel  (FR, 29. Januar 2021) „Satire wird nicht für das Sofa gemacht“ und von Harry Nutt (FR, 23./24. Januar 2021) „Der gute Witz steht unter Verdacht“ kann in diesen Zeiten der heißen Debatten um Corona, der Attacken auf eine Politik des Versagens und der Ausuferungen des Shitstorms auf die vermeintlichen Sündenböcke der Nation, auch eine ganz andere  Note ins Spiel gebracht werden.

So ist Stephan Hebels Blick zurück auf Tucholsky („Satire darf alles“) ein geeigneter Ansatz, um die Bedeutung des scharfen Humors deutlich zu machen: nämlich unmissverständlich zu sagen, wer der Feind ist, wo er steht und nicht in diesen aktuell vorherrschenden, nahezu unterirdisch anmutenden unflätigen Motzereien auf alles, was einem gerade an politischen Entscheidungen nicht in den eignen Kram passt. Der Kabarettist Dieter Nuhr etwa (denn „Satiriker“ hätte Tucholsky diesen sicher nicht genannt, so Hebel), zeigt in seiner inzwischen eher zynischen, denn humorvollen Unterhaltungssendung im Ersten, dass er die Prinzipien der politischen Satire längst verlassen hat. Die Kritiker der „Mächtigen“ in Wirtschaft und Umweltpolitik, wie Greta Thunberg, werden von Nuhr im Grunde der Lächerlichkeit preisgegeben, weil sie als junge Menschen Ansprüche an die Mächtigen stellen („Ich will, dass ihr in Panik geratet!! Greta im Januar 2020 in Davos): Change the politics not the climate!

Da war Kurt Tucholsky in seiner Zeit und unter den damaligen politischen Verhältnissen ein ganz anderes Kaliber. Trotz dieser Dauerkritik an der SPD war der „Weltbühne“ stets klar, dass die wahren Feinde der Republik auf der anderen Seite des politischen Spektrums zu suchen waren. In einem Gedicht Tucholskys (als Kaspar Hauser: „Morgenpost“) hieß es Ende 1919:

„Nun steh ich auf. Ich weiß Bescheid:
Nach jener winzigen, großen Zeit
Sei dies der Wahlspruch des Geschlechts:
Der Feind steht recht! Der Feind steht rechts!“

Hebel sieht mit dem aktuellem Blick  auf die Satire von Jan Böhmermann und der „Anstalt“ mit Max Uthoff und Claus von Wagner die geeigneten Erben des Aufklärers und Pessimisten Tucholsky, dem hier zuzustimmen ist.

Unbedingt genannt werden sollte in der Ahnengalerie auch der vor bald 20 Jahren verstorbene scharfsinnige Fachmann und Frankfurter Kabarettist Matthias Beltz, auch Mitbegründer des berühmten „Tigerpalast“. Seinen „harten Stoff“ mit spitzer Zunge, den er in Veranstaltungen dem Publikum servierte, war irritierend direkt und schmerzhaft.

Nach einem seiner legendären Live-Auftritte, erinnere ich mich noch gut daran, als ich wieder nach draußen gekommen, noch Minuten brauchte, um mich wieder gefasst zu haben. Der Autor und Theatermacher Michael Herl schrieb in seiner FR-Kolumne am 30.07.2013: „Eigentlich hatte Matthias Beltz natürlich recht. Mal wieder. Der Beltz sagte einmal sinngemäß, er liege oft nachts wach und grübele, weil die Welt so schlecht sei. „Und dann“, so Beltz, „gehe ich runter auf die Straße und sehe: Ich habe recht.“ So war er eben.

Also doch auch so einer, der den Teufel mit dem Beltzebub austreiben konnte!

Foto:
Matthias Beltz
©http://www.matthiasbeltz.de/biografie.html

Info:
Lesen:
Matthias Beltz: GUT und BÖSE. Gesammelte Untertreibungen. Zweitausendeins 2008
Kaspar Hauser: „Morgenpost“, in: Die Weltbühne, 27. November 1919, S. 674
Rudolf Hosfeld: Tucholsky. Ein deutsches Leben. München 2012
Lutz Röhrig: Lexikon der spricwörtlichen Redensarten, Band 3, Darmstadt, 7. Aufl. 1994, S. 1608