Bildschirmfoto 2021 02 23 um 01.56.12Der Politiker und Geheimagent war massgeblich an der Alija von 125'000 irakischen Juden beteiligt

Andreas Mink

Tel Aviv (Weltexpresso) - Wie erst vorgestern Sonntag in der «New York Times» vermeldet, ist am 8. Februar mit Shlomo Hillel im israelischen Ra’anana eine legendäre Persönlichkeit aus der Gründungszeit des jüdischen Staates verstorben. Hillel wurde 97 Jahre alt. 1923 als elftes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Baghdad geboren, erlebte er 1933 die blutige Verfolgung assyrischer Christen im Irak mit. Die Familie erkannte dies als Alarmzeichen für die seit vielen Jahrhunderten in Mesopotamien beheimateten Juden und wanderte ins damalige Mandats-Palästina aus.

Tatsächlich wurden irakische Juden bereits während des Zweiten Weltkrieges Opfer von Pogromen. In der Nachkriegszeit nahm ihre Verfolgung durch Behörden und muslimische Nachbarn mit der Staatsgründung Israels dramatisch zu.

Hillel hatte zunächst an der Hebrew University studiert und war anschließend an der Gründung des Kibbutz Maagan Michael im nördlichen Palästina beteiligt. Er schloss sich dann der Haganah an und ging 1946 im Auftrag der Untergrund-Armee zurück in den Irak, um die Emigration dortiger Juden nach Palästina einzuleiten. Dies gelang zunächst durch den Schmuggel in Lkws von Baghdad nach Haifa. Im Sommer 1947 organisierte Hillel Flüge mit amerikanischen Piloten von Baghdader Flughafen in das Mandats-Gebiet. Doch trotz erfolgreicher Missionen konnte so nur einer geringe Zahl von Fluchtwilligen geholfen werden. Im Jahr darauf entwickelte Hillel mit dem zum Katholizismus übergetretenen Alexander Glasberg in Paris eine effektivere Route über den benachbarten Iran nach Marseille und dann nach Israel.

In Kooperation mit dem Mossad etablierte Hillel schließlich eine Fluglinie, die in Kooperation mit der jüdischen Gemeinde in Baghdad und mit Einwilligung der irakischen Regierung bis in die frühen 1950er Jahre insgesamt 125'000 irakische Juden nach Israel bringen sollte: Der damalige Premier Taufik al Suwaidi war sogar an dem Reiseveranstalter «Near East Air Transport» beteiligt, der knapp tausend Flüge nach Israel organisierte.

Hillel heiratete in dieser Zeit die aus Wien geflohene Holocaust-Überlebende Temima Rosner. Er war später Knesset-Abgeordneter, hielt verschiedene Kabinettsposten und machte 1977 erneut als Innenminister Geschichte: Damit für die Aliyah zuständig, gleiste Hillel die Einwanderung von rund 120.000 äthiopischen Juden auf – darunter war seine zukünftige Schwiegertochter Enatmar Salam . Politisch blieb Hillel zeitlebens der Labour-Party verbunden. Noch wenige Tage vor seinem Tod stellte er sich der Partei für einen Ehrenplatz auf der Liste für die Wahlen im März zur Verfügung .

Foto:
Sholmo Hillel a.A.

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 22.2. 2021